Natürliche Käserebellen

Heumilch wird immer beliebter und die »reinsten Milch« ­wird meist zu Käsespezialitäten verarbeitet.

Wenn um halb sechs Uhr morgens bei Karl Neuhofer der Wecker läutet und er in den Stall geht, um seine Kühe zu versorgen, weiß er, dass seine Arbeit etwas ganz Besonderes ist. Neuhofer ist nämlich nicht nur Milchbauer, sondern Bio-Heumilchbauer – und das »aus Überzeugung«, wie er betont.

Nischenprodukt
Als Landwirt und Obmann der ARGE Heumilch, die 2004 ins Leben gerufen wurde, um der Heumilchwirtschaft in Österreich wieder Aufwind zu verleihen, hat er sich ganz dem Qualitätsgedanken verschrieben. Waren es 1970 noch 80 Prozent, so entfallen heute nur mehr rund 15 Prozent der gesamten Milchproduktion auf Heumlich, im EU-Schnitt sind es gar nur drei Prozent – es handelt sich also um eine echte Rarität.

Heumilch boomt seit einiger Zeit, denn die Konsumenten »bekommen wieder Lust aufs Land«. Das bestätigte auch das renommierte Marktforschungsinstitut von Sophie Karmasin durch eine Studie. Heumilch hat aber nicht nur einen emotionalen Mehrwert. Den Unterschied zu konventioneller Milch ­schmeckt man auch: »Feine Kräuter und Gräser machen das Heu für die Kühe besonders schmackhaft. Dieser Geschmack spiegelt sich auch im Aroma der Milch wider«, weiß Käsesommelière Christina Nußbaumer. Die »reinste Milch«, als die sie gerne beschrieben wird, kann auch unter dem Gesundheitsaspekt punkten. Durch den ­totalen Verzicht auf Silagefutter (Gärfutter) weist Heumilch etwa einen doppelt so hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren auf wie Standardmilch, belegt eine Studie der Wiener ­Universität für Bodenkultur.

Die »reinste Milch« zeichnet sich durch ihr Aroma und ihre Inhaltsstoffe aus / Foto: FotoliaGekennzeichnete Qualität
Der Trend zur Bodenständigkeit ist auch in den Regalen der Supermärkte bemerkbar. In den vergangenen Monaten ist das Angebot an Heumilch und ihren Produkten rapide ­gewachsen. Nahezu jeder Discounter bietet Trinkmilch, Butter und Käse als Heumilch­produkte an. Wie aber kann man sich als Kunde sicher sein, dass auch wirklich Heumilch drinsteckt, wenn Heumilch draufsteht? »Heumilchprodukte erkennt man am AMA-Güte­siegel in Kombination mit dem Heumilch-Logo«, erklärt Neuhofer. Produkte mit dieser Kennzeichnung unterlägen strengsten Kontrollen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Anders verhalte sich das bei unseren deutschen Nachbarn: »Dort werden Produkte unter dem Namen ›Heumilch‹ verkauft, wenn die Kühe gerade mal am Heu vorbeigegangen sind.« Christina Nußbaumer sieht den Heumilch­trend sehr positiv: »In Zeiten von stark verarbeiteten Convenience-Produkten, Gentechnik und lebensmitteltechnologischen Irrgärten ist es für die Konsumen­ten wichtig, ihre Kauf­entscheidung aufgrund von Qualitätskriterien treffen zu können.«

Vielfältiger Käsegenuss
Die Heumilch-Produktpalette ist vielfältig und umfasst aktuell rund 500 Artikel, die mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet sind. ­Neben Trinkmilch werden auch Butter oder Joghurt hergestellt. Der Hauptanteil wird aber immer noch zu Käse verarbeitet: »Die Vor­züge der Milch kommen hier am besten zum Tragen«, so Neuhofer.

Der Großteil der ­Heumilch wird zu Käse verarbeitet / Foto: ARGE Heumilch
Der Großteil der ­Heumilch wird zu  Käse verarbeitet

»Heumilchkäse präsentiert sich durch die vielfältigen Kräuter und Gräser geschmacklich aromatischer. Fehlgärungen können vermieden werden, dies ist hinsichtlich der Hartkäse­produktion von besonderer Bedeutung«, weiß ­Käsesommelière Nußbaumer. Heumilch hat aber einen weiteren wesentlichen Vorteil in der ­Verarbeitung, denn die 60 Heumilch verarbeitenden Sennereien und Käsereien in Österreich können auf künstliche Zusatzstoffe verzichten. Die Heumilch gelangt außerdem täglich frisch von den Bauern zu den Betrieben – bei konventioneller Landwirtschaft wird üblicherweise im Zwei-Tages-Rhythmus Milch geliefert.

Schmankerl
Im Hinblick auf Heumilchkäse seien gerade Vorarlberg, Tirol und Salzburg federführend, so Nußbaumer: »Für mich als Salzburgerin sind natürlich die Produkte der Salzburger Heumilchregionen (Flachgauer Heumilchkäse sowie Tennengauer Heumilchkäse) besonders interessant.« Und sie hat auch gleich passende Genusstipps parat, etwa die Weichkäse vom Fürstenhof in Kuchl: »Niki Rettenbacher produziert Bio-Rohmilchkäse aus feinster Tennengauer Heumilch. Ein besonderes Schmankerl stellt sein ›Zwiefacher‹ dar, ein Weichkäse mit blauem Edelschimmel im Käseteig und weißem Edelschimmel an der Käserinde.« Als universeller Heumilchkäse in der Küche einsetzbar ist laut Nußbaumer der Tyroler Raclette von Pinzgau Milch. Die Sulzberger Käse­rebellen aus Vorarlberg schätzt sie für ihre besonders innovativen Heumilchkäse wie den zur Jahreszeit passenden g’schmackigen Nussrebellen oder den Bergkräuterrebellen. »Die Vorarl­berger sind sicherlich die Profis im Hartkäsebereich. Heumilchkäse-Schmankerln aus dem Bregenzer Wald oder aus dem Walser Tal lassen jedes Käseherz höherschlagen«, schwärmt Nußbaumer. Noch relativ jung im Heumilchrepertoire sind Schafmilch und Ziegenmilch, ihre Bedeutung werde aber immer größer, auch was die Käseerzeugung betrifft, so Neuhofer.

Karl Neuhofer ist Heumilchbauer aus Überzeugung / Foto: ARGE Heumilch

Und wie sieht es mit dem Zukunftspoten­zial der Heumilch aus? »Sie wird immer ein Nischenprodukt im Premiumsegment bleiben«, sagt Neuhofer. Eine kontinuierliche, aber bescheidene Steigerung in den Mengen könne er sich aber dennoch vorstellen. Und wenn sein Arbeitstag auf dem Hof zu Ende geht, dann gönnt sich der Obmann der ARGE ­Heumilch – wie könnte es auch anders sein –  gerne ein Stück Heumilchkäse: »Am liebsten einen neun bis zwölf Monate gereiften Bergkäse und dazu ein Glas Wein.«

Text von Marion Topitschnig
Aus Falstaff Nr. 07/2012

Marion Topitschnig
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