Salat spielt in der Gastronomie oft nur eine Nebenrolle. Zu Unrecht!

Salat spielt in der Gastronomie oft nur eine Nebenrolle. Zu Unrecht!
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Salat als Hauptgang

Das grüne Blattwerk hat ein Imageproblem. Schuld daran ist oftmals mangelnde Kreativität in der Verarbeitung und ein falscher Umgang mit dem sensiblen Gemüse.

»Salat ernten heißt, sich zu bücken. Salat ist Demut.« Wenn Christian Lohse über Salat spricht, schwingt in seinen Worten ein Hauch bittersüße Ironie, aber auch viel Wahrheit mit. Der erfolgreiche Sternekoch aus Berlin brennt für das Thema, auch wenn ihm der Ernst, mit dem andere über Ernährung sprechen, zuwider ist. Die Botschaft ist dennoch klar: Salat bekommt in der Gastronomie bei weitem nicht die Aufmerksamkeit und Fürsorge, die er verdient hätte. »Salat ist eine Zicke, keine Frage, er wird schnell welk. Aber er ist ein Grundnahrungsmittel, das gehütet und geschützt werden muss. Niemand will Salat essen, der mit der Chemiekeule bearbeitet wurde. Denn richtiger Salat, und damit meine ich nicht den grün gefärbten Zellstoff, der für Burger verwendet wird, sondern den, der wirklich gewachsen ist und nach etwas schmeckt, ist von solch einer Stärke und besonderen Verdauungs- und Heilkraft, die auch unserem Körper gut tut.« Vorausgesetzt man weiß, wie man mit dem Blattgemüse umzugehen hat – und zwar nicht erst in der Küche, sondern bereits in der Produktion und beim Einkauf: Seit über 
30 Jahren kauft Lohse sein Gemüse ausschließlich und direkt bei Demeter-Land-wirten, nicht bei Lieferanten. Nur so könne er sicherstellen, dass der Salat auch wirklich ein Lebens- und kein »Totmittel« ist. Die anschließende Lagerung im Kühlhaus ist für ihn tabu. »Man kann Salat mit Transport und Kälte sehr schnell umbringen«, warnt Lohse. »Salat muss auch eine gewisse Größe haben, eine Quantität. Und hören Sie auf, ihn klein zu schnippeln. Nur wenn man Salat lässt, wie er ist, kann er sich von seiner schönsten Seite zeigen.«

Restaurants mit eigener Indoor-Farm gelten als Zukunftsweisend.
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Restaurants mit eigener Indoor-Farm gelten als Zukunftsweisend.

Von der Beilage zum Hauptgericht

Eigentlich paradox, dass gerade der Salat Köchen derartiges Kopfzerbrechen bereitet, wo er doch sowohl in der deutschen als auch in der österreichischen Küche eine lange Tradition hat. Wirtshausklassiker wie Schweinsbraten oder Backhuhn wären ohne Begleitung eines Kraut- beziehungsweise Kartoffelsalats nicht denkbar. Dennoch hat auch Koch und Gastronom Hans Peter Fink den Eindruck, dass es für viele Kollegen offenbar schwieriger ist, einen Salat zuzubereiten, als sous-vide zu garen. »Ob ein Restaurant gut ist, erkenne ich am Salat und am Dressing. Es scheint, als ob sich Köche nicht trauen würden, ein so vermeintlich einfaches Gericht auf die Karte zu setzen. Dabei ist die Nachfrage der Gäste nach einem knackigen Salat hoch.« Das bestätigt auch eine Erhebungder Statistik Austria im Auftrag des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus aus dem Jahr 2017: Pro Kopf und Jahr konsumieren die Österreicher 4,2 kg Häuptel- und Eissalat und 3,2 kg sonstige Salate. Warum sich den Ab- und Umsatz also nicht ins Haus holen? Fink: »Salat sollte ein fester Bestandteil jeder Karte sein. Wenn ich wirtschaftlich damit umgehe, das heißt saisonal arbeite, ist Salat auf jeden Fall ein Umsatzbringer.« Für Salat als Hauptspeise könne man schließlich zwölf bis zwanzig Euro verlangen, »da ist der Wareneinsatz kein Thema.« Bietet man den Salat wie eine Art Baustein-System an, bei dem Gäste eine Basissalat-mischung mit extra Zutaten wie Spargel, gekochtem Ei oder geröstetem Speck erweitern können, generiert man obendrein auch noch Zusatzverkäufe. Und das ganzjährig. Denn auch in den kalten Monaten gibt es mit Bittersalaten wie Chicorée, Frisée und Radicchio Trevisano mittlerweile ausreichend Möglichkeiten, Salat zuzubereiten. »Wenn man die Qualität durchgehend auf hohem Niveau hält, fragt der Gast bald von sich aus nach Salat«, ist Fink überzeugt.

