Die Bedingungen der höchsten Lagen am Wagram sind für den Roten Veltliner wie gemacht.

Die Bedingungen der höchsten Lagen am Wagram sind für den Roten Veltliner wie gemacht.
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Renaissance für den Roten Veltliner

Der Rote Veltliner ist eine der traditions­reichsten Weißweinsorten Niederösterreichs, um die es jedoch still geworden war. Dank seiner Vorzüge erlebt er nun ein Comeback.

Sollte Ihnen der Ort Zaußenberg nicht geläufig sein, ist das an sich keine Schande. Das beschauliche Dorf mit rund 60 Einwohnern liegt in der Gemeinde Königsbrunn am Wagram, etwas abseits der üblichen Routen der Weinfreunde. Und doch hat ein Besuch hier viel zu bieten. In besagtem Zaußenberg ist nämlich das Weingut von Josef Fritz beheimatet, und der Winzer hat als wohl einziger in Österreich den Roten Veltliner konsequent zur Leitsorte seines Sortiments aufgebaut. Fünf unterschiedliche Varianten werden hier regelmäßig in die Flasche gebracht, und der Rote Veltliner aus der Ried Steinberg zählt längst zu den gesuchten Top-Weißweinen – nicht nur der Region, sondern im ganzen Land.
»Ich habe den Roten Veltliner schon vor dreißig Jahren lieben und schätzen gelernt, da man aus ihm sehr vielschichtige und lagerfähige Weine machen kann, und entschieden, auf diese Rarität konsequent zu setzen. Heute wird immer klarer, dass diese Rebsorte ideal zu manchen Terroirs am Wagram passt«, sagt Josef Fritz mit nachvollziehbarem Stolz und setzt fort: »Vielleicht haben wir ja einen ähnlichen Charakter.«
Bei einer Verkostung seines Sortiments wird schnell klar, warum dieser Sorte in der Tat eine Renaissance bevorstehen wird, ja muss: Sie verbindet eine komplexe Aromenwelt mit einer animierenden Frische und Würze mit mineralischem Faktor. Dazu kommt ein offensichtlich überragendes Reifepotenzial, wie sich anhand gereifter Weine mit Genuss nachvollziehen lässt.

Josef Fritz: Der Winzer aus Zaußenberg in der Gemeinde Königsbrunn am Wagram.
© Andreas Jakwerth
Josef Fritz: Der Winzer aus Zaußenberg in der Gemeinde Königsbrunn am Wagram.

Das Weinbaugebiet Wagram verfügt heute wieder über eine wachsende Zahl von Winzern, die das Potenzial der Sorte erkennen und ausschöpfen wollen. So entstehen immer öfter Weine, die Josef Fritz als Weiße von fast burgundischer Stoffigkeit mit klarer österreichischer und regionaler Handschrift beschreibt. Warum gerade der Wagram mit dem Roten Veltliner so erfolgreich ist, wollen wir wissen. Josef Fritz: »Der Wagram hat heiße, sehr trockene Lagen, wo es keine Möglichkeiten zur Bewässerung gibt. Auf diesen Lagen fühlt sich der Rote Veltliner besonders wohl, zumal es ihm nicht leicht zu heiß werden darf.« Sowohl der pannonische Einfluss, der vom Burgenland über das Wiener und Tullner Becken kommt, als auch der Tertiärschotter, der die höchstgelegenen Lagen der Region Wagram prägt, ist für viele weiße Rebsorten bereits an der Grenze der optimalen Vegetationsbedingung, dem Roten Veltliner hingegen »taugt« dieses spezielle Kleinklima, wie Josef Fritz betont.
Der Rote Veltliner ist eine autochthone österreichische Weißweinsorte, deren Ursprung im nördlichen Niederösterreich vermutet wird. Die Sorte wurde aus der Familie der Veltliner-Rebsorten selektioniert, von der es zahlreiche Spielarten gab, von denen die meisten im vergangenen Jahrhundert jedoch jede wirtschaftliche Bedeutung verloren haben. Sie tragen Namen wie Brauner, Weißroter oder Silberweißer Veltliner und haben nur in manchen Spezialweingärten und Rebschulen überlebt.

