Zum 60. Jubiläum des Opernballs erstrahlte die Wiener Staatsoper 2016 in vollem Glanz.

Zum 60. Jubiläum des Opernballs erstrahlte die Wiener Staatsoper 2016 in vollem Glanz.
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Opernball-Geschichte: Ihr Auftritt bitte!

Der Wiener Opernball wird wie jedes Jahr als das schillerndste Ball­ereignis des Jahres zelebriert. Das Who’s who aus Politik, Film und Wirtschaft tanzte dort bereits auf dem Parkett und schrieb Geschichte. Wir laden zu einer ganz persönlichen Zeitreise ein, die durch Höhen und Tiefen führt.

Das Fernsehen ist »an allem schuld« – auch daran, dass sich der Opernball vom Wiener Nobelfest zur Weltmarke gemausert hat. Der Homo -sapiens glaubt ja gewohnheitsmäßig nur, was er sieht. Den Opernball sieht er jedoch, weil er es nicht glauben kann. 
Denn das gleißende Licht der Scheinwerfer zieht alle möglichen Nachtfalter an, deren hektisches Geflatter in prekären Outfits irritiert. Aber solange es den Bundespräsidenten (Obacht: Alexander Van der Bellen präsidiert heuer erstmals!) nicht verstört, dass bei dem von ihm ehrengeschützten Ereignis vereinzelt Porno-Diven und Soap-Baumeister auftauchen, müssen wir nicht päpstlicher sein als der Papst. Apropos: Der war nun wirklich noch nie beim Opernball. 
Alles begann mit dem »neuen« Haus, aber noch nicht gleich. 1869 wurde das Hofoperngebäude am Ring eröffnet, das ausdrücklich auch für die Abhaltung von Ballveranstaltungen vorgesehen war. Allerdings fanden die »Hofopernsoiréen« zunächst im Musikverein statt – schuld mag der Kaiser gewesen sein, der Tanzereien nicht schätzte und kaum besuchte –, für jene anno 1873 komponierte Johann Strauß den Walzer »Wiener Blut«, der heute noch die TV-Übertragungen begleitet.

Operngeschichte im Zeitraffer

Erstmals im Haus am Ring durfte das Ball­ereignis am 11. Dezember 1877 stattfinden, zwischen 1878 und 1929 nannte man es Opernredoute, ab dem 26. Jänner 1935 ­endlich Opernball – und wenige Monate später wurde übrigens der nachmalige Direktor Ioan Holender geboren. 
Zwischen 1940 und 1955 kam es zur Zwangspause, zunächst aus Kriegsgründen, dann in Ermangelung des Opernhauses, das im November 1955 wiedereröffnet wurde. Seit dem ersten Nachkriegs-Opernball 1956 berichtet das österreichische Fernsehen von diesem, seit 1972 bietet es Gesamtübertragungen des Ereignisses, die bis in die entlegensten Weltgegenden von der Erhabenheit österreichischer Vergnügungssucht künden. 1991 fiel der Ball aufgrund des ersten Golfkriegs aus, seit 1992 gibt es – trotz aller Kriege – wieder Opernbälle.

Skandale und Beständigkeit

Kleine und größere »Aufreger« begleiten den Ball, zumindest seit das TV präsent ist, und es ist stets Geschmackssache, worüber man sich aufzuregen gedenkt. Darüber, dass Bundeskanzler Bruno Kreisky im Fernsehinterview mit Starmoderator Heinz Fischer-Karwin gestand, vor einer drohenden Damenwahl »auf ein Häusl« geflüchtet zu sein? Darüber, dass bei der von Renato Zanella gestalteten Eröffnung 2004 die Hosen der Balletttänzer fielen? Oder über den Schauspieler Hubsi Kramar, der, als Hitler ausstaffiert, anno 2000 den Opernball zu entern versuchte?
Alljährlich für das eine oder andere Aufregerl gut ist Richard »Mörtel« Lugner, der mit zweitem Namen eigentlich Siegfried heißt. Das Phänomen wurde sogar wissenschaftlich beleuchtet: Verhaltensforscher Antal Feste­­tics etwa gewann dem Ball Aspekte einer »Fledermaus«-Aufführung ab, »bei der das Publikum auf der Bühne hopst« und die Rolle des Frosches »ein greiser, sexual-exhibitionistischer Baumeister spielt«. 2009 wurden Richard Lugner und das Geheimnis seiner Prominenz gar Gegenstand einer Diplomarbeit.
Dabei bewies der biedere Baumeister, der so gerne – um mit Nestroy zu sprechen – ein verfluachter« Kerl sein möchte, 1994 weltpolitischen Weitblick, als er Ivana Trump, die Damals-schon-Exfrau des neuen US-­Präsidenten auf dem Ball vorführte. 

