1994 wurde Eckart Witzigmann vom französischen Restaurantführer »Gault & Millau« zum »Koch des Jahrhunderts« gekürt.

1994 wurde Eckart Witzigmann vom französischen Restaurantführer »Gault & Millau« zum »Koch des Jahrhunderts« gekürt.
© Ian Ehm

Patron & Perfektionist: Eckart Witzigmann im Talk

Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann wurde im Zuge des Falstaff Young Talents Cups für sein Lebenswerk geehrt. Der »Koch des Jahrhunderts« im KARRIERE-Interview.

Mit KARRIERE spricht Eckart Witzigmann über sein Leben, den Nachwuchs und verrät, was Rock- und ­Hosenlängen mit Gastro-Trends zu tun haben.

KARRIERE Herr Witzigmann, Sie sind einer der berühmtesten Köche der Welt und haben in diesem Beruf so gut wie alles erreicht. Was hat Sie motiviert, Koch zu werden?
ECKART WITZIGMANN
Ich glaube, vor der Motivation war bei mir eine große Inspiration. Die Witzigmanns waren Bäcker in Vorarlberg und da war ich bereits als Kind mit den Gerüchen und Abläufen in einer Bäckerei vertraut. Meine Mutter war eine fantastische Köchin und hat trotz bescheidenen Budgets meinen Vater und mich mit traditionellen und saisonalen Gerichten sehr verwöhnt. Heute würde man das frühkindliche Prägung nennen, aber der Geschmack, der Geruch und das gemeinsame Essen haben mich fasziniert und in Richtung Küche gebracht.

Sie haben eine klassische Kochausbildung absolviert. Dennoch gibt es auch erfolgreiche Autodidakten in der Branche. Wie stehen Sie zu der Notwendigkeit einer fundierten Ausbildung?
Ich will an dieser Stelle nicht dementieren, dass auch Autodidakten manchmal Großartiges auf den Teller bringen können, aber ich glaube, ohne eine gut strukturierte Ausbildung sind das nur Sternschnuppen. Wir ­lernen über Jahre hinweg in allen Branchen interessante und anspruchsvolle Berufe, auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Das immer noch gültige Wort, dass Lehrjahre ­keine Herrenjahre sind, hat immer noch Bestand, vor allem für Köche, da ist die Ausbildung besonders wichtig. Der Wille alleine reicht dabei leider nicht, handwerkliches Können und Wissen sind eine der Grund­voraussetzungen für diesen Beruf, das ist quasi die Grundausbildung. Und die immer wieder erzählte Mär vom schlampigen Genie, das ohne Ausbildung seine Gäste in Verzückung bringt, klingt gut, ist mir im wirklichen Leben jedoch noch nie begegnet.

Es heißt immer wieder, der Beruf Koch sei hart und verbunden mit wenig Freizeit. Sehen Sie das auch so?
Ich kann das nur bestätigen, mein Lebensweg ist ein gutes Beispiel. Wer in den Ring steigt, ein erfolgreicher Koch werden und in der Spitzengastronomie mitmischen will, der muss alle anderen Belange weit hinten anstellen. Ich glaube, es gibt wenig Berufe, bei denen der Begriff Berufung eine so unbedingte Voraussetzung ist. Aber genau diese Para­meter sind letztlich der Grund, dass heute immer weniger junge Menschen sich diesem Diktat unterwerfen wollen, da sind geregelte Arbeitszeiten und Zeit für Hobbys wichtiger als eine Erwähnung in der Fachpresse.

Welche Eigenschaften ließen Sie Ihre ­Ziele erreichen?

Es fällt mir immer etwas schwer, für oder über mich ein Urteil zu fällen. Aber ich glaube, dass Talent, Ehrgeiz, Kreativität und Neugierde zusammen mit einer kräftigen Prise Besessenheit in meinem Fall zu einem guten Ende geführt haben.

