Rudi Pichler ist Winzer des Jahres

Seine Weine aus Wachauer Spitzenrieden haben längst die besten Weinkarten in aller Welt erobert.

»Dass ich einmal als Winzer hier oben am Kollmütz mitten in meinen Weingärten stehen würde, das war keineswegs eine ausgemachte Sache«, ­erzählt Rudi Pichler. Nach der Mittelschule in Krems zog es den jungen Mann aus der Wachau an die Wirtschaftsuniversität nach Wien. Auch seine kreativen Fähigkeiten, die er mit Fotografieren, Filmedrehen oder als Kupferstecher auslebte, hätten ihn beruflich in ein gänzlich anderes Fahrwasser geraten lassen können. Das elterliche Weingut in Wösendorf, klein, aber fein, war eine natürliche Option, aber seine Eltern übten diesbezüglich niemals Druck auf ihn aus. Der Heurige, der mehrmals im Jahr mit Garten und der viele Hundert Jahre alten Koststube geöffnet hatte, war Magnet für weinaffine Junge wie Alte von nah und fern und trug zur Verbreitung des guten ­Namens bei, den die Weine aus dem Hause ­Pichler schon vor Jahrzehnten genossen. Mit fünfzehn verdiente sich der junge Herr Pichler in den Ferien sein erstes Geld beim Doyen der Wachauer Weinhauer, bei Josef Jamek in Joching. Hier lernte der angehende Winzer die schwere Arbeit im Weingarten kennen.

Im Jahr 1989 unternahm Rudi Pichler mit seinem Freund und heutigen Winzerkollegen Karl Holzapfel eine Reise nach Kalifornien. Unversehens fanden sich die Herren auf dem Weingut Schug Cellars, damals noch in Yountville, zu einem dreiwöchigen Praxiseinsatz verpflichtet. »Dort ist mir klar geworden, dass man in der gro­ßen Weinwelt auch mit wenigen Hektar durch­aus nicht nur überleben kann – ­vorausgesetzt, die Qualität stimmt. Auch Walter Schug, der deutschstämmige Kellermeister des berühmten Weingutes Joseph Phelps, hatte sich erst 1983 mit wenigen Hektar selbstständig gemacht. Das hat meine Entscheidung für den eigenen Weinbau beflügelt.« Also machte sich der önologische Autodidakt an der Seite seines Vaters an die Arbeit, das Weinfieber hatte ihn gepackt – und damit auch der Ehrgeiz, so gute Weine zu keltern wie seine Vorbilder, z. B. sein Mentor Franz Hirtzberger aus Spitz, der dem jungen, aufstrebenden Winzer stets mit Rat und Tat zur Seite stand.

Erste Erfolge als Motivation
Rudi Pichler BouteillenBald stellten sich erste Erfolge ein. »Als ich mit meinem Veltliner 1993 hinter Größen wie Hirtzberger bei der Falstaff-Verkostung auf dem dritten Platz gelandet bin, war das eine echte Motivation. Ich war offensichtlich auf dem richtigen Weg.« 1997 hat er das Weingut dann hochoffiziell von seinem Vater, der ebenso Rudi Pichler heißt wie der Großvater, übernommen. 4,5 Hektar Rebfläche nannte er damit sein Eigen. Seither hat er den Betrieb Schritt für Schritt erweitert, was sich in der beengten Wachau um einiges schwieriger gestaltet als in anderen Weinbauregionen. Einen wesentli­chen Unterschied macht auch der zu betrei­bende Aufwand, um den steilen Terrassenlagen ihre ­besten Früchte zu entlocken. »Unter diesen schwierigen Bedingungen muss ein Hauer durchschnittlich mit 2500 Arbeitsstunden im Jahr rechnen – pro einzelnem Hektar, wohlgemerkt. Dazu kommen witterungsbedingte Probleme mit den his­torischen Steinmauern, die in arbeitsintensiver Trockenbauweise angelegt sind. Es kann einen sechsstelligen Betrag pro Jahr ausmachen, die Mauern instand zu halten.«

