Paris zum fairen Preis

Hauptgerichte für 90 Euro, Menüfolgen für 250 bis 360 Euro – und reden wir besser nicht über die Weinpreise. Gut essen in Paris, das geht ins Geld. Doch noch gibt es Alternativen.

Das Lächeln kommt zuletzt. Zuerst, da gab es ein Ei, einen Gemüseraviolo, ein paar Scheibchen vom Hummerschwanz, ein Stück Steinbutt und ein wenig Geflügel. Jetzt, nach Käse und Dessert, kommt der Moment der Abrechnung. Rund 420 Euro pro Person, ohne Aperitif, aber mit dem günstigsten Wein des Hauses. Und zum ersten Mal setzt der schwarzgewandete Maître d’hôtel ein Lächeln auf. Vielleicht kalkuliert er gerade sein Trinkgeld.

Nicht noch ein Spitzenrestaurant
Manchmal kommt das Lächeln auch zuerst – und das ganz ohne pekuniären Hintergrund: etwa im »Comptoir du Relais« in Saint-Germain, wenn die Bedienung einen Wurstkorb und ein Holzbrett auf den Tisch stellt. Eigentümer Yves Camdeborde hat ein ganzes Genre begründet: »Ich habe im edlen Hôtel de Crillon gelernt«, erzählt der rundliche, dunkelhaarige Wirt, »aber noch ein Spitzenrestaurant eröffnen? Das wollte ich nicht. Also setzte ich meine »Aux Lyonnais« ist ein bezahl­bares Traditions­restaurant im Ducasse-Imperium / Foto: beigestelltKochkenntnisse in schlichtem Rahmen ein.« Vierzig Plätze nahe der Stadtautobahn, ein Drei-Gänge-Menü für 25 Euro. Manchmal, an Samstagen, kamen bis zu 200 Gäste in sein ers­tes Restaurant »La Régalade«, die mussten dann nach längerer Wartezeit ­verwöhnt werden. Heute ist Camdebordes Küche schlichter geworden: Salade niçoise, geschmortes Kalbfleisch und Terrinen stehen auf der Karte – ­außer abends, wenn die Bistrotische weiß eingedeckt werden und ein täglich wechselndes Menü für alle Gäste auf den Tisch kommt. Drei Monate im Voraus reservieren Pariser, um sich Taschenkrebs mit Apfelremoulade oder Jakobsmuscheln mit gesalzener Butter und Zitrusfrüchten schmecken zu lassen. Rund 50 Euro kosten die vier Gänge, für ­Pariser Maßstäbe ist das ein Geschenk.

1.000 Euro für ein Essen zu zweit
Paris ist teuer. Niemand kann das ­anders ausdrücken. »Ein wenig ­kostspielig« trifft es einfach nicht. ­»Verfügt über ein gehobenes Preisniveau« – das wäre im besten Fall snobistisches Understatement. »Nicht für den normalen Geldbeutel geeignet?« Klingt zu arrogant. Deshalb: Paris ist teuer. Und hier sind die Kostproben: Zur Einstimmung ein Champagnercocktail aus günstigem Schampus und viel Himbeersaft? Kostet 28 Euro. Vielleicht lieber zwei Gerichte à la carte? Die werden für 60 bis 125 Euro fakturiert. Pro Stück natürlich, nicht zusammen. Ein guter Kaffee zum Abschluss? Kommt sofort, zu Preisen zwischen sechs und 15 Euro, wobei letztere Version als »Café Gourmand« auch ein wenig Süßkram auf einem separaten Tellerchen bietet.

Bertrand Aboyneaus Bistro ist ein ­bezahlbarer Klassiker / Foto: beigestellt

Alles in allem werden in der Stadt an der Seine für ein gepflegtes Essen zu zweit mit Aperitif, Wein und Kaffee (den Digestif verkneifen wir uns mal, man will ja nicht prassen) leicht 600 bis 1.000 Euro fällig.

Historischer Background
Diese Preisgestaltung hat Tradition, seit 1765 in der Rue des Poulies (heute Rue du Louvre) ein gewisser Monsieur Boulanger sein »Restaurant«, eine Brühe aus Rebhühnern, Kapaunen, Kalb- und Hammelfleisch, serviert hat: Schon Voltaire beschwerte sich hier über die Preise. Boulanger jedenfalls wurde ­er­­folgreich, und dieser Erfolg stieg ihm zu Kopf: Der Restaurateur ließ sich in einer Droschke chauffieren, kleidete sich als Grandseigneur und frequentierte nur noch die hohe Gesellschaft. Nach Verleihung diverser Auszeichnungen verhalten sich heutige Pariser ­Köche genau wie ihr Altvorderer.

Alain Ducasse bekocht ­neben anderen auch das stylische Fisch-Bistro »Rech« / Foto: beigestellt

Lebensqualität im kulinarischen Alltag
Doch auch das »Comptoir du Relais« hat viele Nacheiferer gefunden: das »Ami Jean« in der Nähe des Eiffelturms etwa. Ein schummriger Laden, in dem sich die Tapete von der Wand schält. Tintenfischchen aus der Pfanne werden großzügig aufgetischt, Kalbsbries gibt’s mit Fuß vom gleichen Tier und einer Chili-Lasagne. Rund 32 Euro für drei Gänge. In der gleichen Preislage gibt es Schweineterrine mit Dattelpüree und Entenbrust in Tamarindensauce im zwanglosen »Pré Verre«. Erwähnenswert ist auch das »Grand Pan« mit seinen üppigen Koteletts von Rind, Schwein oder Kalb, serviert mit Fritten – der Lieferant ist auf der Tageskarte vermerkt, es sind stets Metzger, die zumindest in Frankreich einen Namen haben. Oder das Kalbsbries mit Steinpilzen, gefolgt von stämmigem Schokoladensoufflé im »Bistrot Paul Bert«. Ein altes Stück Paris, mit zwei Gast­räumen, die so wirken, als käme gleich Jean Gabin durch die Tür, Schiebermütze ins Gesicht geschoben, eine Bei Jean-François Piège kann man die Gerichte selbst zusammenstellen / Foto: Getty ImagesGauloises zwischen den Lippen. Bertrand Aboyneau heißt der Patron des Schmuckstücks: »Hier kochen wir das, was wir können«, sagt er, »und was wir nicht gut kochen können, das fassen wir nicht an.« So ­einfach ist das. Keiner der Pariser Bistrowirte möchte die Küche neu erfinden. Sie wollen aber eine Alternative zur industriellen Massenspeisung der Brasserien bieten, deren »Köstlichkeiten« oft in den Fabriken der Vorstädte vorgekocht werden. Grande Cuisine? Nein. Aber Lebensqualität im kulinarischen Alltag. Die ist in Frankreich so verwurzelt, dass auch prominente Köche ganz selbstverständlich ihre Bis­tros besitzen. Top-Cuisinier Alain Ducasse etwa lässt das stylische Fischlokal »Rech« und das urige Traditionsrestaurant »Aux Lyonnais« bekochen. Letzteres bietet mittags eine üppige Auswahl an Lyoner Wurstspezialitäten, Zanderklöße in Krebssauce und Apfelgratin für 28 Euro. Sämtliche Herren in der Küche haben in den besten Lokalen gelernt, eingekauft wird bei erstklassigen Lieferanten. Das schmeckt man. Abends hingegen sind beide Lokale deutlich teurer.

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Leistbare Restaurants und Hotels - Die besten Adressen in Paris

Text von Jörg Zipprick
Aus Falstaff Nr. 6/2011

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