Porsche 911: Was für ein Charakter!

Falstaff präsentiert die ultimativen Stilikonen. Diesmal: Porsche 911. Ein Sportwagen, der niemanden kaltlässt.

Kaum ein anderer Sportwagen polarisiert so stark wie der Porsche 911. Frauen stehen ihm meist skeptisch gegenüber, zu vordergründiges Angeberauto, Macho-Kutsche. Aston Martins, Jaguars oder Maseratis stehen in der weiblichen Gunst viel höher. Vielleicht, weil sie auf unseren Straßen seltener und nicht so eindeutig erkennbar wie ein Porsche sind. Vielleicht aber auch, weil die kultivierte Frau auf Engländer oder Italiener steht. Deutsche haben für sie den Sexappeal einer Hochleistungswaschmaschine. Führt man hingegen unter Männern eine Umfrage mit der Zusage strengster Anonymität durch, würden sogar selbst jene zugeben, dass sie gern einen Porsche hätten, die in Latzhosen Fahrrad fahren oder Herrenumhängetaschen tragen. Nur die trauen sich halt nicht. Deshalb sieht der klassische Porsche­fahrer eben aus, wie er ist: sportlich, gut situiert, grau meliert und um die 50 – wie das Auto selber.

Eine Ikone der Sportwagengeschichte

Der Porsche 911 ist 2013 ein halbes Jahrhundert alt. Dabei sollte der im Jahr 1963 auf der Frankfurter Internationalen Automobil-Ausstellung präsentierte Nachfolger des Porsche 356 die Nummer 901 als Typenbezeichnung tragen. Aber Nummernkombinationen mit einer Null in der Mitte waren Peugeot vorbehalten: 304, 404, 504 und so fort. Also 911 – auch wenn das der Notruf in den USA war und heute ein traumatisches Datum für die Welt ist. Der 911er ist inzwischen eine ­Ikone der Sportwagengeschichte. Mehr als 820.000 Fahrzeuge des Typs Porsche 911, der heute schon lange nicht mehr so heißt, wurden verkauft. Der unglaubliche Erfolg dieses Autos liegt in seiner Harmonie von Form und Technik. Weder folgt bei ihm die Form der Technik noch umgekehrt. Im 911er fließen Kraft und Linien so zusammen, dass sie eine perfekte harmonische Einheit ergeben. Ein Fahrzeug, das überall passt. Sein Schöpfer Ferry Porsche beschrieb es so: »Der 911 ist das einzige Auto, mit dem man von einer afrikanischen Safari nach Le Mans, dann ins Theater und anschließend auf den Straßen von New York fahren kann.«

Der Porsche und seine Fahrer

Wer aber das Ausgefranste, das Kratzige, ja Böse liebt und auch im Stadtverkehr eine schwarze Gummispur an jeder Kreuzung hinterlassen möchte, ist in einem Lamborghini Aventador oder einem Ferrari F70 besser aufgehoben (wenn er einen bekommt). Ein Porschefahrer lässt an der Kreuzung erst die Cinquecentos und Minis ziehen. Schließlich hat er nichts davon, wenn er schon weg und das Publikum noch da ist. Diese Souveränität, die Freude des Habens, Fahrens und Genießens des Schönen auch ­demonstrativ zeigen zu können, gelingt nur Menschen, die schon in sich ruhen. Erfolgreichen Menschen fällt das leichter. Aber der 911er fasziniert nicht nur Manager, Anwälte (Wunschkennzeichen: Law 1), Ärzte (Doc 6) oder Unternehmer. Auch Künstler, Schauspieler und Intellektuelle lassen sich von Konventionen meist nicht beeindrucken. Dafür umso mehr von einem in sich absolut stimmigen Auto.

Auch unter Architekten, wie dem Erbauer des Uniqa-Towers, Heinz Neumann, ist der 911er wegen seiner Form beliebt / Foto: beigestellt
Unter Architekten wie Heinz Neumann ist der 911er wegen seiner Form beliebt / Foto: beigestellt

Und so fuhr die Sängerin und Schauspielerin Erika Pluhar einen wunderschönen schwarzen 911er der ganz frühen Serie. »Die Zeit«-Herausgeberin Marie Gräfin Dönhoff donnerte in einem knallroten Porsche 911 in Hamburg die Elbchaussee entlang, bis sie im Alter von 85 ihren Führerschein zurücklegte. Journalist und Autor Helmut A. Gansterer ist der Apologet des 911ers gegen alle flachen Vorurteile. Rallye-Legende Walter Röhrl ist inzwischen gefragter Experte bei der technischen Entwicklung. David Beckham, Tom Cruise und Bill Gates gehören ebenso zu den Besitzern wie Ralph Lauren oder Schauspieler Jerry Seinfeld, der weltweit eine der größten 911er-Sammlungen hat. Star­architekt Heinz Neumann besitzt gleich mehrere Modelle aus verschiedenen Jahrgängen. Es sind bestimmt nicht die schwächsten Männer und Frauen, die einen Porsche fahren.