65 Prozent Grüner Veltliner
Heute besitzt Rudi ­Pichler bereits 12,5 Hektar, durchwegs in Spitzenlagen, dazu kommen noch etwa drei Hektar in Pacht. 65 Prozent der Weingärten sind mit Grünem Veltliner bestockt, ein gutes Drittel mit Riesling, die restlichen fünf Prozent teilen sich Raritäten wie Weißburgunder und Roter Veltliner.

Wachauer Weingärten

Maischekontakt für mehr Terroirbezug
Was die Vinifikation seiner Weißweine betrifft, unterscheidet sich Rudi Pichler deutlich von seinen Wachauer Kollegen, weil er durchaus Maischestandzeiten zulässt. Kontakt mit den Beerenhäuten ist auch nach dem eigentlichen Pressen absolut erwünscht, denn für Pichler vermitteln diese ungemein viel Aromatik vom jeweiligen Terroir über die Reben in den Wein. Und genau diesen sehr speziellen Ausdruck einer Einzellage auf den jeweiligen Wein zu übertragen sieht der Winzer als seine eigentliche Aufgabe. Zusätzlich wird durch diese Art der langsame­­­ren Weinwerdung auch die Stabilisierung der Wei­ne weiter vorangetrieben. Rudi Pichler ist kein Freund von hohen Werten an Schwefel im Wein, da durch ­diese die Feinheit der Aromen erheblich beeinträchtigt wird. »In der Wachau ist entscheidend, dass man den richtigen Erntezeitpunkt erwischt. Da gibt es keine festen Regeln, ich verlasse mich eher auf mein Bauchgefühl und den Geschmack der Trauben. Denn oft ist der technische Zuckerwert schon erreicht, und doch schmecken die Trauben nicht reif. Ich beginne erst dann mit der Lese, wenn mir die Weintrauben schmecken.«

Weingut puristisch wie die Weine
Rudi Pichlers WeingutDas neue Weingut wurde 2004 eingeweiht und war zu diesem Zeitpunkt ziemlich revolutionär. »Es ist ein architektonischer Brückenschlag von ­alter Baukultur zu funktionaler Wirtschaftsar­chitektur. Ich wollte die Ästhetik durch Schlichtheit hervorbringen, alles auf das Notwendigste reduziert – ebenso puristisch wie meine Weine«, so ­beschreibt der Erfolgswinzer seinen persönlichen Zugang zum Objekt. Ein modernes Stück Zweckarchitektur, einfühlsam geplant von Ar­chitekt Thomas Tauber, großzügig und doch sehr klar in den Linien, aber in jedem Punkt der Arbeit un­tergeordnet, die hier verrichtet werden soll. »Dieses Gebäude ist so geradlinig und klar wie die Weine, die hier entstehen. Hier gibt es nichts Modisches, an dem man sich nach einigen Jahren schon satt gesehen hat, so wie die stilis­tische ­Linie der Weine eine lineare, nachvollziehbare Entwicklung durchläuft. Die Unterschiede werden ausschließlich durch die Natur und die Bedingungen des Jahrgangs bestimmt, nicht durch den Kellermeister«, bestätigt Rudi Pichler, der für klare Worte bekannt ist. Tauber und sein Team haben in den vergangenen Jah­ren weitere Projekte für Winzer umgesetzt, darunter die Domäne Wachau, die Weingüter Holzapfel, Stadt Krems, Salomon (Brot & Wein) in Wösendorf sowie Figl in Wagram und schließlich die unlängst eingeweihte neue Kellerei von Starwinzer F. X. Pichler in Oberloiben.

