Professor Friedrich Zweigelt Portrait

Professor Friedrich Zweigelt Portrait
© HBLAuBA Wein, Klosterneuburg

Professor Zweigelt - Züchter und Züchtiger

Zweigelt ist in Österreich die meistverbreitete Rotwein-Rebsorte. Ihr Erfinder aber ist ein Mann mit dunkler Vergangenheit. Professor Friedrich Zweigelt war ein bekennender Nazi. Hintergründe einer Zeit, in der eine umstrittene Persönlichkeit den österreichischen Weinbau maßgeblich prägte.

Die braune Vergangenheit von Professor Zweigelt

Österreichs Altbundeskanzler Alfred Gusenbauer ist ein passionierter Weinkenner. Kaum ein edler Wein, den er nicht kennt; er gilt auch als besonders treff-sicherer Verkoster. Doch eine Sorte mag er gar nicht: den Zweigelt, egal, welcher Winzer ihn produziert. Der Grund dafür: die einschlägig braune Vergangenheit von Professor Dr. Friedrich Zweigelt, dem Züchter dieser Rebsorte, nach dem sie auch benannt wurde.
Betrachtet man das Leben und Wirken des umstrittenen Entomologen etwas genauer, stößt man tatsächlich auf ein braunes Milieu, das während der Nazi-Zeit in manchen Regionen, wie etwa in Teilen von Niederösterreich, auf besonders fruchtbaren Boden stieß. Wohl nur so konnte eine Vita wie die des Hitler-begeisterten Weinexperten und ehemaligen Direktors der Weinbauschule in Klosterneuburg entstehen. Das sieht auch der Schriftsteller Erwin Riess so, der für seinen Weinkrimi »Herr Groll und das Ende der Wachau« viele historische Details recherchierte, die sich zu einem Bild einer Landschaft verdichteten, in der die NS-Ideologie offenbar besonders gedeihen konnte.

Die Geschichte der Region

So zeichnet manche Regionen in Niederösterreich nicht nur ein besonderes Mikroklima aus, sie sind auch von einer Mikrovergangenheit geprägt. Schon im ausgehenden Mittelalter entwickelte sich dort eine selbstständige Weinbauernschaft, ein selbstbewusster und wohlhabender Stand, während im ganzen Umland die Landbevölkerung noch jahrhundertelang in der Abhängigkeit der Leibeigenschaft gehalten wurde. Die Wachauer Hauer etwa, deren Ahnen einst auf den Lesehöfen jener bayerischen Klöster, die das Donautal erschlossen hatten, ausgebeutet wurden, hatten auch eine skeptische Distanz zur katholischen Kirche geerbt; und als die Reformation im 16. Jahrhundert die Christenheit spaltete, fand sie entlang der Weinterrassen besonders viele Anhänger, die sich der brutal wütenden Gegenreformation der Habsburger lange zu widersetzen wussten. »Die Wachau war einer der letzten Rückzugsorte des Protestantismus«, sagt der Historiker Winfried Garscha, der ebenfalls in Krems das Gymnasium besuchte. Wer nicht auswanderte, der bekannte sich meist nur oberflächlich zur vatikanischen Religion und hegte innerlich weiterhin seine Abscheu gegenüber der katholischen Papstkirche.

Der Kryptoprotestantismus bildete allerdings auch das Eingangstor für eine verhängnisvolle Entwicklung: Im 19. Jahrhundert besaß die neue säkulare Religion des Deutsch-nationalismus für alle, deren Familien in die Reihen der österreichischen Staatsreligion zurückgezwungen worden waren, eine besondere Anziehungskraft. Der Gründervater der Alldeutschen Bewegung, der Gutsbesitzer und Reichsratsabgeordnete Georg von Schönerer, eines der Idole von Adolf Hitler, residierte im benachbarten Waldviertel und war ein in Krems häufig gesehener Gast. Seine Parole »Los von Rom« schallte durch alle gotischen Gassen.

Ein historischer Zufall

Der Boden für die braune Saat war gut -vorbereitet. »Über Jahrhunderte herangewachsen« sei die Bereitschaft, sich unter das Hakenkreuz zu begeben, sagt Historiker -Garscha. Dafür allerdings, dass gerade in Niederösterreich in einem landwirtschaftlichen Produktionszweig der nationalsozialistische Ungeist besonders tiefe Wurzeln schlagen konnte, meint Garscha, sei ein »historischer Zufall« verantwortlich: Die zentrale Bildungsstätte der Zunft, die Weinbauschule Klosterneuburg, befand sich fest in nationalsozialistischer Hand. »Im Lehrkörper gab es nur brave Nazis und fanatische Nazis«, sagt Garscha. »Und sonst gar nichts!«

Gleich nach dem »Anschluss« im März 1938 hatte der neue Direktor 45 Lehrer ihres Postens enthoben – das waren fast ein Drittel mehr, als in Klosterneuburg bei der Volksabstimmung gegen den Anschluss an Hitler-Deutschland gestimmt hatten.
 
