Henriette Rois beherrscht die urösterreichische Kulturtechnik des Strudelbackens mit schlafwandlerischer Sicherheit.

Henriette Rois beherrscht die urösterreichische Kulturtechnik des Strudelbackens mit schlafwandlerischer Sicherheit.
© Julia Stix

Nur net hudln beim Strudln!

Strudel machen ist eine aussterbende Kunst. Henriette Rois vom gleichnamigen Gasthaus zeigt, wie es richtig geht. Schmeckt unvernünftig gut – und ist eigentlich gar nicht schwer.

Draußen ist es oft noch dunkel, wenn Henriette Rois die Scheiter in den alten Holzherd schlichtet und Feuer anfacht, bevor sie sich ans Strudeln macht. Früher einmal, als ihr Mann neben dem Gasthaus noch die Greißlerei und die Tankstelle von Mönichkirchen am Wechsel betrieben hat, war sie jeden Tag in aller Früh auf den Beinen, um den Strudelteig zu walken und auszuziehen. Heute geht sie es manchmal schon ein bissl gemütlicher an, was aber keineswegs daran liegt, dass der 69. Geburtstag nicht mehr gar so weit weg ist – sondern nur an der schütteren Gästelage des einst begehrten Schi- und Wandergebiets südlich von Wien. Auch die Greißlerei ist seit ein paar Jahren geschlossen, die Tankstelle gibt es schon lange nicht mehr.
Die Strudel freilich macht Frau Rois bis heute wie seit jeher selbst: vom Teigwalken und gefühlvoll routinierten Ausziehen bis zum großzügigen Einbuttern des fertig gerollten Prachtstücks samt anschließendem Backen in der Rein. Dass sie damit zu einigen der Letzten ihrer Zunft gehört, die diese urösterreichische Kulturtechnik noch aus dem Handgelenk beherrschen und mit größter Selbstverständlichkeit auch alltäglich anwenden, ist ihr selbst gar nicht bewusst. »Das ist doch das Normalste überhaupt«, sagt sie, »ein Strudel für die Supp’n und einer als Nachspeis’.« Das war laut Frau Rois das Minimalprogramm in den vergangenen 45 Jahren, in denen sie das Gasthaus bekocht und betrieben hat. »Wenn mehr los war – oder auch in der Fastenzeit – ist oft noch der eine oder andere dazugekommen. War auch kein Problem!«

Seit nunmehr 45 Jahren bäckt Henriette Rois täglich zwei Strudel – und das ist das Minimalprogramm.
© Julia Stix
Seit nunmehr 45 Jahren bäckt Henriette Rois täglich zwei Strudel – und das ist das Minimalprogramm.

Die Rezepte auf den folgenden Seiten sind nur Annäherungen an die Strudelkunst der Henriette Rois, sie selbst verwendet nämlich weder Waage noch Messbecher beim Kochen. Mehl wird freihändig auf die Arbeitsfläche geschüttet, Salz ebenso. Das Öl – »eh nur a bisserl, damit der Teig geschmeidig wird« – wird mit lässigem Schlenker aus der Flasche hinzugegeben.
»Ja mei, des hat man nach so vielen Jahren schon im G’spür.« Diese Art des Kochens ist akut vom
Verschwinden bedroht, und mit ihr ein Geschmack, dem sich im »Gasthaus Rois« am Wechsel noch unverfälscht nachspüren lässt. Und das nicht nur bei den Strudeln – ob gebackener Fleisch- oder gekochter Grießstrudel in der Rindsuppe, himmlisch knuspriger, zart säuerlich-saftiger Apfelstrudel oder – in der Saison – gerne auch Marillenstrudel.
Die Krautrouladen, nach alter Schule nur mit Schweinefleisch gefüllt und mit einem schmalzigen, dezent paprizierten Saftl versehen, das noch das Aroma des Holzofens atmet, sind grandios. Und erst das Schnitzel, von in Mutterkuhhaltung gezüchteten Kälbern: hohe Wirtshausperfektion – saftig und keinesfalls zu dünn geklopft, mit krach-köstlicher Panier der extraduftigen Art, in tiefem Herbstgold gehalten, wie es nur eine gefühlvoll gehandhabte Schmalzpfanne hervorbringt. Das mag alles gut und schön sein, spätestens zur Nachspeis’ aber kommt man um einen der famosen Rois-Strudel nicht herum. So saftig und doch knusprig, so mollig, butterschwanger und doch verdaulich bekommt man die sonst kaum noch wo. Strudel wie diese sind es, die dieses Wirtshausrelikt endgültig ins Traumhafte erheben.
Wie’s geht, hat Frau Rois uns Schritt für Schritt und mit allen Kniffen und Details auf den vorhergehenden Seiten beschrieben. Danke dafür – und auf viele köstliche Jahre!


Gasthaus Rois
Mönichkirchen 13,
2872 Mönichkirchen
T: +43 2649 20903

Erschienen in
Falstaff Rezepte 02/2018

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Severin Corti
Severin Corti
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