Wösendorfer Kollmütz
Im Keller von Rudi Pichler entstehen charaktervolle Weine, die stark von der jeweiligen Bodenbeschaffenheit und dem Kleinklima geprägt sind. Gleich hinter dem Weingut erhebt sich der Wösendorfer Kollmütz, sozusagen Rudi ­Pichlers Hausberg, auf dessen Terrassen sowohl Grüner Veltliner als auch Weißburgunder wachsen. ­Uralte Rebstöcke stehen hier auf einer Mischung aus Urgestein, Gföhler Gneis, aber auch Lössanteilen. Speziell der Weißburgunder, der seit 2001 riedenrein ausgebaut wird, profitiert von dieser ausgezeichneten Exposition und besticht durch Eleganz und feines Säurespiel. Der Wösendorfer Hochrain, ebenfalls ein Verwitterungsboden von Urgestein, teilweise mit Lössauflage, ist Standort eines Veltliners, dessen Stöcke bis zu 50 Jahre alt sind; der Wein ist entsprechend extrakt­reich und voll Würze. Am Fuße des Kollmütz liegt die Lage Kirchweg, die bereits 1050 urkundlich erwähnt wurde. Der Boden setzt sich aus Sedimentablagerungen und Gesteinsanspülungen von den höher gelegenen Weingärten zusammen; im Riesling, der hier wächst, drückt sich das durch eine dichte mineralische Textur und feine Fruchtaromen aus.

Steinriegl und Achleiten
Auch in der Gemeinde Weißenkirchen besitzt Rudi Pichler wertvolle Lagen. Riesling wächst in der Ried Steinriegl, deren ganz besonderer, kalksilikathältiger Boden für duftige und lagerfähige Weine sorgt. Karge Urgesteinsböden und extreme Steilterrassenlagen kennzeichnen den Riesling aus der Weißenkirchner Paradelage Achleithen. Das jüngste ­Exemplar, der Smaragd aus 2009, den Rudi Pichler einer Eingebung folgend diesmal fast einen Monat früher als üblich geerntet hat, nämlich Ende Oktober, ist eines der besten Beispiele, wenn man alle Vorzüge dieser Spitzenlage kennenlernen möchte. Spätestens mit diesem Wein hat Rudi sein Meisterstück abgeliefert, das man neben den herrlichen 1979er stellen kann, mit dem sich Rudi Pichler sen. ein önologisches Denkmal gesetzt hat. Vor kurzer Zeit konnte Pichler wieder ein kleines, ganz besonders attraktives Fleckchen in der Achleithen erwerben, wo neben mächtigen Urgesteinsfelsen auch uralte Veltlinerstöcke stehen. Auf den Wein, der dort entstehen soll, darf man gespannt sein.

Rudi Pichler

Roter Veltliner aus Mautern
Abgerundet wird das Sortiment durch den raren Roten Veltliner, der aus Trauben aus Mautern an der rechten Donauseite stammt. Jahr für Jahr zählt dieser Wein zum fraglos Besten, was diese Sorte zu bieten hat. In einer der letzten Ausgaben des amerikanischen Weinmagazins »The Wine Spectator« wurde der amerikanische Starkoch Thomas Keller gebeten, den idealen Wein zu einigen seiner Referenzgerichte auszuwählen. Gleich für das erste Rezept entschied sich Keller für den Weißburgunder Smaragd Kollmütz 2004 vom Weingut Rudi Pichler als besten Begleiter. Kellers legendäres Restaurant »The French Laundry« befindet sich übrigens in Yountville, jenem Ort, an dem sich Rudi Pichler vor zwanzig Jahren für den Winzerberuf entschied. Dass der angesprochene Weiß­burgunder dort heute um 115 Dollar auf der Weinkarte angeboten wird, muss man durchaus als Erfolg werten.

von Peter Moser

Fotos: Ingo Pertramer

aus Falstaff 04/10

>> Zu den Verkostungsnotizen des aktuellen Jahrgangs (98 Punkte für den Smaragd Achleithen)

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