Morchel de luxe: Tipps, Rezepte & Hintergrund

Was im Herbst die Trüffel kann, schafft die Morchel bereits im Frühling – sie erlangt die volle kulinarische Aufmerksamkeit.

Morcheln haben Ewald Plachutta, Vater der gleichnamigen Restaurants und einer der erfolgreichsten heimi­schen Kochbuchautoren, ­bereits in seiner Kindheit fasziniert – damals jedoch noch nicht wegen des erlesenen Geschmacks, sondern in Kinder-
büchern. Ihr charakteristisches Aussehen bot sich als ideales Häuschen für Zwerge und andere Fabelwesen an. Die Geschichtenerzähler wussten, wovon sie schrieben, denn nicht nur, dass der Hut – ei- oder kegelförmig – wie ein kleines Dach aussieht, ist der Stiel hohl und so wohl willkommene Unterkunft für Wichteln und andere Winzlinge.

Ein willkommener Gast
Morchel geschnittenDer Pilz kämpft sich neben Spargel und Bärlauch als einer der ersten Frühlingsboten aus dem Boden und zählt somit zu den lang ersehnten Frischeprodukten nach dem Winter. Je nach Sorte werden die Fruchtköper bis zu 25 Zentimeter hoch und bis zu vier Zentimeter breit, die Oberfläche zeigt sich in einem wabenartigen Muster, das in sich gefächert und gefaltet ist. Der Hut und der helle, gelblich weiße Stiel sind fest miteinander verwachsen.

Vielfältige Morchel
Speisemorchel, Spitzmorchel, Käppchenmorchel, Steppenmorchel, Strickmustermorchel – sie alle zählen zur Familie der Schlauchpilze. Doch jene Pilze, auf die sich der Gourmet ab den ersten frühlingshaften Sonnentagen freut und die er auch serviert bekommt, sind meist Spitz- bzw. Speisemorcheln. Der Grund ist so einfach wie gut: Erstens treten die beiden Sorten gehäuft auf, und zweitens zählen sie zum Glück auch zu den Stars in puncto Geschmack – der sich deutlich vom klassischen, leicht erdigen, muffigen Aroma anderer Pilze unterscheidet. Würzig-pikant steigt einem bereits der Duft des elitären Waldbewohners in die Nase, zart nussig und elegant macht er sich schlussendlich am Gaumen breit, wenn er sautiert, gebraten, gefüllt oder pochiert auf den Tisch kommt.

Morcheln wollen gefunden werden
MorchelnWie bei ihren Kollegen, etwa Steinpilzen oder Eierschwammerln, kann man sich nur auf die oft mühsame Suche nach der Delikatesse machen, denn sie lässt sich nicht wie etwa Champignons kultivieren.
Das macht sie natürlich für Feinschmecker noch interessanter, doch ist es oft gar nicht so einfach, sie aufzuspüren. Eva Salomon, Küchenchefin und Besitzerin des »Gut Oberstockstall« im niederösterreichischen Kamptal, weiß ein Lied davon zu singen: »Unsere Lieferanten würden nie die Plätze verraten, an denen sie Morcheln aufstöbern. Das ist wohl ihr bestgehütetes Geheimnis.« Nicht nur ihre Standorte scheinen teilweise unergründlich, auch kann man sich nicht darauf verlassen, dass sie Jahr für Jahr in der gleichen Menge auftreten. »Es gibt Jahre«, weiß Alexander Urban, Biologe an der Universität Wien und Pilzspezialist, »in denen man Morcheln körbeweise nach Hause tragen kann, und dann findet man wieder kein einziges Stück.«