Salat hat beinnahe ganzjährig Saison.
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Salat hat beinnahe ganzjährig Saison.

Eine Bereicherung

Und in der Spitzengastronomie? Da kommt Salat seltener als Beilage oder eigenständiges Hauptgericht, als vielmehr in verarbeiteter Form auf den Teller. Sternekoch Paul Ivic verwendet Salat unter anderem gebraten, geeist oder flüssig. »Beilagensalat gibt es im TIAN Gourmetrestaurant keinen, weil wir eindurchdachtes Menü servieren und bewusst auf Ablenkung verzichten. Dafür bekommt der Salat im TIAN Bistro bei unserem Mittagsangebot ›Salad & Sandwich‹ umso mehrAufmerksamkeit.« Dass Salat generell ein schlechter Ruf nachgesagt wird, ist auch Ivic bekannt. »Ich liebe Salat und denke, vielen meiner Kollegen geht es genauso. Bedauerlicherweise wird er zu oft stiefmütterlich behandelt, sprich, bei der Zubereitung wird nicht auf die notwendige Balance geachtet, sondern Salat meistens im Dressing ertränkt.« Es benötigt also jede Menge Fingerspitzengefühl und Kreativität, um Salat aus seiner verstaubten Ecke zu holen und ihn vom unbeachteten Nebendarsteller zum viel gelobten Hauptakteur zu befördern. 

Mit etwas Fingerspitzengefühl, kann man Salat vom Nebendarsteller zum Hauptakteur befördern.
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Mit etwas Fingerspitzengefühl, kann man Salat vom Nebendarsteller zum Hauptakteur befördern.

Oft reicht dazu schon ein kleines Upgrade mit saisonalem Obst und Gemüse oder frischen Kräutern. »Salat ist immer spannend und wird es auch immer geben. Was sich ändert, sind die Variationen. Und es gibt viele Möglichkeiten, Salat aufzupeppen«, setzt Siegfried Kröpfl zur Ehrenrettung der grünen Blätter an. Der Haubenkoch, der sich im Rahmen der Initiative »United Against Waste« gegen die Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie engagiert, erlebt viel zu häufig, wie achtlos mit Salat umgegangen wird. »Salat wird leider als billiges Produkt angesehen und landet deshalb viel zu oft und zu schnell im Müll. Dabei muss man laschen Salat nur in etwas kaltes Wasser einlegen und schon ist er wie neu. Wenn nicht, eignet er sich immer noch für Smoothies. Wirtschaftlich gesehen also ein tolles Produkt. Es wird weniger weggeworfen, im Börserl bleibt auch mehr und für die Umwelt wird Gutes getan«, so Kröpfl. Christian Lohse schwärmt indessen von einem Löwenzahnsalat, den er noch am Vortag für sich und seine Frau zubereitet hatte. »Wenn ich könnte, würde ich Ihnen jetzt ein Foto davon schicken. Wunderschöne lange Blätter. Bitter und deshalb nicht in rauen Mengen zu genießen, aber die Verdauung, das sage ich Ihnen, die funktioniert einwandfrei.«

Artikel aus Falstaff Karriere 04/2018.

Sonja Planeta
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