© Gina Müler / Caroline Seidler

Orient: Das Mekka der gesunden Würzkunst

Bunt und duftend, alle Sinne ansprechend: Die arabische Gewürzvielfalt versetzt einen in die Welt von 1001 Nacht, haben doch Gewürze vielfältige Wirkungen, die über die geschmackliche hinausgehen und Gesundheit wie Wohlbefinden zuträglich sind.

Die orientalische Kulinarik ist untrennbar mit dem Einsatz vielfältiger Gewürze und Kräuter verbunden. Die Kompositionen sind außergewöhnlich aromatisch, intensiv und harmonisch. Denn ob Za’atar, Baharat, Rosenharissa oder Ras el-Hanout, die Krönung der Gewürzschätze Nordafrikas – bei den beliebten Mischungen handelt es sich um fein aufeinander abgestimmte Kombinationen von bis zu dreißig Gewürzen, die süß-fruchtigen und gleich­zeitig kräftig-würzigen Charakter aufweisen. Doch Kräuter und Gewürze werden seit Jahrhunderten nicht nur wegen ihres ­Aromas und der Farbe verwendet, sondern ebenso zur Lebensmittelkonservierung und für medizinische Zwecke. Schließlich weisen sie antioxidative, entzündungshemmende und antimikrobielle Effekte auf. Zudem wird manchen das Potenzial zugesprochen, aufgrund von cholesterol- und blutzuckersenkenden Wirkungen etwa das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-­Diabetes zu verringern. Verantwortlich für die Effekte sind die sekundären Pflanzenstoffe, Tannine, Alkaloide, Flavonoide und Polyphenole. In der orientalischen Küche vorkommende Gewürze strotzen nur so davon. Zwar zählen die detaillierten Zusammensetzungen der Gewürzmischungen oft zu den streng gehüteten Geheimnissen auf den Basaren, die wichtigsten Zutaten sind jedoch bekannt:

Bei Ras el-Hanout wird meist mit süßlich balsamischer Nelke, kräftig würzigem Kreuzkümmel und warm-holzigem Zimt nicht gespart. Hinzu gesellen sich etwa scharfe Ingredienzien wie Pfeffer, Chilischote und Ingwer sowie Koriander, Piment und Kardamom, ergänzt um blumige Noten von Lavendel und Rose.

Rosenharissa zählt gleichfalls zu den wichtigen Zutaten in der nordafrikanischen Küche und besteht in erster Linie aus Chilischoten, Peperoni, Knoblauch und Rosen­blättern sowie einem Mix aus rund vierzig weiteren verschiedenen Kräutern und Gewürzen.

Baharat bedeutet »Gewürz«, was die Vermutung zulässt, dass es einen hohen Stellenwert in der orientalischen Küche innehat. Die Mischung weist ein würzig-scharfes, kräftiges Aroma von Pfeffer, Peperoni, Kreuz- und Schwarzkümmel, Piment, Gewürznelken, Koriander und Knoblauch auf sowie etwas Süße von Zimt und ­Muskat, abgerundet mit Kardamom.

Bei Za’atar handelt es sich um eine Gewürzpaste, basierend auf geröstetem Sesam. Das arabische Wort Za’atar bedeutet ­»Thymian«, und die so genannte, sehr ­aromatische, wildwachsende Pflanze ähnelt geschmacklich ebenfalls Thymian, Majoran und Oregano. Neben Sesam und dem bezeichnenden Thymian sind Sumach, Oregano, Kreuzkümmel und Schwarz­kümmel enthalten.

© Gina Müller / Caroline Seidler

Gutes Bauchgefühl

Die Würzmischungen erzielen alle eine besondere Geschmackstiefe und vereinen einige potente Vertreter, wenn es um das Wohlbefinden geht. Konkret stehen verdauungsförderliche und keimabtötende Wirkungen im Vordergrund. Dafür sind in erster Linie die ätherischen Öle verantwortlich. Eugenol, jenes in Zimt, Piment und Gewürznelken, steigert die Produktion von Gallen- und Magensaft, fördert so die Verdauung und beruhigt Magen und Darm. Auch die ätherischen Öle in Kardamom, Koriander und Muskat regen die Verdauungssäfte an und helfen bei Völlegefühl und Magenkrämpfen. Ähnliches erzielt Capsaicin, der Scharfstoff, der in Chilischoten enthalten ist. Allerdings nur, wenn es in kleinen Mengen aufgenommen wird. Bei Überdosierung kann Capsaicin die Magenschleimhaut überreizen.

Kampf den Keimen

Andere Komponenten in den Mischungen wirken antibakteriell. Das trifft insbesondere auf Knoblauch zu (auch weil er nicht nur getrocknet, sondern als frische Zutat den Gerichten hinzugefügt wird).  Die enthaltenen Schwefelverbindungen Allicin und Alliin hemmen das Wachstum von Bakterien, Pilzen und Hefen bereits im Magen und reduzieren die Entstehung von entzündungsfördernden Zytokinen. Nicht gerade in der orientalischen Küche, aber für die kalte Jahreszeit relevant: Aufgekocht und inhaliert mildert Knoblauch die Symptome bei Atemwegsinfekten wie einer Erkältung, Bronchitis oder Husten. Das Thymol des Thymians wirkt ebenfalls gegen Bakterien. Ob dafür die Verwendung von Za’atar ausreicht, sei dahingestellt. Aber bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum wird mit Thymian gegurgelt, und als Tee oder Bestandteil von Hustensaft kommt er oft zum Einsatz. Antibakterielle und antivirale Eigenschaften weisen auch Kardamom und Gewürznelken auf. Bei Erkältungen sind jedoch nicht nur diese Effekte von Interesse, das Wärmende vom Zimt und Schweisstreibende der scharfen Gewürze wie Chili und Pfeffer unterstützen ebenfalls auf dem Weg zur Besserung.

Herz-Kreislauf-Booster

Abseits kurzfristiger Effekte scheint regelmäßiger Konsum von vielfältigen Gewürzen mit einem geringeren Risiko für Atemwegs- und koronare Herzerkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Mortalität verbunden zu sein. Vor allem das bereits erwähnte Capsaicin in Chilis ist, unabhängig von der Ernährungsweise, mit mehreren Benefits assoziiert. Es hält die Funktion der Blutgefäße und den Blutfluss geschmeidig, und kann sogar eine Rolle beim Gewichtsmanagement spielen. Das ist möglich, weil Capsaicin Thermogenese und Energieverbrauch ankurbelt und die Insulinwirkung verbessert. So lässt sich mit mehrmaliger Schärfe pro Woche das Gewicht leichter halten oder gar reduzieren.


Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2022

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Marlies Gruber
Autor
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