Prosecco: Prickelndes für den Sommer
Jeder kennt Prosecco, doch nur wenige wissen, dass es viele Plagiate gibt. Eine neue Regelung vereinfacht die Wahl der besten Tropfen.
Prosecco boomt und boomt. Der frische, leicht aromatische Schaumwein wird weltweit immer mehr zum Synonym für italienischen Schaumwein. Was macht Prosecco so erfolgreich? Es ist wohl seine heitere, ungezwungene Art, Ausdruck des italienischen Lebensgefühls eben. Trink einen Schluck (guten) Prosecco, und du fühlst dich wie in Italien. Zweifellos trägt auch der erschwingliche Preis mit zum großen Erfolg bei. Während es bei Champagner meist ein größerer Anlass sein muss, ist für Prosecco immer der geeignete Moment. Bei Feintrinkern ist der italienische Schaumwein aber genau wegen dieses Allerweltsimages oft verpönt. Was bedauerlich ist, denn auch Prosecco hat Qualitäten. Man muss sie nur entdecken. Wichtig: beim Kauf genau aufs Etikett schauen, denn bei Prosecco gibt es mehr Plagiate, als man gemeinhin denkt. Der »echte« stammt aus dem Anbaugebiet von Conegliano und Valdobbiadene – auf halbem Weg zwischen Cortina d’Ampezzo und Venedig – und trägt eine staatliche Banderole als Zeichen des DOCG.
DOC und DOCG bringen Ordnung
Seit dem Jahrgang 2009 allerdings ist die Prosecco-Welt in Ordnung. Nunmehr wird unterschieden zwischen Prosecco DOC und Conegliano Valdobbiadene Prosecco Die Weine von Primo Franco (Weingut Nino Franco) zählen zur absoluten SpitzeSuperiore DOCG. Prosecco DOC umfasst ein weitläufiges Gebiet. Es reicht von Vicenza und Padua im Westen bis nach Triest im Osten, umschließt neun Provinzen und insgesamt 651 Gemeinden. Das klassische Gebiet für Prosecco liegt westlich von Treviso und umfasst 15 Gemeinden. Das Zentrum bilden Valdobbiadene und Conegliano. Während Prosecco DOC aus weitflächigen Lagen in der Ebene kommt, wird Prosecco Superiore DOCG in Hügellagen angebaut. Bei Valdobbiadene gehen die Flächen auch in beachtliche Steillagen über, die denen der Mosel oder der Wachau um nichts nachstehen. In den sonnigen Lagen erstrecken sich die Weingärten auf Höhen zwischen 50 und 500 Metern. Die insgesamt 4300 Hektar Weinberge des Gebiets werden von rund 3000 Weinbauern bewirtschaftet, die mittlere Besitzgröße beträgt also knapp über einen Hektar. Da ist es nicht möglich, dass alle ihren eigenen Prosecco erzeugen.Derzeit gibt es 160 Betriebe, die Prosecco Superiore DOCG professionell herstellen. Größere Güter wie Carpenè Malvolti, Mionetto, Ruggeri oder Villa Sandi decken ihren Traubenbedarf bei kleinen Winzern oder kaufen die Grundweine von den großen Genossenschaften. Aber auch bei kleineren, handwerklich arbeitenden Betrieben ist es Usus, dass neben den Trauben der eigenen Weingärten auch Früchte von Lieferanten verarbeitet werden.
Der zarte Duft des Prosecco
Während Champagner oder andere Flaschengärsekte von den tertiären Aromen des langen Ausbaus auf der Hefe leben, beeindruckt Prosecco durch seinen feinen, zarten Duft. Den erhält er von der eigenen Traubensorte, die früher wie der Wein Prosecco hieß, seit 2009 aber wieder den alten Namen Glera trägt. Mindestens 85 Prozent muss der Prosecco davon haben, der Rest kann aus lokalen Sorten wie Verdiso, Perero, Bianchetta oder auch Chardonnay und Pinot Bianco bestehen. Um die zarten, leicht aromatischen Noten nach Glyzinien, Weißdornblüten und gelben Früchten zu erhalten, wird Prosecco fast ausschließlich im Tankgärverfahren erzeugt. In den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts wurde diese Methode zeitgleich von Eugène Charmat in Bordeaux und Antonio Carpenè in Conegliano entwickelt. Dabei ersetzen große Stahltanks (zunächst kein Edelstahl) die bei der klassischen Vergärung gebräuchliche Flasche. Nach 30 bis 90 Tagen Vergärung im Tank ist der Prosecco abfüllbereit.
Weine von den Vulkanhängen des Ätna: Passopisciaro
Weine von den Vulkanhängen des Ätna: Passopisciaro
Von Stillwein, Frizzante und Spumante
In der Welt des Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG dominiert die Vielfalt. Da wird zunächst einmal unterschieden zwischen Stillwein, Frizzante und Spumante. Prosecco als Stillwein hat lediglich lokale Bedeutung. Die Frizzante-Typologie, also ein Schaumwein mit weniger Kohlensäuredruck, kam ab den 1970er-Jahren auf, weil man damit die Sektsteuer in Deutschland
und Österreich umgehen konnte. Heute verliert er zunehmend an Bedeutung. Gut 90 Prozent der Produktion entfällt auf Spumante. In Italien wird Prosecco meist als Spumante der Kategorie »Extra Dry«, also mit einem Zuckergehalt von 12–27 g/l, getrunken. Die dezente Süße macht den Wein weich und betont die floralen Noten. Die der Glera-Traube eigene Bitternote wird sanft abgepuffert. Der trockenere »Brut« (0–12 g/l) entstand ursprünglich für den Export. Diese Variante, bei der mehr die Kräuter- und Zitrusnoten zur Geltung kommen, findet zunehmend Anklang. Ein Prosecco Brut eignet sich nicht nur als Aperitif, sondern passt auch zu Vorspeisen auf Fischbasis. Schließlich gibt es noch den »Dry« mit einem Restzuckergehalt von 17–32 g/l. Er begleitet meist die Desserts der Region, Mürbteiggebäck und Obstkuchen, spielt von der Menge her aber keine Rolle.
Qualität, die Schule macht
Normalerweise wird Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG ohne Jahrgangsangaben abgefüllt. Es gibt aber auch Erzeuger, die den jeweiligen Das Castello San Salvatore in Susegana ist jedes Jahr im Mai Schauplatz des großen Prosecco-FestsJahrgang kennzeichnen (»Millesimato«). Bei Prosecco Superiore DOCG sind zwei Lagenbezeichnungen vorgesehen: Rive und Cartizze. Rive ist der lokale Ausdruck für besondere Steillagen, die den Charakter des Prosecco am besten zum Ausdruck bringen. Cartizze bezeichnet eine 103 Hektar große Steillage in Valdobbiadene – und genießt in Italien Kultstatus. Alle Erzeuger wollen einen kleinen Anteil daran haben. Das treibt die Grundstückspreise, die bereits Spitzen von 150 Euro pro Quadratmeter erreichen, in die Höhe. Kaum zu verstehen: Cartizze wird überwiegend in der Dry-Version angeboten. In den letzten Jahren gibt es aber auch einige Erzeuger wie Silvano Follador oder Villa Sandi, die ihren Cartizze als Brut ausbauen. Und dessen ausgezeichnete Qualität wird mit Sicherheit Schule machen.
Best of Prosecco
Zu den Verkostungsnotizen
Text von Othmar Kiem
Aus Falstaff 04/2012