Der Opernball hat sich vom Wiener Nobelfest zur Weltmarke gemausert. Seit 1972 werden die Ballfreuden bis in die entlegensten Weltgegenden ausgestrahlt. 

Raquel Welch, Claudia Cardinale, die Loren und die Dunaway gaben ein Niveau vor, das auch ihr Gastgeber nicht unterschritt. Seit er sich mehr und mehr für Pop-Sternchen entscheidet, die nach allzu langen Toilettenaufenthalten das Weite suchen, sieht man den betagten Herrn mit bedauernswerten Sorgenfalten die viel zu hohen Kosten für das erreichte Nichts beklagen. Das waren noch Zeiten, als die TV-Kamera den zufrieden ­resümierenden Lugner beim totalen ­Adoptionsversuch erwischte: »Der Lugner-Ball war ein großer Erfolg.«Es ist bequem, Skandale, Skandälchen und Revolutionen vom Fernsehsessel aus zu verfolgen. Doch wenn sich die Vorausberichterstattung auch regelmäßig überschlagzeilt (»Alles neu am Opernball …«, »Mega-Ballaufreger«), schön ist doch vor allem das, was nicht schiefgeht und was sich verlässlich nicht ändert: Es gibt Blumen, es gibt Fräcke, es gibt Ballett, und vor allem ziehen die braven Debütantinnen und Debütanten zur Fächerpolonaise ein und tanzen etwas später ihren ersten weltöffentlichen Donauwalzer.

Damenwahl

Seit über sechzig Jahren ist der Opernball weiblich. Die 2013 hochbetagt verstorbene Christl Schönfeldt amtierte als erste Nachkriegs-Ballmutter von 1956 bis 1980, ihre Nachfolgerin war die ehemalige Schauspielerin Lotte Tobisch. 
Während eines dreijährigen Interregnums von 1997 bis 1999 führte Eva Dintsis – die auch vorher und nachher unentbehrlich in der Ballorganisation war und ist – die Ballgeschäfte. Seit der Ausgliederung 1999 speist der Ball das Budget der Staatsoper, was in Langzeitdirektor Ioan Holender jähes Interesse an der bislang verachteten Zweckentfremdung »seines« Hauses entfachte. Er engagierte Elisabeth Gürtler als Zeremonienmeisterin, veranstaltete zum Auftakt des Balls einen Künstlereinzug – und musste doch damit leben, dass 2000 aller Augen gebannt auf die Mitglieder der neuen schwarz-blauen Regierung blickten.
Opernball-Abc
Seit 2001 sitzen Karl Hohenlohe und ich, Christoph Wagner-Trenkwitz, als doppelköpfiges Ball-Inventar im Kommentatoren-Kammerl. An eine Organisatorin, jünger als wir, mussten wir uns ab 2008 mit Desirée Treichl-Stürgkh gewöhnen. Seit »Desy« 2016 über­raschend ihren Rücktritt bekannt gab und der Staatsoperndirektor die Neue kürte, fühlen wir Ball-Muppets uns geradezu als Senioren: Maria Großbauer ist erst 36 Jahre alt, Werbefachfrau und stammt aus dem Musik-Adel des Landes. Ihr Vater ist pensionierter Philharmoniker – ein Posaunist, der auch jahrzehntelang den Philharmonikerball musikalisch mitbetreut hat –, ihr Mann Andreas Großbauer der amtierende Philharmonikervorstand und zuvor deren Ballchef. Allerlei selbst erarbeitete, ererbte und angeheiratete Kompetenz bündelt sich also in Frau Großbauer. Seien wir darum gespannt auf ihre Neuerungen, aber vergessen wir nicht: Das Wichtigste am Opernball ist das, was sich nicht ändert.
Karl Hohenlohe und ich haben vor etwa zehn Jahren einen – nicht ganz ernst gemeinten, aber was meinen wir schon ganz ernst – Lexikonartikel verfasst, in dem wir das Ballfest respektlos als »Spitze, die größer ist als der dazugehörige Eisberg«, bezeichneten. 
Wir begannen unser »Kleines Opernball-ABC« mit dem legendären Modeschöpfer Adlmüller »Fred« (wer erinnert sich noch an ihn?) und endeten mit einer Buchstabenkombination, die auch diesen Beitrag beschließen möge: »XY ungelöst – der Opernball ist ein Rätsel zwischen Zauber und Zores, und das wird er immer bleiben!«
Aus dem Falstaff Spezial Opernball 2017.

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