Verspielte Ideen zur Automatisierung in der Gastronomie.

Verspielte Ideen zur Automatisierung in der Gastronomie.
© Rollercoasterrestaurant Vienna

Revolution Roboter

Hin und wieder tauchen sie in den Medien auf. Als Front-Office-Mitarbeiter im japanischen Hotel oder lustige Spielerei im Hipster-Restaurant.

Die Jalousien fahren langsam nach unten, die Lichtshow kann gleich beginnen. Die Gäste im »Rollercoasterrestaurant« im Wiener Prater zücken ihre Smartphones, die Fotos und Videos werden sich kurz danach auf Facebook und Instagram finden. Michael Mack hat nichts dagegen. Er ist der Mann, dem das eingefallen ist, der auf die meisten Fragen nach dem »Wer?« mit »Wir« oder »Ich« antwortet. Kurz erklärt: In den derzeit acht Restaurants fahren Essen und Getränke Achterbahn und kommen via Schienensystem in 5 bis 10 Sekunden direkt zu den Gästen an den Tisch. Nur in Wien werden die Speisen von zwei Industrierobotern versendet, die in neun Geschwindigkeitsstufen arbeiten. Man darf sich das so vorstellen: geordert wird mittels Tablet, die Küche stellt alles zusammen, schickt die Bestellungen zu Roboter 1 und 2, die das Ganze dann dank eines Codes richtig zuordnen und auf die Achterbahn-Reise schicken. 

Spielerisch innovativ zeigt sich das Rollercoaster System im Wiener Prater.
© Rollercoasterrestaurant
Spielerisch innovativ zeigt sich das Rollercoaster System im Wiener Prater.

Roboter 2 mixt außerdem Cocktails. Inklusive Shaken und einem dezenten Schubs in die richtige Richtung. Nur die Eiswürfel werden schon in der Küche ins Glas gefüllt. »Uns war klar, dass das funktioniert, aber nicht, ob es Sinn macht«, lacht Mack. Und er meint damit nicht mal die 5 bis 6 Jahre, die es braucht, bis sich die Kosten amortisiert haben, sondern eher die bürokratischen Hürden, die es in Wien zu meistern gab. Von Arbeitshöhen über Gutachten für Nebel und die Helligkeit von LED-Tafeln. Alles da gewesen. Heute kann der Deutsche, der mit Boccia im Dunkeln seinen ersten Preis gewann und über 30 Patente inne hat, darüber lachen. Das Restaurant funktioniert, wenn auch nicht im Ausmaß anderer Standorte, wie dem Europark Rust (Deutschland). »Dort vergeben wir die Plätze von 10.30 bis 18 Uhr sechs Mal.« Restaurants in Nord- und Süd-China und Sydney folgen, mit potenziellen Betreibern in den USA gibt es Gespräche. Die Roboter wird es nur in China, nicht aber in Australien geben. Es gehe, so Mack, nicht darum, Personal einzusparen. 24 Mitarbeiter sind in Wien zugange, das ist beileibe nicht wenig. Um die 200 Plätze gibt es auf zwei Ebenen, die Servicekräfte führen die Gäste an ihre Tische und servieren zum Beispiel die Heißgetränke. Warum es keine humanoiden Roboter sind, ist schnell erklärt: »Ihre Bewegungsabläufe sind langsamer, weniger effizient.« Der Mann ist eben Deutscher.

Burger, Bowls & Bloody Marys

Beim Wort »Roboter« denken wir in Wahrheit natürlich alle an C-3PO. Sprich: einen humanoiden Roboter. Es gibt sie, aber nicht in dem Ausmaß, wie man vielleicht denken würde. Japan ist das Epizentrum. Hier bestreiten die blechernen Mitarbeiter Licht-, Laser- und Tanzshows in den Restaurants. Neon lässt grüßen. In Europa macht immer wieder der Roboter »Pepper« von sich reden, der die Mimik seines Gegenübers erkennen kann und sich im Service gut machen könnte. Etwa im Hotel – aber dazu später. Die meisten im Restaurant eingesetzten Roboter sind Industrieroboter – oder es handelt sich schlichtweg um Automatisierungen, die – und da ist man sich heute einig – ein Must-Hospitality-Thema sind. In Las Vegas mixt »Tipsy« Cocktails für die Gäste, in Boston rühmt sich »Spyce« als erstes Restaurant mit einer Roboter-Küche, in der komplexe Gerichte hergestellt werden. In San Francisco setzt man im »Creator« auf Burger und kocht in den »Cafe X«-Filialen Kaffee. Das war’s noch länger nicht – manche Konzepte expandieren (»Spyce«), andere mussten Lehrgeld zahlen und umdenken (»Eatsa« – hier hatte man übrigens auch mit der Klage einer Interessensvertretung blinder Menschen zu kämpfen). Eines haben sie jedoch gemeinsam: es geht so gut wie immer um Fast Food bzw. leicht zusammen zu stellende Speisen. 

