Sich ständig neu erfinden: Der Fokus des »Next« in Chicago.

Sich ständig neu erfinden: Der Fokus des »Next« in Chicago.
© Christan Seel

Neuanfang Nonstop: »Next« in Chicago

Das »Next« in Chicago hat das derzeit wohl innovativste und intelligenteste kulinarische Konzept überhaupt.

Gegen die Langeweile

Die Entenpresse. Die Enten­pres­se veranschaulicht, was das »Next«, das einzigartige Res­taurant von Drei-Sterne-Koch Grant Achatz, ausmacht. Das »Next« erfindet sich drei Mal pro Jahr neu. Neues Thema. Neues Land. Neue Zeit. Permanenter Wechsel als Markenzeichen. Achatz, der Zungenkrebs überlebt hat, begründet das im Falstaff-Interview mit seiner Persönlichkeit: »Ich langweile mich schnell. Ich will nicht an ein einziges Konzept gekettet sein.«

Bastelarbeit

Die Entenpresse kaufte Achatz für das Menü »Paris 1906« – fran­zösische Küche zu Zeiten von Auguste Escoffier. Er musste lange suchen. Schließlich fand er die Presse in Maine. Die bisherigen Themen im »Next«: Modernes China, Chicago Steakhouse, Bocuse d’Or (der Kochwettbewerb in Frankreich), Vegan, Die Jagd, Kaiseki (das Essen zur japanischen Teezeremonie), Sizilien, El Bulli, Kindheit und Geschmäcker Thailands. Derzeit ist das Motto »Terroir«. Das Prinzip? »Wir nehmen das Thema, dekons­truieren es, bauen es anders zusammen und präsentieren es in unserer neuen Interpretation.«

Küche im «Next»: nie Routine, immer lernen. Jedes Thema wird zu einer Herausforderung für das Team.
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Küche im «Next»: nie Routine, immer lernen. Jedes Thema wird zu einer Herausforderung für das Team.

Aller guten Dinge sind drei

Im »Next« ist die Küche offen, alles ist eine große Einheit. »An jedem Tisch gibt es einen Platz, von dem aus man beste Sicht in die Küche hat«, sagt Küchenchef Dave Beran. Für das »Terroir«-Konzept haben Achatz und Beran zuerst die Weine ausgesucht und im Anschluss daran die Gerichte um sie herum entwickelt. Es gibt beispielsweise drei Chenin Blancs gleichzeitig: einen aus Frankreich, einen aus Südafrika, einen aus Kalifornien. Dazu macht Beran Stör mit Frühlingszwiebeln und Erdnussvariationen. »Chenin Blanc riecht wie ein Peanutbutter-and-jelly-Sandwich. ­Er wird zu weißfleischigem Fisch serviert und hat eine gute Säure. Also haben wir geräucherten Stör genommen, der gut mit den Brotaromen harmoniert. Erdnussaromen ­finden sich auch in dunkel gerösteten Frühlingszwiebeln. Die drei verschiedenen Terroir-Aromen des Weins vervollständigen alles zu drei leicht unterschiedlichen Geschmacksbildern.«

Champagner und Chips

Ähnlich gut funktioniert das beim Gang »Krug Grande Cuvée«. Drei Mal derselbe Champagner, aber aus verschiedenen Gläsern, die ihn jedes Mal anders schmecken lassen. Drei kleine Gerichte, die die Aromen des Cham­pagners aufnehmen, verstärken, ergänzen. In diesem Fall Dill-Creme, Kartoffel-Chips und Popcorn. Dann ein Haselnuss-Biskuit mit Kaviar. Und schließlich Popcornsuppe.
Die Schnecken aus Kalifornien später im Menü sind auf Piniennadeln und Basilikum angerichtet – ihrem Terroir sozusagen. Dazu ein Cabernet Sauvignon aus Kalifornien, der eben diese Kräuter- und Piniennoten hat.

Auch optisch geben die Kreationen im «Next» viel her.
© Christian Seel
Auch optisch geben die Kreationen im «Next» viel her.

Tägliche Herausforderung

Der »Next«-Ansatz ist eine finanzielle Herausforderung. Immer wieder müssen Besteck, Teller, Dekoration, Küchengeräte neu gekauft werden. »Vieles lassen wir anfertigen, wie die Metall-Tischdekoration für China. Ich weiß nicht, was wir jetzt damit oder mit der Entenpresse machen sollen«, lacht Achatz.
Noch größer ist die Herausforderung für das Personal. Nie Routine, immer lernen! In den Wochen vor dem Wechsel beschäftigen sich alle eine Stunde am Tag mit dem neuen Konzept, das im kleinen Kreis ausgearbeitet wurde. Am Dienstag nach dem letzten Abend mit dem alten Menü proben alle Köche die einzelnen Gänge. Am Mittwoch kochen sie das gesamte Menü unter Echtzeitbedingungen. Im Gastraum testen die Kellner derweil Abläufe und Erklärungen. Donnerstag und Freitag  ist »mock service«: Freunde und Kollegen ersetzen die echten Gäste. Am Samstag geht es los. »Diese andauernde Erneuerung hält alles frisch«, sagt Achatz.
Mehr über das »Next« und wie Achatz das Thema »Alpen« umsetzen will, finden Sie im Falstaff-Magazin 15/09
Text von Christoph Teuner

Aus Falstaff-Magazin 15/09

Christoph Teuner
Christoph Teuner
Redakteur
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