Mythos Burgund

Kaum ein Anbaugebiet ist so komplex und gleichzeitig so faszinierend wie das Burgund.

Burgund, das ist das Land ­legendärer Grands Crus wie Romanée-Conti oder Le Montrachet, feinste Weine, die zu märchenhaften Preisen verkauft werden. Gerade in jüngster Zeit haben auch die Eliten im Fernen Osten nach dem Bordeaux-Boom rund um Lafite-Rothschild und Co. die Spitzen-Domaines der Côte-d’Or ins Visier genommen. Bei Auktionen in Hongkong schnellten die Preise für die gesuchten Burgunder von DRC, Coche-Dury oder Rousseau in astronomische Höhen. Dabei macht diese Gruppe von Weinen nicht einmal ein Prozent der Produktion der Côte-d’Or im Herzen des burgundischen Weinlandes aus. Diese Region ist komplex, vielschichtig, aber für Nichteingeweihte auch ein wahres önologisches Minenfeld. Nicht weniger als 562 Premiers Crus und 33 Grands Crus gibt es derzeit. Wir raten: Nur Mut, vertrauen Sie auf Ihren Gaumen!

Burgund, das ist aber auch eine sehr klein strukturierte, ja bäuerlich wirkende Weinbaure­gion, in der die einzelnen Winzer in der Regel nur über wenige Hektar Rebfläche verfügen, die sie mit ihrer Familie bewirtschaften. Diese Kleinteiligkeit ist das Ergebnis des französischen Erbrechts, festgeschrieben im legendären Code Napoléon.

Gilt als der beste Winzer der Welt: Aubert de Villaine von der Domaine de la Romanée-Conti / Foto: beigestelltGrößere Mengen eines Weins kann man im Burgund nur bei den Weinhandelshäusern bekommen, die über viele Jahrzehnte für den nationalen und internationalen Vertrieb der Produkte gesorgt haben. Mit dem wachsenden Interesse und dadurch steigenden Preisen ist es den Familienbetrieben immer besser gelungen, sich auf die qualitative Komponente ihrer Arbeit zu konzentrieren.

Fakt aber bleibt: Die feinsten Weine kommen aus den bevorzugten Terroirs, also den Premiers und Grands Crus – die Anzahl der Flaschen kann auch bei steigender Nachfrage nicht wachsen. Daneben ist aber das Burgund, das neben der berühmten Kernzone, der Côte-d’Or, ja auch noch aus dem Chablis, der Côte Chalonnaise und dem Mâconnais besteht, ein wahrer Hort für erstklassige Weiß- wie Rotweine, die nur ­darauf warten, entdeckt zu werden. Bewegt man sich etwa abseits der ausgetretenen Bahnen, dann kann man großartige Weine zu günstigen Preisen finden.

Wir möchten Ihnen einen kleinen Leitfaden an die Hand geben, der Sie auf halbwegs sicheren Bahnen durchs Burgund führt. Die Vielfalt der verschiedenen Regionen wird Sie ebenso überraschen wie die große Zahl an preiswerten Weinen – von finessenreichen mineralischen Chardonnays des kühlen Chablis über die weltberühmte Côte-d’Or mit ihren flüssigen Legenden bis zu den stoffig-würzigen Rotweinen im südlichen Teil Burgunds. Um diese facettenreiche Region besser verstehen zu können, gibt es im Grunde nur eines: Fahren Sie einmal im Urlaub hin! Ich kenne niemanden, den dieses faszinierende Anbaugebiet nicht in seinen Bann geschlagen hätte. Und dass es hier eine große Zahl von Weinen mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis gibt, haben wir bei unserer großen Verkostung festgestellt. Hunderte von Produkten aus den Sortimenten der führenden Weinhändler aus Deutschland und Österreich haben wir probiert (siehe Tasting).