Rudi Pichler: Der Wachauer Paradewinzer schätzt den Roten Veltliner, zumal die autochthone Sorte selbst in heißen Jahren keinen Sonnenbrand bekommt und zudem mehr Säure als der Grüne Veltliner aufweist.
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Rudi Pichler: Der Wachauer Paradewinzer schätzt den Roten Veltliner, zumal die autochthone Sorte selbst in heißen Jahren keinen Sonnenbrand bekommt und zudem mehr Säure als der Grüne Veltliner aufweist.

Mit dem Grünen Veltliner, der genau genommen nicht einmal zur Veltliner-Familie gehört, ist keine dieser Rebsorten verwandt. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war der Rote Veltliner die wichtigste Sorte am Wagram und im westlichen Weinviertel, auch im Gebiet um Langenlois stellte sie den Hauptsatz dar. Und doch ist es dem Grünen Veltliner in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dank seiner besonderen Eignung für die Lenz-Moser-Hochkultur gelungen, die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen.
Der später reifende Rote Veltliner ist hingegen weit anfälliger für diverse Krankheiten und seine auf den ersten Blick ungünstigen Sorteneigenschaften verleiteten die wirtschaftlich denkenden Winzer, auf den ertragssichereren Grünen Veltliner umzuschwenken. So ist in den vergangenen fünfzig Jahren die Rebfläche des Roten Veltliner kontinuierlich auf rund 200 Hektar geschrumpft, erst seit 2015 beginnt sich eine Trendumkehr abzuzeichnen.

Hans Setzer: Für die Winzer Uli und Hans Setzer aus Hohenwarth im westlichen Weinviertel ist der Rote Veltliner bereits die zweitwichtigste Sorte.
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Hans Setzer: Für die Winzer Uli und Hans Setzer aus Hohenwarth im westlichen Weinviertel ist der Rote Veltliner bereits die zweitwichtigste Sorte.

Gepflegte Weinrarität

Eine Weinbaugemeinde, in der der Rote Veltliner überlebt hat, ist Hohenwarth im westlichen Weinviertel. Hier pflegen namhafte Betriebe wie Hans Setzer, Hofbauer-Schmidt oder Sutter die Weißweinrarität. Bei Hans Setzer ist der Rote Veltliner bereits die zweitwichtigste Sorte, das trockene Klima und die kargen Böden sind wie geschaffen, um hier tolle Weine zu keltern. »Ich finde das Trinkanimo des Roten Veltliners sehr spannend, egal ob im leichten Bereich oder bei den Lagenweinen. Roter Veltliner ist ein sehr guter Speisenbegleiter zu österreichischer bis hin zu asiatischer Küche.«
Dass die Sorte über die Jahrzehnte nie zur Gänze aus dem kollektiven österreichischen Weinbewusstsein verschwunden ist, gilt als Verdienst von Winzer Josef Mantler Senior (1910 - 1987) aus Brunn im Felde im Kremstal. Im Traditionsweingut Mantlerhof wird die Sorte mit Liebe und großer Aufmerksamkeit gepflegt. Sepp Mantler hat das Familienerbe stets hochgehalten, und auch in der nachfolgenden Generation wird sich das nicht ändern. Bei einem Besuch des Betriebes gleich neben Gedersdorf am Fuße des Geblings sollte man nicht verabsäumen, nach älteren Jahrgängen des Roten Veltliners zu fragen. Nirgendwo sonst kann man feinere Exemplare von gereiften Roten Veltlinern in dieser Tiefe und Vielfalt auf höchstem Qualitätsniveau erleben. Wer das Glück hatte, einige Tropfen aus den Legenden-Jahrgängen 1977, 1959 oder 1954 zu erhaschen, wird vollends vom Roten-Veltliner-Fieber gepackt werden. Der Rote Veltliner Ried Reisenthal, leider meist in Windeseile ausverkauft, ist eine Ikone der Sorte und sollte in keinem gut sortierten Weinkeller fehlen.

Sepp Mantler: Es ist vor allem dem Winzer Sepp Mantler aus Brunn im Felde zu verdanken, dass die Sorte Roter Veltliner nicht zur Gänze aus dem österreichischen Bewusstsein verschwunden ist.
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Sepp Mantler: Es ist vor allem dem Winzer Sepp Mantler aus Brunn im Felde zu verdanken, dass die Sorte Roter Veltliner nicht zur Gänze aus dem österreichischen Bewusstsein verschwunden ist.

