Ru(h)mreich - Neue Qualität des Zuckerrohr-Spirits

Jahrhundertelang gehörte Rum zum lapidaren Sold der Seefahrer. Heute aber gibt man teils viel Geld für spezielle Sorten aus.

In geschmacklicher Hinsicht ist Rum für gewöhnlich ein Schmeichler, gleichzeitig ist er schwer zu fassen. Zu vielfältig ist die Bandbreite an Stilen, um Regelmäßigkeiten zu erkennen. Bei schottischem Whisky gewinnt man ja doch irgendwann den Überblick über Stile und Arten. Bei Rum klappt das nicht, denn jenseits des kubanischen Stils – für den Bacardi und Havana Club stehen –sowie des erkennbaren jamaikanischen Rums gibt es kaum gemeinsame Merkmale.

>>> Das Spiel mit den Fässern

Details durch ­Herstellungsverfahren
Die Unterschiede zwischen einzelnen Marken sind eher durch das Herstellungsverfahren bedingt als durch Klima oder Terroir. Der jamaikanische Stil etwa geht auf die lange Vergärung der Melasse zurück. Neben der unterschiedlichen Gärführung bilden auch Destillation und Reifung, Filterung sowie der Verschnitt den Stil. Während, um bei Schottland zu bleiben, für Whisky doch recht einheitliche Brennverfahren mit ähnlich geformten Schwanenhälsen eingesetzt werden, gibt es in Sachen Rum eine Vielzahl unterschiedlicher Brennanlagen. Auf einfachen Pot Stills gebrannt, entstehen gehaltvollere, vielschichtigere Rums. Auf Kolonnen hingegen ergeben sich leichtere, blumigere, aber auch weniger druckvolle Des­tillate. Vielfach sind sogenannte Coffey Stills im Einsatz, Kolonnen, auf denen kontinuierlich destilliert werden kann, weil fortlaufend frische Maische in den Kessel eingebracht wird. Dies ist die effizienteste Art zu brennen.

(c) beigestelltRum erobert die ganze Welt
Überraschenderweise wird auf den Philippinen und in Indien mehr Rum gebrannt als in der Karibik. Würde man den südamerikanischen Cachaça noch dazuzählen, käme noch einmal ein beachtliches Volumen dazu. Dieser ist zwar aus Zuckerrohrsaft gebrannt, es ist aber genau genommen kein Rum, weil er anders fermentiert wird.

Die älteste noch arbeitende Rum-Destillerie der Karibik wird auf das Jahr 1703 datiert, es ist die Mount Gay Distillery auf Barbados. Das Produzieren einer Spirituose stand zu Beginn aber nicht im Vordergrund, eher schon wirtschaftliche Überlegungen. Man wollte die Melasse verwerten, die bei der Zuckerherstellung anfiel. Damit war man so erfolgreich, dass man den Grundstoff dazu bisweilen aus Brasilien importieren musste. Das ging bis Mitte des 19. Jahrhunderts gut – bis die Gewinnung von Zucker aus Runkelrüben industriell wurde. Damit begann die Epoche des »Rhum agricole« auf den französischen Inseln Martinique, Guadeloupe, Marie-Galante und La Réunion. Weil man einem Überschuss an Zuckerrohr gegenüberstand, begann man, Rum aus Zuckerrohrsirup herzustellen. Dieser Rum ist vielschichtiger, grasiger und vegetabiler.

(c) beigestelltDie Auswirkung der Lagerung
Abgesehen von dieser Differenzierung machen vor allem die Fassreifung und die dabei verwendeten Hölzer den Unterschied im Stil der Rumsorten. Vorwiegend wird in Bourbonfässern gereift – bekanntlich dürfen diese nur einmal für Bourbon verwendet werden. Spielarten des Fasseinsatzes gibt es jedoch viele, von alten Sherry- bis hin zu Cognac­fässern. Heikel bei der Fasslagerung ist jedoch das Klima: Bei den karibischen Temperaturen wird das Holz sehr rasch ausgelaugt – der sogenannte »Angel’s share«, der Verlust durch Verdunstung, liegt hier bei sechs bis acht Prozent jährlich. Bacardi verwendet darüber hinaus Kohle zur Filterung und lässt selbst die weißen Rums in Fässern reifen, entfernt die Farbstoffe anschließend aber mittels Filtration. Überhaupt hat das starke Toasting (Anbrennen der Fassinnenseiten) nicht nur geschmacklichen Einfluss, es bindet auch ungewünschte Stoffe des Destillats. ­Havana Club verwendet ausschließlich Bourbonfässer, in denen zuvor schottische oder irische Whiskys gelagert wurden. Bourbonfässer scheinen auch im Allgemeinen dem Geschmack der Zeit zu entsprechen, denn sie bedienen einen weltweiten Trend zu vanillelastigen Spirituosen.

Renaissance der Tiki-Drinks
Die Tiki-Drinks, deren berühmtester wohl der Mai Tai ist oder war, erleben übrigens gerade eine kleine Renaissance. Der Tiki-Lifestyle machte den Rum als Basis für Cocktails in den 50er- und 60er-Jahren äußerst populär. Die Mode war pazifisch und insbesondere hawaiianisch beeinflusst, zum Südsee­feeling gehörten daher spezielle Trinkbecher. Diese und die dazugehörigen Drinks findet man nun in vielen Bars wieder.

93
Plantation 20
40 %, 0,7 l, € 57,–
In der Nase helle Zimtnoten, Kokos, würzig, ­röstig-nussig, Dörrfrüchte. Konsequent am Gaumen, Dörrmarillen, Schokolade, wieder Kokos, füllig im Abgang.

93
Ron Zacapa XO
40 %, 0,75 l, € 110,–
Reife Aromatik, süßlich-karamellig, Kakao und Schokolade, frischer Apfel sowie Dörrfrüchte, Frische angedeutet. Im Mund gewürzig, viel Süße, gute schmeichelnde Struktur.

(c) beigestellt91
Angostura 1824
40 %, 0,7 l, € 72,–
Äpfel im Duft, Dörrpflaumen, florale Noten. Anklänge von Rauch im Mund, wieder Apfel, die Holznoten sind auf feine Weise integriert, ­angenehme Süße.

91
Appleton Estate 12
43 %, 0,7 l, € 32,–
Zedernholz, dunkler Karamell, Bratapfel, warm, Vanille, würzig. Präsent und ölig am Gaumen, das Holz ist gut integriert, Kakao, ­Bitterschokolade, anhaltend.

91
Bacardi black
37,5 %, 0,7 l, € 16,–
In der Nase Karamell, Crème brulée, Bourbon-Vanille, geräuchert, floral. Ähnlich am Gaumen, mit viel Süße, Schokolade und Kakao, reife Holznoten im Abgang.

90
Havana Club 7
45 %, 0,7 l, € 26,–
Im Duft dunkle Schokolade, Karamell, Dörrpflaumen, Lavendel. Am Gaumen auf der gewürzigen Seite, die Tannine schön verwoben, angenehmes, trockenes Finish.

Text von Peter Hämmerle

Aus Falstaff 07/13 bzw. Falstaff Deutschland 06/13

Peter Hämmerle
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