Das »Tantris« und die »Aubergine« waren wesentliche Teile Ihres Lebens. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Zeit?
Das »Tantris« war sicher ein wichtiger Punkt in meinem Leben, der wesentliche war aber die Zeit in der »Aubergine«. Dort konnte ich alles verwirklichen, meine ganz persönlichen Vorstellungen umsetzen und den dritten Michelin-Stern erreichen. Die erste Zeit im »Tantris« war jedoch sehr schwierig, die Münchner Platzhirsche gaben uns nur einige Monate zum Überleben und Gäste waren wirklich Mangelware. Und denen war meist das Gemüse nicht weich und das Fleisch nicht durch genug. Ich kam mir manchmal wie ein Missionar vor, der auf einer aussichtslosen Mission unterwegs war und keine Gläubigen finden konnte. Das war wirklich eine sehr harte Zeit.

Sie sind Patron des Restaurants »Ikarus« im Hangar-7 in Salzburg. Kann die Spitzen­gastronomie überhaupt noch ohne Mäzene wie Dietrich Mateschitz funktionieren?
Didi Mateschitz war viel mehr – er war quasi der Erfinder dieses Konzepts und ich hatte die Chance, von Anfang an dabei zu sein. Ohne seinen Elan hätte das nie funktioniert, er hat mich mit seinem Optimismus angesteckt. Es ist großartig, was sich daraus entwickelt hat. Die absolute Spitzengastronomie funktioniert weltweit nur unter dem Mantel großer Konzerne, meist sind das weltweit tätige Hotelketten. Da lässt sich eine Mischkalkulation auftun, die das Überleben halbwegs sichert. Und häufig gibt es dann auch noch Mäzene im Hintergrund, die Projekte unterstützen. Im Drei-Sterne-Bereich in Deutschland sind eigentlich nur Klaus Erfort und Kevin Fehling vollkommen unabhängig und alleinige Herren ihrer Entscheidungen. Und beide scheinen alles richtig zu machen, beide verdienen Geld und das Geschäft brummt.

Erhalten Köche den Respekt, den sie sollten?
Die Fernsehköche auf alle Fälle. Bitte verstehen Sie das nicht als Neid, ich gratuliere jedem TV-Koch zu seinem Erfolg und wünsche ihm alles Gute. Der Hype rund ums Kochen im Fernsehen erinnert mich ein wenig an die alte Andy-Warhol-Prophezeiung aus den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts: Eine Zeit wird kommen, in der jeder einmal für einen kurzen Moment ein großer Star ist. Das ist eingetreten. Mit dem wahren Leben hat Kochen im Fernsehen nur wenig zu tun, es verzerrt das Berufsbild, trotzdem scheint es den Leuten zu gefallen. Die hochdekorierten Kollegen in ihren Spitzenrestaurants, die gar keine Zeit haben, vier Wochen im Jahr vor der Kamera zu stehen, bekommen sicher ebenfalls jeden Respekt, den haben sie sich allerdings über Jahre hinweg hart erarbeitet. Außerhalb der Guides ist das schon anders, da hat dieser Beruf sicher nicht immer die verdiente Wertschätzung.

Sie haben viele gastronomische Trends miterlebt. Wohin, denken Sie, geht die Reise in den kommenden Jahren?
Trends sind wie Rock- und Hosenlängen, die bleiben in der Regel nicht lange gleich. Und was häufig als Trend durchs Dorf getrieben wird, ist manchmal nicht mehr als ein kleiner Aufreger. Was immer wichtiger wird, ist sicher die Einsicht, dass die Ressourcen unserer Mutter Erde nicht unendlich sind und wir damit sehr viel sorgfältiger umgehen sollten. Wir sollten also nachhaltiger ernten, produzieren und verbrauchen und müssten dann auch weniger Lebensmittel in die Mülltonne werfen. Gehen Sie davon aus, dass alles möglich sein wird, die rundum vernetzte, digitale Welt kann viel kreieren, ob das dann wirklich ein neuer Trend ist, das sei mal dahingestellt. Mit heutigem Stand würde ich sagen, der Trend ist, dass es keinen gibt, alles ist möglich.