Hochanspruchsvolle Sorte

Der Rote Veltliner stellt Ansprüche an den Standort. Diese sind im Idealfall tiefgründige Löss- und Schotterböden in früher und warmer Lage. Die Sorte ist sehr empfindlich, was das Blütewetter betrifft, Winter- und Spätfröste stellen eine große Gefahr dar, eine Anfälligkeit für Pilzbefall durch Peronospora und Botrytis ist nicht zu verleugnen. Stimmen jedoch die Bedingungen, neigt der Rote Veltliner zu großer Produktivität. Verabsäumt es der Winzer, den Ertrag entsprechend zu regulieren, dann entstehen schlichte, dünne, ja nichtssagende Weine. Hält der Winzer die Zahl der Trauben am Stock in Grenzen – es wird auch erfolgreich mit Traubenteilung gearbeitet –, dann kann aus Rotem Veltliner Großes entstehen. Nämlich eigenständige Weine, extraktreich, kraftvoll und mit individuellem Aroma sowie sicherem Reifepotenzial.
Sorten-Abkömmlinge des Roten Veltliner gibt es in Österreich recht zahlreich, aus natürlicher Kreuzung mit Silvaner entstanden der Neuburger und der Frührote Veltliner, der irreführender Weise auch als Malvasier bezeichnet wird. Aus der Verbindung des Roten Veltliners mit Traminer entstand der in der Thermenregion gepflegte Rotgipfler, aus natürlicher Kreuzung mit einer weiteren traminerartigen Rebsorte ist der Zierfandler hervorgegangen. Und selbst wenn der Rote Veltliner eine launische Diva ist, so hat er im Weingarten auch durchaus seine Vorzüge. Denn kaum eine Weißweinsorte kommt so gut mit Hitze zurecht, der Rote Veltliner übersteht auch extensives Sonnenbaden ohne Schwierigkeiten. Auch Trockenperioden meistert die Sorte deutlich besser und ohne Bewässerung zu benötigen. Das ist in Zeiten der Klimaerwärmung ein klarer Pluspunkt für den Roten Veltliner.
Auch der Wachauer Paradewinzer Rudi Pichler aus Wösendorf führt einen beachtlichen Wein aus Rotem Veltliner in seinem Sortiment. »So ist für mich allerdings nur die hohe Reife interessant, weil die leichten Roten Veltliner neutral ausfallen.« Pichler hat nach dem Tod eines Onkels im Jahr 1991 einen Teil der Wirtschaft in Mautern übernommen samt einer Parzelle Rotem Veltliner. Die Pflege sei intensiv und nur teilweise kostendeckend. 2014 gab es einen Totalausfall. Pichler: »Trotzdem muss man den Roten Veltliner bewahren, und da trage ich gerne einen Teil dazu bei.« Die Zukunft dieser facettenreichen Sorte scheint also gesichert, man darf sich darauf freuen, dass sich immer mehr Winzer dem Roten Veltliner widmen und damit künftig auch internationale Weinkarten bereichern.

Weingut Mantlerhof.
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Weingut Mantlerhof.

Roter Vetliner?

Optik: Die Trauben sind hellrötlich bis fast violett, haben eine eher dünnschalige Beerenhaut, die sie anfällig für Edelfäule machen.
Geschmacksbild: Frische Kräuter, Walnuss, gelbe Birne, Mango, Ringlotten, Quitten, Blütenhonig, Mandarinen, Orangen, Südfrüchte, Datteln, Dörrobst. Kräftiger Körperbau bei mittlerer Komplexität,
gute, harmonische Säurestruktur.
Zu finden u.a. bei: Josef Fritz, Stefan Bauer, Leth, Ecker-Eckhof, Sauerstingl, Kolkmann, Ernst, Direder; Wagram. Mantlerhof, Buchegger, Fink, Hörth; Kremstal. Rudi Pichler; Wachau. Birgit Eichinger; Kamptal. Hofbauer-Schmidt, Setzer, Suttner, Weinviertel. Schup; Thermenregion. Fuhrgassl-Huber; Wien.

Außerhalb Österreichs und der Slowakei, dem mit aktuell angeblich 350 Hektar größtem Anbaugebiet, gibt es auch noch sehr wenige Hektar Roten Veltliner in Ungarn und in Tschechien.
Zum Best of Roter Veltliner Tasting!

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2018

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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