Vorsicht bei der Suche
Die Chance, auf die Edelpilze zu stoßen, besteht zwischen April und Juni, doch dann nur noch in höheren Lagen bis zu 1000 Meter Seehöhe. Dabei sollte es im Winter nicht zu kalt und vor allem ­trocken gewesen sein, im Frühjahr aus­reichend Niederschläge gegeben haben und nicht zu schnell heiß werden. ­Morcheln lieben kalk- und humusreiche Böden und suchen oft die Nähe von Eschen, Ulmen oder aber auch Obstbäumen. Doch auch in den mit Rindenmulch abgedeckten Beeten von öffentlichen Parkanlagen und Gärten sieht man sie nicht selten. Dabei ist aber Vorsicht geboten, denn diese Morcheln zählen meist zu den Strickmuster-
morcheln, und die können zu allerlei körperlichen Unannehmlichkeiten führen. Doch auch für die genießbaren Morcheln gilt: Der rohe Verzehr ist nicht zu empfehlen. Man sollte sie unbedingt auf mindestens 80 °C erhitzen, um ihnen ihre Giftstoffe zu entziehen. 

Es muss nicht immer frisch sein
Morcheln getrocknetDer Genuss der extravaganten Speisepil­ze ist aber nicht ausschließlich auf das Frühjahr beschränkt, denn Morcheln lassen sich ausgezeichnet trocknen. ­Dabei gibt es zwei verschiedene Verfahren, wie Rudolf Fartek, Lebensmittelgroßhändler aus Wien, erklärt. Frische Morcheln werden entweder einfach an der Sonne getrocknet – oder aber über Feuer. Dies geschieht vornehmlich in Indien und Pakistan. Morcheln wachsen nämlich nicht ausschließlich in heimischen Gefilden, sondern in der gesamten nörd­lichen Hemisphäre, wie Alexander Urban erklärt.

Feuer- oder sonnengetrocknet?
Die sonnengetrockneten Pilze behalten ihr typisches Aroma, intensivieren es aber auch. Die über dem Feuer getrockneten werden härter und weisen einen deutlichen Räuchergeschmack auf. Beide Arten muss man vor dem Verzehr etwa zwei Stunden in Wasser einlegen, um sie aufquellen und weich werden zu lassen. Wer glaubt, dass das ohnehin bereits ausgesprochen teure Produkt – weil selten und geschmacklich spektakulär – als Trockenware güns­tiger zu erstehen ist, hat sich gründlich getäuscht: Für ein Kilo getrocknete Morcheln benötigt man rund zehn Kilo frische – geht man also davon aus, dass ein Kilo frische Morcheln 120 Euro und mehr kosten kann, wird das ein recht teurer Spaß: Für ein Kilo getrocknete Morcheln muss man schon bis zu 600 Euro berappen. Natürlich muss man davon ausgehen, dass man für den privaten Verbrauch maximal ein paar Gramm benötigt und man somit ruhig mal zugreifen kann.

So oder so ein Genuss
Dies sieht auch Ewald Plachutta so. Er schätzt die Trockenmorcheln sehr und wehrt sich auch gegen das gemeinhin im Vergleich zu frischen Morcheln schlechtere Image in der gehobenen Gastronomie: »Natürlich kann man die beiden nicht vergleichen, doch beide Arten haben ihre Vorzüge und Qualitäten. Spezielle Gerichte verlangen eben nach den getrockneten, andere wieder nach den ­frischen.« Da das Aroma getrockneter Pilze deutlich ausgeprägter ist, zerstört man den Geschmack auch nicht mit etwas Obers, sondern fördert die einzelnen Komponenten nur noch mehr.

