Karl Egger erwarb das Weingut Tenuta di Carleone in Radda.

Karl Egger erwarb das Weingut Tenuta di Carleone in Radda.
© Benedetta Falugi

Quereinsteiger: Wenn Wein-Träume wahr werden

Sie sind Industrielle, Anwälte, Aufsichtsräte – aber ihr Herz schlägt für den Weinbau. Falstaff porträtiert Weinliebhaber aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich den Traum vom eigenen Wein erfüllt haben.

Der Linzer Karl Egger ist mit seiner Firma Ke Kelit, die Rohrsysteme produziert, weltweit aktiv. Wein, so erinnert er sich, hatte für ihn immer eine große Faszination. Einige Jahre lang verbrachte er mit seiner Familie den Sommerurlaub auf einem Weingut bei ­Radda, im Anbaugebiet des Chianti ­Classico. Bei dieser Gelegenheit entdeckte er das alte Borgo Castiglioni, erwarb und renovierte es. In Sean O’Callaghan fand Karl Egger schließlich den idealen Partner für sein persönliches Weinabenteuer.

Sean, auch »Il Guercio«, der Einäugige, genannt, weil seit der Geburt auf einem Auge blind, war viele Jahre auf dem bekannten Weingut Riecine in Gaiole für den Wein verantwortlich. Und er kennt sich bestens mit Sangiovese aus, der wichtigsten Traube im gesamten Chianti Classico. Man tat sich zusammen und gründete die Tenuta di ­Carleone. Deren Weine werden heute von der internationalen Kritik sehr gut bewertet, Tenuta di Carleone ist auf Kurs. So gut auf Kurs, dass Karl Egger die operative Leitung seines Unternehmens in Oberösterreich an die nächste Generation abgegeben hat und sich verstärkt um seine Weinaktivitäten kümmern will: »Ich möchte in Zukunft ­immer mehr Zeit in der Toskana verbringen

Monteverro in der südlichen ­Maremma ist ein anerkanntes Spitzenweingut. Dahinter stehen Julia und Georg Weber. Georgs Weinleidenschaft wurde während des Studiums geweckt, mit einer Flasche Latour. Eine ganz neue Welt tat sich für den jungen Studenten auf. Schließlich erwachte irgendwann der Wunsch, auch selbst großartigen Wein zu erzeugen. In der südlichen Maremma bei Capalbio wurde er fündig. Lage, Klima, Boden, alles war perfekt für die Erzeugung eines hervorragenden Weins. Als kompetenten Berater holte sich Weber keinen Geringeren als Michel Rolland ins Boot, den Rotweinguru aus Bordeaux. Schon mit den ersten Jahrgängen wusste Monteverro zu begeistern.

Julia und Georg Weber besitzen das Weingut Monteverro in der südlichen ­Maremma.
© Leif Carlsson
Julia und Georg Weber besitzen das Weingut Monteverro in der südlichen ­Maremma.

Die Tenuta Argentiera liegt etwas weiter nördlich an der Küste, im renommierten Anbaugebiet Bolgheri. Vor drei Jahren wurde das Spitzenweingut vom Österreicher ­Stanislaus Turnauer, der mit Constantia Industries eine der wichtigsten Firmengruppen Österreichs leitet, erworben. »Entscheidend war eine Reise nach Bolgheri mit Freunden gewesen, wo ich zum ersten Mal die beeindruckenden Weine dieses Gebiets kennenlernte«, erzählt ­Turnauer. Mittlerweile ist er mit seiner Familie in die Toskana gezogen. Sein Leben sei dadurch vielfältiger geworden, und dank moderner Technik ist die Verbindung zum Firmensitz kein Problem. Teilweise finden Managementmeetings auch in Italien statt. Und man kann Turnauer verstehen: Es gibt ganz bestimmt schlechtere Orte für Firmenmeetings als die Tenuta Argentiera, von der an klaren Tagen der Blick über Elba hinaus sogar bis nach Sardinien und Korsika reicht.

Kunst-Stücke

Peter Femfert entdeckte bereits in den 1970er-Jahren bei Castellina im ­Chianti Classico ein altes Steinhaus, das einst dem Renaissancekünstler Michelangelo ­Buonarroti gehörte. Für Femfert, der in Frankfurt eine bekannte Kunstgalerie betreibt, war das entscheidend für den Kauf. Ursprünglich als reines Ferienhaus geplant, begann man auf Nittardi schon bald auch mit der Erzeugung von eigenem Wein. Aus kleinen Anfängen wurde mehr, und heute zählt Nittardi zu den arrivierten Erzeugern feiner Weine aus dem Chianti Classico. Vor sieben Jahren übernahm schließlich Sohn Leon das Weingut. Vater Peter steht aber nach wie vor mit seinem Rat zur Seite.

Zwei Generationen Femfert im Weingarten von Nittardi.
Foto beigestellt
Zwei Generationen Femfert im Weingarten von Nittardi.

