Oregon Pressing

Das Potenzial des Bundesstaats Oregon im Westen der USA für rote wie auch weiße Weine ist enorm.

Schon immer unterschieden sich Oregons Pinot-Noir-Winzer von jenen in Kalifornien durch ihr besseres Verständnis der raffinierten Vielfältigkeit, die die Sorte zulässt. Seit meinem letzten Besuch in Oregon sind vier Jahre vergangen – und heute ist der Pinot Noir dort besser denn je. Was aber auch am Klima liegt: Das Hauptanbaugebiet Willamette Valley wird durch Hügel von der Pazifikküste getrennt, doch gibt es Lücken, die maritime Winde ins Tal lassen – sie kühlen die Trauben ab. Die kurzen Hitzeperioden sind sehr selten, die Wachstumsperiode ist lang.

Diese Faktoren führen zu einer gleichmäßigen Reifung der Trauben. Zudem sind in den letzten Jahren die Weinernten gut ausgefallen. Abgesehen von 2009 waren alle Jahre seit 2007 kühl und brachten finessenreiche Weine mit einem durchschnittlichen Alkoholgehalt zwischen 13 und 13,5 Prozent hervor (2009 bis zu 15 Prozent). Die Weine vereinen Textur, Rückgrat und in vielen Fällen sogar köstliche Frucht, es erforderte allerdings große Anstrengung, ausbalancierte Weine mit guter Säurestruktur zu produzieren. Jahrgänge wie 2010 besitzen eine natürliche Säure, die den Weinen Eleganz und einen erfrischenden Charakter verleiht, sie haben beachtlichen Charme.

Jay Somers und Ernie Loosen sind Partner bei der J. Christopher Winery, sie konzentrieren sich auf Pinot Noir / Foto: beigestellt

In Oregon stehen zwei Ansätze im Vordergrund: Nachhaltigkeit und Appellationen. Die Weingüter setzen bewusst auf eine maximale Biodiversität. Eine breite Palette von Projekten und Zertifizierungen informiert den Konsumenten darüber, dass die Trauben so angebaut werden, dass dies nur minimale Auswirkungen auf Vegetation und Tierwelt hat. Viele Weingärten werden außerdem mit biologischen und biodynamischen Methoden bewirtschaftet.

Geschützte Herkunftsgebiete (AVAs) gibt es bereits seit einigen Jahren, und AVA-Gründungsmitglied Ken Wright besteht darauf, dass es tatsächlich Unterschiede zwischen den Subregionen Yamhill-Carlton, Chehalem oder Eola-Amity Hills gibt. Es ist klar, dass die Red Hills um Dundee mit ihren vulkanischen Böden andere aromatische Profile und Strukturen hervorbringen als Yamhill-Carlton mit seinen sedimentären Böden. Aber viele Faktoren wie Seehöhe, Rebendichte, Entwässerung, Wahl der Wurzelstöcke und Klone sowie Ernteregulationen beeinflussen die Weine, was für den Verbraucher nicht immer leicht herauszufinden ist.

Die Weine sind in den USA gefragt, die Preise daher hoch. Im Fall einiger Top-Produzenten wie Beaux Frères oder Antica Terra können die besten Abfüllungen bis zu 100 Dollar kosten. Es gibt aber viele Weine zu deutlich niedrigeren Preisen, die sich durch exzellente Qualität mit duftenden Aromen, eleganter Frucht und beachtlicher Struktur auszeichnen.

Die wichtigste Entwicklung in Oregon ist die Expansion der Weißweinproduktion. Der Chardonnay feiert ein Comeback, allerdings wird der mächtige eichengeprägte Stil, der einst so modern war, kaum mehr abgefüllt. Lediglich die Domaine Serene hält noch an einem buttrigeren Stil fest. Den stärksten Kontrast dazu bilden die Chardonnays von Beaux Frères, Drouhin und Soter, die während der Fassreifung mit keiner neuen Eiche in Berührung kommen, außerdem ein paar Weine, die überhaupt nicht in Holz gereift sind, wie Chehalems Inox oder der Bethel Heights Chardonnay. Oregons Winzer bemühen sich, neben dem guten Säuregrad und beachtlicher Mineralik die natürliche Zitrusfrucht, besonders die Limette, und die Marillennoten der Sorte zum Ausdruck zu bringen. Die besten Chardonnays, von Bergstrom, Evening Land, Hamacher sowie die Reserven von Lemelson und Ponzi, sind selten in mehr als 25 Prozent neuer Eiche gereift. Sogar der Chardonnay von Antica Terra, der zur Hälfte in neuer Eiche gegärt und gereift ist, zeigt sich nicht als holzlastig. Nur 400 Hektar sind insgesamt mit dieser Sorte bepflanzt – der Oregon Chardonnay ist also rar und wenig bekannt.