Gründliche Säuberung bei frischen Morcheln
Säuberung der MorchelnSissy Sonnleitner, österreichische Spitzenköchin und Hausherrin des Restaurants »Kellerwand« in Kärnten, schwört hingegen auf die frische Variante: »Frische Morcheln duften nach Wald, Frühlingsluft und Wiese, sie haben erstaunlicherweise nicht dieses klassische Pilzaroma, sondern eine ganz eigene Aromatik – das macht sie so interessant.« Zackig und flott sollten sie, laut Sonnleitner, sautiert werden. Eine zu lange Garzeit lässt sie lasch werden, dann verlieren sie zu viel Wasser und werden zäh. Auch rät sie, die Pilze vor der Zubereitung der Länge nach zu halbieren. Im hohlen Stiel können sich nämlich allerlei Tiere einnisten. Auch der Fruchtkörper muss außerordentlich gut gesäubert werden, denn zwischen den einzelnen Waben sammeln sich gerne Sand und Erde. Sowohl Eva Salomon als auch Sissy Sonnleitner raten, die Pilze im kalten Wasser kurz gut auszuschwemmen und dabei das Wasser mehrmals zu wechseln. Auch eine kleine Pilzbürste hilft, den Schmutz vorsichtig zu entfernen. Wichtig ist es, die Pilze nach der Reinigung auf ein sauberes und saugfähiges Tuch zu legen und sie trocknen zu lassen.

Eine Frage der Größe
Bleibt noch die Frage, ob man sich für die jungen, kleinen Exemplare entscheiden oder lieber bei den ausgewachsenen, deutlich größeren zugreifen sollte. Ewald Plachutta hatte bereits in der Zeit, als er das Wiener Restaurant »Drei Husaren« leitete, eine Vorliebe für große Morcheln mit mächtigem Fruchtkörper, die er mit einer feinen Farce füllte und mit einer leichten Oberssauce servierte – ein Gericht, das so manchem Gourmet bis heute in Erinnerung geblieben ist. Sissy Sonnleitner hingegen kombiniert kleinere Morcheln gerne mit Spargel – für sie eine ideale ­Ergänzung: »Der leicht bittere Geschmack von Spargel verbindet sich perfekt mit der milden Süße der Pilze, sie wollen sich dabei aber nicht im Geschmack übertrumpfen. Das ist der Vorteil der kleinen, jüngeren Pilze: Sie nehmen sich etwas zurück, ohne jedoch geschmacksneut­ral zu sein.« Pur und authentisch will sie die Morcheln ihren Gästen präsentieren. Eva Salomon peppt den Pilz gern noch mit frischen Frühlingskräutern wie etwa Kerbel auf und serviert ihn in ihrem ­Restaurant unter anderem mit hausgemachten Gnocchi oder einem zarten Kalbsrücken.

Frische Ware schnell verarbeiten
Womit die Morchel auch kombiniert bzw. serviert wird, fest steht jedenfalls, dass die Frischware so bald wie möglich verarbeitet werden sollte. »Wie der Ausdruck ›frische Morchel‹ schon sagt, lebt sie von ihrer Frische«, weiß Rudolf Fartek. Das Fleisch sollte recht fest sein, Stamm und Fruchtkörper nicht zu dunkel. Nach langen Regenfällen rät Fartek, lieber auf angebotene Morcheln zu verzichten: »Die Pilze saugen sich mit Flüssigkeit an und sind somit nicht mehr strapazier-
fähig. Eine dreistündige Autofahrt kann sie in diesem Zustand bereits kaputt machen.« Also nach dem Regen besser ein, zwei Tage warten, bis die Pilze wieder auf­getrocknet sind, dann steht dem kulinarischen Erlebnis nichts mehr im Weg.

Rezepttipps von Spitzenköchen

  • Sissy Sonnleitner vom "Restaurant Kellerwand" in Kötschach-Mauthen: Spargel-Morchel-Salat
  • Eva Salomon vom "Gut Oberstockstall" in Kirchberg am Wagram: Glasierte Wachtelbrust auf Morchelrisotto
  • Ewald Plachutta, ehemals "Drei Husaren" und "Plachutta" in Wien: Gefüllte Rahmmorcheln auf Fadennudeln

Weitere Tipps zum Thema Verwechslungsgefahr und Lagerung finden Sie hier.

Wo man Morcheln kaufen kann und worauf man beim Kauf achten sollte, erfahren sie hier.

von Heidi Mayrhofer

Die vollständige Story lesen Sie in Falstaff 04/10

Heidi Mayrhofer
Autor