Von Stund an herrscht im ehemaligen Kuchlhof des Stiftes Klosterneuburg ein neuer Geist. »Der Wille des Führers ist uns heiliges Gebot. In ihm wuchtet der Willen eines einigen und mächtigen Volkes«, heißt es jetzt aus der Direktion, in der nun der Leiter der Bundesrebenzüchtungsstation, Friedrich Zweigelt, waltet. Er wird eine ganze Generation künftiger Weinbauern heranziehen. Der neue Mann, bescheinigt das Gaupersonalamt, »war schon ein eifriger Anhänger unserer Bewegung und hat auch seinen Sohn im nationalen Sinn erzogen«.

Diese pädagogische Orientierung lag in der Familie. »Schon in jungen Jahren«, berichtet Zweigelt später, sei er von seinem Vater, dem Dorfschullehrer im steirischen Hitzendorf, »zum Kampf gegen die Übergriffe des Katholizismus erzogen worden«. An der Universität Graz sei schließlich »die Vollendung der streng nationalen Erziehung« erfolgt. Der Biologie-Student schließt sich dem »Naturwissenschaftlichen Verein« an, einer bis auf die Knochen deutschnationalen Bruderschaft. Der junge Akademiker ist ein schwärmerischer Naturliebhaber, der sich die Gesetze von Auslese und Vererbung zu Herzen nimmt. Ein Zufall verschlägt ihn 1912 als Adjunkt an die Weinbauschule Klosterneuburg, wo er bald nach Ende des Ersten Weltkriegs eine neue Abteilung begründet, die neue Rebsorten finden soll. Zweigelt will nun an seinem Institut »das ziellose Herumprobieren durch eiserne Vorschriften exakter Methodik ablösen«. In Klosterneuburg findet sich 1922 unter der Nummer 71 die Kreuzung »St. Laurent x Blaufränkisch«. Zweigelt nennt seine neue Sorte Rotburger. Sie erweist sich später in österreichischen Weingärten als besonders geeignet.

Durch eine Flut an Publikationen erwirbt sich Zweigelt rasch den Ruf, ein herausragender Fachmann zu sein, der in ganz Europa Referate hält. Der Ton seiner Schriften ist militaristisch, sie sind überfrachtet mit Pathos. Zunächst gilt sein Kampf noch den robusten Direktträgern, also Rebwurzelstöcken, die nicht veredelt wurden. Er schreibt dem Wein aus solchen Trauben »Giftwirkung« zu, da er einen erhöhten Anteil an Methylalkohol enthalte. Er wirke »verblödend«. Zweigelts Polemiken bewirken schließlich, dass der Weinbauausschuss in den 1920er-Jahren den Anbau von Direktträgern in Österreich verbietet, lediglich im Burgenland darf der sogenannte Uhudler weiterhin ausgepflanzt werden.

Schon am 1. Mai 1933 war Zweigelt der NSDAP beigetreten, er verteilt die Flugblätter der Hakenkreuzler und unternimmt, wie er eingesteht, »Pilgerfahrten« zu Hakenkreuzfahnen, vor denen er in »Ehrfurcht und Ergriffenheit« verharrt. Als Österreich 1938 aufhört zu bestehen, geht dem »alten Kämpfer« das Herz über: »Der böse Traum wurde fortgescheucht von den dröhnenden Schritten deutscher Soldaten. Jüdischem Spekulationsgeist ist für alle Zeiten der Boden entzogen.«

»Im Lehrkörper der Weinbauschule Kloster­neuburg gab es nur brave Nazis und fanatische Nazis. Und sonst gar nichts!«
Winfried Garscha

An der Weinbauschule zieht Zweigelt jetzt ein strenges Regiment auf. »Wer nicht mit dem Führer ist, hat sein Leben verwirkt«, lautet das Motto; auch einzelne Schüler müssen das Institut verlassen, einen angehenden Weinbauern, der vorhat, der sogenannten Hitler-Eiche in Klosterneuburg mit Pestiziden die Wurzeln zu versengen, überlässt er bedenkenlos der Gestapo. Der junge Mann wird sich 32 Monate lang in Haft befinden, erst das Kriegsende rettet ihn.

