Ross läuft gut

Das ist die andere Seite des Skandals: Die ­Medienhysterie bewirkt eine rasant steigende Nachfrage nach Pferdefleisch.

Die Pferdeleberkässemmel gehört zur österreichischen Kultur wie die Sachertorte«, davon ist Margarete Gumprecht überzeugt. Für die Marktführerin im Handel mit Pferdefleisch ist die Materie nicht nur Kulturgut, sondern auch Lebensinhalt. Ihr Familienbetrieb mit 86-jähriger Geschichte ist der einzige Pferdefleischhauer, der auch noch selbst schlachtet. Neben der Zentrale in Enns und dem Logistikzentrum in Zwölfaxing betreibt die Familie Gumprecht neun Filialen.

Neugierde und Neuentdeckung
Aber nicht nur Frau Gumprecht weiß die Qualität zu schätzen – seit dem »Pferdefleischskandal« entdecken immer mehr Österreicher ihre Liebe zu Rossfleisch. Alle Anbieter berichten über eine signifikant gestiegene Nachfrage. Hartl Rettenbacher, Wirt und Hotelier aus dem Salzburger Lammertal (Hotel Gasthof »Zum Hias«), hat schon seit über 20 Jahren Pferdefleisch auf der Speisekarte. Er berichtet über »wesentlich mehr Nachfrage«: Einstige Stammgäste kommen wieder, und durch den Skandal neugierig gewordene Gäste wollen Pferdefleisch ausprobieren. Auch die Wiener »Burgermacher« erzählen, dass sie noch mehr von ihrem Pferdefleisch-Burger »ZwiebelrosSbraten« verkauft haben.
Auslöser für den EU-weiten Skandal war nicht deklariertes Pferdefleisch in Conve­nience-Produkten in der Reitsportnation England. Bei Redaktionsschluss waren bereits in zwei Drittel aller EU-Länder Proben mit nicht deklariertem Pferdefleisch entdeckt worden: in Tiefkühllasagnen von Billigdiskontern genauso wie in Kärntner Hauswürs­teln vom Fleischhauer. Die Aktualität der Thematik wurde auch beim Falstaff-Produkttest in dieser Ausgabe offenbar (S. 118), denn der vermeintliche Sieger der Salamiverkostung musste wegen nicht deklarierten Pferdefleischs disqualifiziert werden. Pferde werden grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilt – zum einen in den Menschen nahestehende Reittiere zum anderen in Nutztiere. Die erste Gruppe wird mit Medikamenten behandelt, die das Fleisch für den Verzehr ungeeignet machen. Laut EU-Verordnung dürfen Tiere, die mit bestimmten Medikamenten (Stichwort Phenylbutazon) behandelt wurden, nicht mehr in den Nahrungskreislauf gelangen. Das gilt aber nicht nur für Pferde, sondern auch für Schweine, Rinder und andere Tiere. Bekanntlich handelt sich ja um keinen Pferdefleisch-, sondern um einen Deklarationsskandal. Aber auch dieser Skandal hat sein Gutes, denn es wird wieder mehr über Inhaltsstoffe in Lebensmitteln nachgedacht. Kritiker haben nicht ganz unrecht mit der Aussage, dass das Pferdefleisch in der inkriminierten Lasagne noch am wenigsten bedenklich war – es wurden keine gesundheitsschädigenden Substanzen gemeldet.

Pferdefleisch hat viel weniger Fett als Rindfleisch / Foto: Andreas JakwerthPferdefleisch hat viel weniger Fett als Rindfleisch / Foto: Andreas Jakwerth

Gesundheitlicher Vorteil
Die mediale Hysterie hat zur Folge, dass man sich intensiver mit Pferdefleisch auseinandersetzt. Alte Qualitäten neu entdeckt: Es schmeckt gut, ist zart, außerdem auch noch gesund. Pferdefleisch hat einen geringen Fettanteil von nur 2,7 Prozent, während Rinder auf 8,5 Prozent kommen. Außerdem: Selbst wenn Züchter es wollten – Pferde können nicht gemästet werden, denn sie haben keine Galle. Rösser sind dadurch naturbedingt heikle Fresser und verweigern ungesunde Nahrung. Das langsamere Wachstum wirkt sich wiederum sehr positiv auf die Fleischqualität aus. Pferdefleisch ist hierzulande vor allem durch die Verwertung in Gebindeprodukten wie Leberkäse oder Gulasch bekannt. Edelteile wie Lungenbraten finden nur selten Eingang in die heimischen Küchen. Dabei wäre die Zubereitung denkbar einfach, denn grundsätzlich kann man Pferdefleisch wie Rindfleisch behandeln und Fohlenfleisch wie Kalbfleisch.

Margarete Gumprecht präsentiert feinstes Pferdefleisch / Foto: Andreas JakwethSchwarze Schafe
In Regionen, wo noch viel Pferdezucht betrieben wird, arbeiten Wirte direkt mit Bauern aus der Umgebung zusammen. Mathias Wieser etwa gehört das Hotel Berghof in der Ramsau, er hat seit sieben Jahren Pferdespezialitäten im Programm. Besonders das Fohlenfleisch war von Beginn an ein Renner. »Ich hab immer schon gesagt, dass Ross-  und Gamsfleisch am gesündesten ist. Mit an Rossfleisch kannst alt werden.« Doch Wieser berichtet auch von schwarzen Schafen, die nicht an die Gesellschaftsfähigkeit von Pferdefleisch glauben. Er erzählt, dass es leider auch »bei uns passiert, dass Wirte der Verlockung erliegen, billigeres Pferdefleisch zu verarbeiten und nicht zu deklarieren. Wenn man nachfragt, ist es angeblich ein ›Jungrind‹.«

Populär
Margarete Gumprecht freut sich über die neue Popularität ihrer Branche und gibt so gut wie täglich zahlreiche Interviews; auch im ORF-Talk »Im Zentrum« hielt sie souverän die Flagge für Pferdefleisch hoch. Ihr persönliches Lieblingsrezept ist Pferderoulade, zubereitet wie eine Rindsroulade.

Trotz der erhöhten Nachfrage ist der Pferdefleischkonsum mit 43 Gramm pro Kopf und Jahr noch verschwindend gering. Doch je länger das Thema in den Medien bleibt, desto stärker entwickelt sich die Nachfrage. Wer dieser Tage nach Edelteilen Ausschau hält, der muss unbedingt vorreservieren.

FAKTEN ZUM PFERDEFLEISCH

  • Geringer Fettanteil von 2,7 Prozent (Rinder 8,5 Prozent)
  • Weniger Kalorien, Cholesterin und ­Purinstoffe
  • Mehr ungesättigte Fettsäuren
  • Höherer Eisenanteil: pro 100 g 3,5 mg ­Eisen (Rinder 1,9 mg)

In Österreich hat jedes Pferd einen Pferdepass, die Tiere werden zudem vor und nach der Schlachtung auf Medikamentenrück­stände ­untersucht.


INFO

Fleischerei Gumprecht
www.gumprecht.at

Hotel Gasthof »Zum Hias«
www.zumhias.at

Hotel Berghof
www.hotel-berghof.at

Text von Bernhard Degen
Aus Falstaff Nr. 02/2013

Bernhard Degen
Autor