Keller der Domaine de la Romanée Conti / Foto: beigestellt
Keller der Domaine de la Romanée Conti

BURGUND UND BORDEAUX
Premier Cru ist nicht Premier Cru – Die französischen Weinregionen stecken voll von Eigenheiten. Im Bordelais wurden Châteaux im Jahr 1855 klassifiziert: Premier Grand Cru (Lafite, Latour und Co.), Deuxième Grand Cru (Cos, Ducru, Pichon etc.) bis zum Fünftgewächs. Dabei stellt die Klassifikation nur auf den Besitzer ab. Kauft also ein Premier Grand Cru Classé seinem Nachbarn, einem Cru Bourgeois, ein paar Hektar in seiner Appellation ab (z. B. Mouton in Pauillac), dann wird diese Fläche Teil des Premier Grand Cru Classé. Im Bordelais sind also die Betriebe eingestuft, nicht aber die Lagen an sich.
Im Burgund zählt nur die Lage – Ganz anders ist die Sache im Burgund: Zwar bildet auch hier eine simple Appellation Bourgogne Contrôlée die Basis, so wie auch die Bordeaux Appellation Controlée. Dann aber ist die exakte Herkunft der Traube von eminenter Bedeutung. Die Qualitätspyramide der Lagen (auch als »Climat« bezeichnet) wurde 1930 gesetzlich verankert und sieht 100 Appellationen und eine Hierarchie von vier Niveaus vor. Ganz oben stehen die flächenmäßig klar bestimmten 40 Grands Crus (Côte-d’Or und Chablis), dann kommen klassifizierte »Lieu-dits« in der Côte-d’Or, Chablis und Côte Chalonnaise: Das sind namentlich definierte Premiers Crus und deren Subrieden. Den dritten Rang bilden die 44 Gemeinde-Appellationen (z. B. Gevrey-Chambertin AC) oder Village-Weine (z. B. Mâcon-Village AC) und viertens die
23 regionalen Appellationen.

Burgund Karte / Illustration: Bianca Tschaikner

BURGUND – REGIONEN
1. Côte-d’Or, Côte de Nuits – Der nördliche Teil der Côte-d’Or heißt Côte de Nuits nach dem Ort Nuits-Saint-Georges. Hier dominiert der Pinot Noir nicht nur die Weinberge, sondern es wachsen auf einer relativ kleinen Rebfläche von rund 1600 Hektar nach übereinstimmender Meinung auch die weltweit besten Vertreter dieser finessenreichen roten Rebsorte. Das Gebiet verfügt über nicht weniger als 24 Grand-Cru-Zonen, das berühmteste Weingut heißt Domaine de la Romanée-Conti, der Inbegriff für exklusiven Weingenuss.
2. Côte-d’Or, Côte de Beaune Aus Meursault und den beiden Montrachet-Gemeinden Puligny und Chassagne kommen neben dem Corton-Charlemagne, der sich im Norden der Stadt Beaune befindet, die gesuchtesten Weißweine aus der Sorte Chardonnay. Aber von der Côte de Beaune stammen ebenso gut strukturierte Rot­weine, wie jene aus dem einzigen roten Grand Cru, dem Corton, den Toplagen der Stadtgemeinde selbst sowie aus Volnay und Pommard. Den legendären Grand Cru Le Montrachet, den teuersten Weißwein der Welt, teilen sich mehrere berühmte Domaines.
3. Chablis – Das Chablisgebiet liegt nordwestlich der Côte-d’Or in Richtung Paris und bietet dem Chardonnay erstklassige Bedingungen. Ein Problem dieser bereits recht kühlen Region ist der Frost; dank der Klimaerwärmung kommt die Weinwirtschaft hier wieder besser in Schwung. Die kalkreichen Böden lassen mineralische Weißweine entstehen, die in keinem Keller fehlen sollten. Man unterscheidet Petit Chablis, Chablis, Premier Cru und Grand Cru.
4. Côte Chalonnaise – Diese Region grenzt im Süden an die Côte de Beaune und gilt zu Recht als Herkunft sehr guter, bezahlbarer Weiß- wie Rotweine. Die bekanntesten Appellationen sind Bouzeron, Rully, Givry, Mercurey und Montagny.
5. Mâconnais – Zwischen der Côte Chalonnaise und dem Beaujolais im Süden liegt das Gebiet Mâcon, das für seine saftigen Chardonnays bekannt ist. Relativ preiswert und auch in den USA sehr geschätzt ist der stoffige Pouilly-Fuissé, der »Big Mac« Burgunds.

Domaine Faiveley - Weinverarbeitung / Foto: Domaine FaveleyGutes Klima für große Rotweine

> Zu den Verkostungsnotizen

Den gesamten Artikel inklusive Fakten zum und Typischemaus dem Burgund, mit allen Details zu den einzelen Regionen, den dazugehörigen Top-5-Weinen und Infos zu eben diesen lesen sie in der aktuellen Ausgabe des Falstaff Magazins Nr. 01/2013 - Jetzt am Kiosk!

Text von Peter Moser

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