Ein Lebenswerk an der Kippe

Nach der Befreiung Österreichs verliert der bis zum bitteren Ende dem NS-Regime treu ergebene Zweigelt seinen Direktorenposten. Er wird wegen »Volksverhetzung« inhaftiert, nach sechs Monaten jedoch entlassen, das Verfahren wird eingestellt. Der Züchter und Züchtiger fristet nun verbittert eine Existenz als Fachkonsulent für die Weinbranche. Sein Lebenswerk, die neuen Rebsorten, so muss er befürchten, würden in Vergessenheit geraten.
Dem Weingutbesitzer Lenz Moser aus Rohrendorf ist es verdanken, dass der Zweigelt doch noch seinen Siegeszug antritt. Er macht auch den Vorschlag, den Rotburger nach seinem Züchter umzubenennen. Dankbar schreibt Friedrich Zweigelt 1956 an den Weinbaupionier: »Ohne dich wäre diese Rotweinzüchtung kaum mehr viel beachtet worden. Die kleinen Geister, die noch immer von Hass leben, werden es nicht gerne sehen, dass ich vielleicht einmal im Weingarten auf einer Tafel als Zweigelttraube fröhliche Urständ feiere.« Das ist heute auf rund vierzehn Prozent der österreichischen Rebfläche der Fall.

Die Umbenennung erlebt der alte Hitler-Anhänger allerdings nicht mehr, er stirbt 1964 in Graz. Erst acht Jahre später ist es im Zuge der »Qualitätsweinrebensorten-Verordnung« so weit. »Nicht nur Gedankenlosigkeit oder historische Unkenntnis, sondern vielleicht auch der Unverbesserlichkeit politischer Entscheidungsträger« sei es zu verdanken, so schreibt der Historiker Roman Sandgruber, »dass Österreichs prominenteste Rotweinsorte nach einem prominenten, wenig gewandelten Nationalsozialisten benannt ist.«

Kein Zweigelt ohne Hochkultur

Die Grundlage des durchschlagenden Erfolgs des Blauen Zweigelt bildet die Einführung der Hochkultur, die in den 1950er-Jahren begann. Ohne sie wäre der Zweigelt mit Sicherheit nur eine Randnotiz in der Weingeschichte geblieben. Die von Lenz Moser (1905–1978) entwickelte Drahtrahmenkultur in Hocherziehung wurde im eigenen Betrieb seit 1929 erprobt und ab 1936 in allen Lenz-Moser-Weingärten installiert. Innerhalb weniger Jahre wurde nahezu der gesamte österreichische Weinbau auf das neue System umgestellt.

Zielsetzung der Lenz-Moser-Hochkultur war ein ertragsstarker und -sicherer Weinbau, ein Reduzieren der menschlichen Arbeitsleistung durch Einsatz von geeigneten Maschinen, also ein rationellerer Zugang. Bei den Ernten ging es in der Nachkriegszeit natürlich um Masse und nicht um Klasse. Man hielt also Ausschau nach Rebsorten, die bei hohen Quantitäten trinkbare Weine ergaben. Der Grüne Veltliner war bereits erprobt, bei den roten Sorten war ­die Sachlage weniger klar.
Lenz Moser erinnerte sich an eine Versuchsanlage mit Rotburger in Langenlois und kam zu der Erkenntnis, dass diese Sorte sehr gute Ergebnisse bringen könnte. So fand der Rotburger vor allem in Neuanlagen in Hochkultur ab den 1960er-Jahren eine gewisse Verbreitung.

1971
Der Bestand des Rotburgers wurde erstmals statistisch erfasst, man zählte bereits 770 Hektar.
1972
Im Rahmen der Änderung der Weinverordnung im § 6 »Rebsortenverzeichnis für Qualitätsweine« wurde unter den Rotweinrebsorten die »Zweigeltrebe« genannt. 1978 wuchs der Newcomer bereits auf 2100 Hektar. Nun hieß die Rebsorte offiziell »Blauer Zweigelt«.
1995
Die Rebsorte Zweigelt wurde von der Europäischen Gemeinschaft als »Empfohlene Rebsorte« in den Bundes­ländern Wien, Niederösterreich, Burgenland und Steiermark anerkannt.
2009
Die Rebsorte Zweigelt nahm bereits mehr als 14,1 Prozent der Gesamtrebfläche ein und liegt noch heute unangefochten hinter dem Grünen Veltliner auf Platz zwei der populärsten Reben Österreichs.
Joachim Riedl
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