Der starke Charakter des Porsche 911
Ein 911er verlangt nach Kraft. Das war schon vor 50 Jahren so. Auch wenn sich mittlerweile die Technik mit all ihren Finessen im Auto breitgemacht hat. Es war eine große Kunst, dieses aus den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts stammende Fahrzeug dem technischen Fortschritt anzupassen, es im Charakter aber nicht zu verändern. Die immer rascher aufeinanderfolgenden Entwicklungssprünge dem Prinzip Elfer unterzuordnen, den Fortschritt nicht zu verleugnen, sondern ihn zu nutzen – als belebendes Element für die Idee Elfer, ­dieses aber so zu dosieren, dass er bleibt, was er war: ein Porsche 911. So,
wie man in einem Erwachsenen noch das Kind erkennen kann, so hat sich der Elfer ­entwickelt. Er ist bei sich selbst geblieben.

Jüngster Streich: Porsche 911 Carrera Coupe / Foto: beigestellt

Ein Auto der Vernunft und der Verführung
Man nimmt im Cockpit Platz und weiß, dass sich die ­Zündung auf der linken Seite befindet. Die Atmung beschleunigt sich, der Grund­umsatz steigt, die Ohren liegen ­enger am Kopf, die Nase nimmt Witterung auf: nach der freien Strecke und der schärfsten Kurvenfolge. Die Fahrmaschine bewegen, ihre Reaktionen ­spüren, mit ihr verbunden sein. Lastwechsel ertragen, zu einem Teil der Perfektion ­werden, bewusste Hingabe zelebrieren und doch Herr und ­Meister ­bleiben. Und dennoch: Der Elfer ist ein Auto der Vernunft und der Verführung. Wer einmal mit den Augen über die Front mit den ­profilierten Kotflügeln, über den zierlichen Dachaufbau bis zum muskulös gekrümmten Rücken gleitet, dann den Motor startet und den heiseren Ruf vernimmt, der ist verloren. Er wird für immer dem Ruf folgen, der aus dem Heck an seine Ohren dringt.

Die Väter des Porsche / Foto: beigestellt
Die Väter

Ferry Porsche begann schon Anfang der 50er-Jahre, mit Erwin Komenda einen Nachfolger für den Porsche 356 zu konstruieren. Eine viersitzige Variante wurde bald wegen des Knicks im Heck fallen gelassen. Auch der Vier-Zylinder-Motor wurde auf sechs Zylinder vergrößert, um Entwicklungsmöglichkeit für mehr Leistung zu ­haben. Und Ferdinand Piëch arbeitete schon an der Entwicklung des 911ers ­entscheidend mit.

Die Generationen

1963 – die Geburt einer Ikone
Der Ur-Elfer startete 1963 auf der Frankfurter IAA als Typ 901. Bis heute ein Traumwagen: der 911 Carrera RS 2,7 aus 1972, 210 PS, 1000 kg leicht. Sein »Entenbürzel« war der erste Heckspoiler für Serienfahrzeuge.

1973 G-Serie – die zweite Generation
Das »G-Modell« wurde von 1973 bis 1989 gebaut. Merkmal: die Faltenbalg-Stoßstangen, um den Crashtest-Bedingungen der USA gerecht zu werden. Ab 1982 auch als Cabriolet.

1988 Typ 964 – die klassische Moderne
Nach 15 Jahren Bauzeit wurden 85 % überarbeitet. Der 3,6-Liter-Boxermotor leistete 250 PS, es gab ABS, Tiptronic, Servolenkung und Airbags. Sammlerfahrzeuge: 911 Carrera RS, 911 Turbo S und 911 Carrera 2 Speedster.

1993 Typ 993 – der letzte Luftgekühlte
Die Frontpartie war flacher, was durch den Wechsel zu Polyellipsoid-Scheinwerfern möglich wurde. Für Sportwagenfreunde baute Porsche den 911 GT2. Eine Neuheit des 911 Targa war das elektrisch hinter die Heckscheibe zurückfahrende Glasdach.

1997 Typ 996 – die Wasserkraftanlage
Neu war der wassergekühlte Boxermotor. Dank Vierventiltechnik leistete er 300 PS und galt in puncto Emission, Geräusch und Verbrauch als zukunftsweisend. Ein Höhepunkt war ab 1999 der 911 GT3, der die Tradition des Carrera RS weiterführte.

2004 Typ 997 – Klassik und Moderne
Die ovalen Frontscheinwerfer mit Zusatzleuchten im Bugteil knüpften an das traditionelle Design an. Der 3,6-Liter-Boxermotor des Carrera leistete erst 325 PS, der neu entwickelte 3,8-Liter des Carrera S 355 PS.

2011 Typ 991 – der beste Elfer ­aller Zeiten

Neues Fahrwerk, größere Spurbreite und Reifen sowie ein optimierter Innenraum sorgen für sportlicheres Fahrgefühl. Auch neu: das erste manuelle Sieben-Gang-Schaltgetriebe.

Text von Thomas Martinek
Aus Falstaff Nr. 03/13

Thomas Martinek
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