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Sabotage im Weingut Conte Vistarino

Erneut wird ein italienisches Weingut Ziel einer Attacke. Wer steckt dahinter? Frustrierte Traubenerzeuger oder die Mafia?

Contessa Ottavia Giorgi di Vistarino ist eine Önologin von großer Passion. In ihrer Heimatregion Oltrepò Pavese in der norditalienischen Region Lombardei pflegt die 40-jährige vor allem die Nischen: Einer der besten Pinot nero Italiens gedeiht in den Weinbergen der Familie, und auch der in klassischer Flaschengärung erzeugte Spumante »1865« belegt das Stilgefühl der jungen Adligen: Nach 60 Monaten Hefelager entsteht ein nuancierter, fein moussierender Schaumwein, der sich vor den besten Franciacortas oder Trentiner Spumanti nicht verstecken muss.

Doch nun liegt ein Schatten über dem idyllischen Landgut Rocca de' Giorgi: Wie erst jetzt bekannt wurde, drangen in der Nacht von 4. auf 5. Dezember Unbekannte in einen der beiden Keller des Weinguts ein und öffneten die Hähne mehrerer Tanks: 400.000 Liter Wein im Gegenwert von über 500.000 Euro ergossen sich auf den Fußboden. Ein großer Schock für die Angestellten, die morgens zur Arbeit erschienen und den Keller überschwemmt vorfanden.

Der Fall hat große Ähnlichkeit mit einem Vorfall, der sich 2012 im Keller des Brunello-Starwinzers Gianfranco Soldera ereignete: Damals wurden 60.000 Liter hochkarätigen Brunellos aus sechs Jahrgängen vernichtet – ein Millionenschaden –, als Täter konnte ein früherer Mitarbeiters Solderas ermittelt werden. Die Hintergründe der Tat wurden niemals aufgeklärt, da der Beschuldigte ein Urteil nach dem in Italien möglichen »abgekürzten Verfahren« akzeptierte. Vermutet wurde damals, dass ein Zusammenhang zu Solderas Aussagen im so genannten Brunello-Skandal existiert. Einer Reihe von größeren – teils namhaften – Produzenten wurde damals nachgewiesen, dass sie unerlaubterweise Merlot und andere nicht autorisierte Rebsorten in ihren Brunello verschnitten hatten.

Wurde ein Exempel statuiert?

Auch in Oltrepò Pavese laufen derzeit Ermittlungen gegen Weingüter, die iillegaler Praktiken verdächtigt werden. Da wäre es durchaus denkbar, dass auch hier an einem unbescholtenen Betrieb ein Exempel statuiert werden soll. Contessa Ottavia Giorgi di Vistarino stellt bei einem Telefonat mit Falstaff zwar keinen expliziten Bezug zu diesen Ermittlungen her, doch sie gibt zu Protokoll, dass »man die wirtschaftliche Realität hier in Oltrepò Pavese kennen muss, um diese Tat zu verstehen. Die meisten Winzer unserer Region produzieren selbst keinen Wein, sie verkaufen die Trauben. Meine Familie war früher der größte Aufkäufer von Trauben in der Region, und auch heute kaufen wir noch von 150 Familien Trauben, um daraus Fasswein zu erzeugen. Ich bin zwar überzeugt, dass dieses Fassweingeschäft für uns nicht die Zukunft darstellen wird, aber man bricht ja nicht so schnell mit der Vergangenheit. Auf lange Sicht werde ich mehr in unsere eigenen Weine und in unsere Marke investieren.«

Wäre es also auch denkbar, dass der Anschlag eher mit den Aktionen des so genannten CRAV im Languedoc (Falstaff berichtete) zu vergleichen wäre? Als ein Racheakt enttäuschter Winzer? Contessa Ottavia Giorgi di Vistarino hält das für unwahrscheinlich: »Das kann ich mir nicht vorstellen. Auch wenn das Fassweingeschäft in Zukunft vielleicht weniger Bedeutung für uns haben wird – der Name Vistarino stand schon immer auch für Treue zu Land und Leuten. Die Winzer wollen doch, dass wir weitermachen, die kommen ja von sich aus zu uns, um uns Trauben zu verkaufen. Überdies haben wir, wie es üblich ist, am 30. November alle Trauben bezahlt. Die Winzer sind zufrieden, mit uns zu arbeiten. Ich glaube, dass diese Tat mit der Marktsituation zu tun hat und dass es eine kleine Minderheit ist, von der sie ausgeht. An einen verrückten Einzeltäter glaube ich nicht, dafür ist das alles eine Nummer zu groß.«

Ohne ins Detail zu gehen, fügt Ottavia Giorgi di Vistarino an, dass die Preise für Fasswein momentan nicht hoch seien. Unter den Kellereien, die Fassweine erzeugen, herrsche starker Wettbewerb, der Markt sei sehr kompliziert geworden. Wie der online-Dienst des englischen Telegraph berichtet, sind derzeit in der Region Ermittlungen im Gang, bei denen es um Panschereien und Dokumentenfälschung in der Größenordnung von 20 Millionen Euro geht. Insgesamt seien 300 Personen der Täterschaft beschuldigt.

Zusammenhalt

Auch im Fassweinkeller von Conte Vistarino ist nun die Polizei aktiv – aber nicht, um eine Weinfälschung zu untersuchen, sondern um Spuren zu sichern. »Die Polizei arbeitet mit großer Professionalität«, so Vistarino. »Sie machen das alles sehr gründlich, ich bin sehr zufrieden. Und einschüchtern werden wir uns ohenhin nicht lassen. Es tut uns gut zu sehen, dass alle Nachbarn an unserer Seite stehen. Der Angriff auf Euch, so sagen sie uns, ist auch ein Angriff auf uns – und auf alle, die anständige Arbeit verrichten.«

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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