Helmut Rothenberger leitet in Frankfurt die Rothenberger Holding, die weltweit über 6000 Beschäftigte zählt. In seiner ­Freizeit ist er allerdings immer öfter in ­Montepulciano anzutreffen, wo er als Eigentümer des Weinguts Icario agiert. »Die einzigartige Lage, ein natürliches Amphitheater mit 26 Hektar Weinbergen in einem Stück, hat mich begeistert«, gesteht er. Der Ehrgeiz ist groß, ebenso das Potenzial. Und wie steht es um die Ertragslage? Rothenberger räumt ein, dass Icario immer noch ein Zuschussbetrieb ist. »Deshalb sitze ich ja immer noch in Frankfurt und verdiene dort das Geld, das ich hier dann wieder investieren kann. Bei Weingütern muss man in langen Zeiträumen ­kalkulieren«, so Rothenberger.

Ebenfalls in Montepulciano liegt das Weingut Vallocaia, das der Schweizer Familie Bindella gehört. Die Bindellas führen in der Schweiz zahlreiche Gastronomiebetriebe und zählen zu den wichtigsten Weinhändlern mit Schwerpunkt italienischer Wein. In zwei Jahren will Rudi Bindella senior das komplette Weingeschäft an Sohn Rudi junior übergeben, der sich bisher auf den Gastronomiebereich konzentriert. Ob er sich dann aufs Altenteil in die ­Toskana zurückzieht? »Wer weiß, mal sehen!«, schmunzelt der Senior verschmitzt.

Seit 1982 führt der Schweizer Gastronom und Weinhändler Rudi Bindella senior das Weingut Vallocaia in Montepulciano.
© Alessandro Moggi
Seit 1982 führt der Schweizer Gastronom und Weinhändler Rudi Bindella senior das Weingut Vallocaia in Montepulciano.

Vom »Tantris« zum Brunello, von der Spitzenküche zum Spitzenwein: Sabine und Felix Eichbauer, die neue Eigentümergeneration im Münchner Sternelokal »­Tantris«, sind erst seit wenigen Jahren Besitzer eines eigenen Weinguts. Genau genommen haben nicht sie das Weingut gefunden, sondern hat das Weingut zu ihnen gefunden, räumt Sabine Eichbauer ein. Podere Salicutti am Südosthang von Montalcino wurde von Francesco Leanza gegründet und jahrelang geführt. Seine Weine haben die Eichbauers schon immer geschätzt. Nun pendeln die beiden zwischen München und Montalcino und sind nach wie vor fasziniert vom Ort und dem ursprünglichen Orcia-Tal. Und natürlich vom Brunello.

Wolfgang Reitzle, Aufsichtsratsvorsitzender des Industriegasherstellers Linde, und seiner Frau, der bekannten TV-Moderatorin Nina Ruge, haben es die Hänge um Lucca angetan. Zu Beginn des Jahrtausends erwarben sie dort die Villa Santo Stefano. Ein Ferienhaus sollte es werden. Aber Wein gehört in der Toskana einfach dazu. Das Aushängeschild von Villa Santo Stefano ist Loto, eine kraftvolle Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot.

Wolfgang Reitzle und Nina Ruge fühlen sich in ihrer Villa Santo Stefano sehr wohl. 
© Massimo Tessandori Bernini
Wolfgang Reitzle und Nina Ruge fühlen sich in ihrer Villa Santo Stefano sehr wohl. 

Kanton Toskana

Die Schweizerin Barbara Widmer lebt schon seit mehreren Jahren in der ­Toskana. Ihre Eltern erwarben 1981 Brancaia als Ferienhaus. Wie es der Wein-Teufel wollte, hingen da auch sieben Hektar Weinberge mit dran. Als Barbara später das Weingut übernehmen sollte, war sie zunächst gar nicht begeistert: »Für einen Zürcher ­Teenager war die Vorstellung, in der ­Toskana, at the end of nowhere, Weinbau zu betreiben, nicht attraktiv«, gesteht sie. Eine kreative Krise nach vier Semestern Architekturstudium führte sie dennoch für zwei Monate zurück in die Toskana. Das brachte die Wende. Barbara Widmer studierte daraufhin in Wädenswil Önologie, seit 1998 zeichnet sie für Brancaia verantwortlich. Mit Brancaia Il Blu hat sie einen der großen Rotweine des Chianti Classico geschaffen.

Thomas Bär leitete viele Jahre eine Zürcher Anwaltskanzlei. 1990 erwarben er und seine Frau Monika Gagliole bei Castellina. Die dazu gehörenden vier Hektar Weinberge wurden anfänglich von der Familie Mazzei auf Fonterutoli verarbeitet. Bald aber packte auch Bär der Wein-Ehrgeiz und er begann mit eigener Produktion. Seit 2006 ist Gagliole seine Hauptbeschäftigung. »Was anfänglich ein Hobby war, wurde im Laufe der Jahre zu einer Passion – und zu einer Profession«, gesteht er.

Monika und Thomas Bär auf Gagliole.
Foto beigestellt
Monika und Thomas Bär auf Gagliole.

Auch Silvio Denz ist ein bekannter Name in der Schweiz. Er leitet den Luxuskonzern Lalique Group. Was viele nicht wissen: Denz ist – neben einer veritablen Kollektion an Bordeaux-Weingütern und dem spanischen Clos d’Agon – auch am Weingut Montepeloso in Suvereto beteiligt, das von Fabio Chiarelotto gegründet wurde. »­Montepeloso ist ein Weingut mit ausgezeichnetem Terroir und exzellenten Weinen, eine ideale Ergänzung für mein Weinportfolio«, erklärt Denz. Die Toskana fasziniert eben immer wieder aufs Neue!

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2021

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Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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