Auch im »Spyce«. Die Gründer, Absolventen des MIT (Massachusetts Institute of Technology), setzen auf »Bowls«, gesundes Essen, schnell gemacht, zu günstigen Preisen. Das Reiskochen oder Schneiden des Gemüses machen nach wie vor Menschen. Der Roboter setzt die Zutaten zusammen – bzw. der Automat. Obwohl die Entwickler auf den Faktor Show setzen und die Gäste sehen, wie ihre Bowls entstehen, haben die Techniker z.B. auf die Roboterarme verzichtet. Der Grund: Fehleranfälligkeit. Den Kulinarik-Aspekt brachte übrigens der mit Michelin-Sternen ausgezeichnete Koch Daniel Boulud ein. 

Alexa, das Hausmädchen

Ab ins Hotel. »In einigen Bereichen können wir uns in der Tat den Einsatz von Robotern vorstellen«, sagt Stefanie Heckel, Presse-sprecherin DEHOGA. »Denken wir an das Housekeeping oder standardisierte Rezeptionsdienstleistungen.« Self-Check-in ist ja nichts Neues, weder am Flughafen noch im Hotel. Dass uns irgendwann hier Roboter begrüßen – warum nicht? Oder denken wir an den Roomservice! In München ist bereits ein Roboter auf den Fluren des »Rilano Hotel« unterwegs. Sieht ein bisschen aus wie ein großer Kühlschrank oder ein mobiles Klimagerät, ist also nicht unbedingt etwas fürs Auge. Darum sollte es aber ja auch nicht gehen, wenn man als Hotelgast Klopapier braucht oder gerne ein Sandwich essen würde. »Alexa wird in meinen Augen die Hotelzimmer und den -Empfang revolutionieren«, setzt Jean-Georges Ploner, Gründer des Global F&B Heroes Netzwerks, noch mal einen drauf. Servicemanagement und strategische Ablaufoptimierung sind Ploners Schwerpunkte. »Deutschland ist sehr tradiert und nur in wenigen Städten offen für Neues. Interessanterweise kommen aber viele Innovationen – wie ›Vapiano‹ oder die ›Rollercoasterrestaurants‹ – von hier. Leider nie spielerisch genug.« Könnte Alexa (»Amazon Echo«) das spielerische Element einbringen? Im »Aviva«-Hotel (Oberösterreich) spielt Alexa bereits auf Zuruf Musik ein, man muss nur an der Rezeption nach einem Leihgerät fragen.

»Eatsa« ist ein vollautomatisiertes Restaurantkonzept.
© Eatsa
»Eatsa« ist ein vollautomatisiertes Restaurantkonzept.

Man muss nicht allzu visionär sein, um hier noch Luft nach oben zu vermuten. Wird die Automatisierung denn einen ähnlichen Stellenwert erreichen wie einst das Internet? Ja, sagt Ploner. »So wie Autos statt Pferde, Telegramm statt Boten, E-Mails statt Briefe, Whatsapp statt Postenkarten – und so weiter. Für meinen 16-jährigen Sohn sind Siri und Alexa schon Dienstboten. Er hat mit einem Roboter am Empfang sicher kein Problem.« Der Fachkräftemangel über den allerorts geklagt wird, wird sein übriges dazu tun. Trotzdem wird es weiterhin menscheln, da sind sich alle Branchenkenner einig. Zum Beispiel wenn es um Fehlerbehebung geht. Oder schlichtweg um Gastfreundschaft, wie Heckel betont. »Herzlichkeit und aufmerksamer, persönlicher Service sind durch nichts zu ersetzen.« Auch im »Rollercoasterrestaurant« in Wien weiß man das. Fraglich, ob ein Roboter so manch einer Beschwerde gezielt kontern könnte. Zum Beispiel die eines Gastes, dass es einfach zu viel Edelstahl im Restaurant gäbe. Durchaus originell, wenn man bedenkt, dass das Achterbahn-Schienensystem der USP ist. Ein Mitarbeiter aber, der kann mit dem berühmt-berüchtigen Wiener Schmäh so einiges wieder gut machen.

Artikel aus Falstaff Karriere 05/2018.

Nicola Afchar-Negad
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