Karte Oregon / Illustration: Banca Tschaikner

Auch der Riesling kommt in Oregon gut an, nicht zuletzt wegen des Enthusiasmus von Harry Peterson-Nedry, dem Eigentümer von Chehalem, und der Eigentümer der Brooks- und Elk-Cove-Güter. Jay Somers vom Weingut J. Christopher behauptet allerdings, dass die Wachstumsperiode in Oregon für Riesling nicht lang genug ist. Und doch sprechen die Weine für sich: Oft legen sie beachtlichen Schwung und Vitalität an den Tag – trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass die besten Erzeuger aus der Wachau oder der Pfalz sich schon jetzt vor dieser Konkurrenz fürchten müssen. James Frey vom Weingut Trisaetum ist relativ neu in Oregon und besitzt zwei separate Weingüter. Auf beiden pflanzt er sowohl Riesling als auch Pinot Noir an und stellt aus beiden Sorten verschiedene Stile von Weinen her. Mit ihrer einladenden Frische sind die beiden trocken ausgebauten Rieslinge besonders erfolgreich.

Ein viel jüngeres Phänomen ist der Grüne Veltliner. Die wenigen aus Oregon, die ich verkostet habe – von Chehalem (ein zitroniger, süßsaurer Stil), von Bethel Heights (cremiger, schwerer) und von Raptor Ridge –, waren ausgezeichnet und voll von echtem Schwung und Vitalität. David Adelsheim glaubt, dass das Klima in Oregon die Herstellung von Weinen aus 100 verschiedenen weißen Sorten begüns­tigt – tatsächlich ist er einer der sehr wenigen US-Winzer, der Auxerrois produziert.

Verkosten wie im Burgund: im Keller der 2010 neu errichteten J. Christopher Winery / Foto: beigestellt

Maggie Harrison von Antica Terra reiste ­sogar nach Aosta, um zu sehen, welche ­seltenen weißen Sorten in Oregon funktion­ieren könnten. Nach ausgedehnten Reisen bekam sie einen Job auf Manfred Krankls ­Weingut Sine Qua Non in Kalifornien, wo sie acht Jahre blieb. 2005 animierte Krankl sie dazu, etwas Eigenes zu gründen. Harrison landete in Oregon, wo sie ein kleines Pinot-Weingut mit alten Rebstöcken entdeckt hatte, die eine hohe Fruchtkonzentration aufwiesen. Es kamen Partner hinzu, und das Weingut wuchs. Ihre ­Detailbesessenheit bei der Traubenauswahl oder auch bei der Überwachung der Gärung ist enorm, was zum Teil die hohen Preise für ihre Weine erklärt. Jedes Jahr kauft sie eine stolze Zahl neuer Fässer, entscheidet aber erst über ihre Verwendung, wenn sie ihre Weine hergestellt hat und die Struktur eines jeden versteht. So kann ein bestimmter Wein in einem Jahrgang in großteils neuer Eiche gereift sein und im da­rauffolgenden Jahr in gar keiner.

Harrisons »Aurata« Chardonnay ist herausragend und wahrscheinlich der beste, aber mit Sicherheit der komplexeste, den ich in Oregon probiert habe. »Das Klima garantiert«, sagt sie, »dass der Chardonnay immer ein gutes Säurerückgrat besitzt und niemals schlaff ist, unabhängig von den Erträgen und der Reifung.« Ihre Pinots sind genauso bemerkenswert, ebenso der Rosé, den sie aus dieser Sorte herstellt. Sie lässt den Wein drei Tage lang auf den Tres­ter-Rückständen gären, bevor sie den Saft in die Fässer füllt, also dann, wenn die Aromen am intensivsten sind. Der Wein kombiniert die Textur eines Chardonnays mit der fruchtigen Süße des Pinots, ohne auch nur ein bisschen schwer zu wirken. Was Maggie Harrison als Nächstes tun wird, ist schwer vorherzusagen, aber interessant wird es bestimmt.

Grüner Veltliner in den USA

Text von Stephen Brook
Aus Falstaff Nr. 02/2013

Stephe Brook
Autor