»Trends sind wie Rock- und Hosenlängen, die bleiben in der Regel nicht lange gleich. Durch die vernetzte, digitale Welt ist alles möglich.«
Eckart Witzigmann, Jahrhundertkoch

Wie gehen Sie selbst mit Misserfolg um?
Da will ich ganz ehrlich sein, es ist ein langer und unbequemer Weg damit zu leben. Man muss lernen zu differenzieren, bin ich selbst die Ursache oder sind da andere Parameter im Spiel, bin ich selbst schuld oder bin ich das Opfer der Unfähigkeit von anderer Seite. Nachdem nur der keine Fehler macht, der nichts macht, leben alle tätigen Menschen in der Gefahr, Fehler zu machen. Ich versuche immer, den Dingen auf den Grund zu gehen: Warum, wieso, weshalb ist das so? Und dann versuche ich, es besser zu machen ...

Nachwuchs einst und heute: Nehmen Sie Unterschiede wahr?
Na ja, ich stelle schon manchmal fest, dass die heutige Generation durchaus Wert auf eine geregelte Freizeit legt. Da darf ich die eigenen Erfahrungen jedoch nicht zum Maßstab machen, die Zeiten haben sich geändert. Ich habe in Frankreich in Abstellkammern auf Matratzen geschlafen und sechs Tage die Woche täglich 14 Stunden gearbeitet. Aber das kann ich doch nicht zur Messlatte in der heutigen Zeit machen, da gibt es andere Gepflogenheiten und Umstände. Ich bilde mir ein, dass es heute Nachwuchs gibt, der sehr wohl engagiert zur Sache geht, aber auch ein geregeltes Leben außerhalb der Küche haben will, dem Familie und Freunde ebenso wichtig sind wie Erfolg am Herd. Und dann gibt es aber auch noch jene – und die werden weniger –, die Erfolg um jeden Preis haben wollen, die ihr gesamtes Leben und Umfeld dem Ziel unterordnen, ein großer Koch zu werden. Ich möchte nicht verschweigen, dass ich immer zur zweiten Gruppe gehört habe ...

Welchen Rat haben Sie für den Nachwuchs, der sich gerne selbstständig machen möchte?
Da geht es nicht um das, was man möchte, da geht es darum, was möglich ist. Habe ich genügend Kapital und Ehrgeiz, mit wem gehe in Konkurrenz, wer sind meine Mitbewerber, habe ich eine gute Crew in der Küche, habe ich ein belastbares Konzept und bin ich selbst belastbar genug, das alles umzusetzen? Es reicht nicht, ein guter Koch zu sein, da müssen viele andere Segmente zusammenpassen und sich ergänzen. Und wer sich nicht sicher ist, sollte es auch nicht tun.

»Es geht nicht darum, was man möchte, sondern darum, was möglich ist.« 
Eckart Witzigmann, Jahrhundertkoch

Sie haben unzählige erfolgreiche Köche ausgebildet. Eine Tatsache, die Sie mit Sicherheit stolz macht. Verfolgen Sie nach wie vor das Leben Ihrer ehemaligen Schützlinge?
Da habe ich allen Grund, stolz zu sein. Mit den allermeisten bin ich immer noch in Kontakt und ich werde von vielen informiert, wo auf der Welt sie gerade tätig sind oder wohin sie sich verändern werden. Häufig werde ich um Rat gefragt, wenn es um berufliche Entscheidungen geht und dabei helfe ich gerne, wenn möglich. Ich sollte eine Beratungsfirma für dieses Segment eröffnen...

Coverstory aus Falstaff Karriere 06/17.

Witzigmann wurde von Falstaff KARRIERE für sein Lebenswerk geehrt.
© Ian Ehm
Witzigmann wurde von Falstaff KARRIERE für sein Lebenswerk geehrt.
Alexandra Gorsche
Alexandra Gorsche
Herausgeberin Profi
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