Mon Sherry – Facettenreicher Spanier

Zuletzt etwas in Vergessenheit geraten, fliegen Kenner nun wieder auf Fino & Co – Neue Trends inklusive. Falstaff bringt den Überblick.

Lange vorbei die Zeiten, als Sherry ganz selbstverständlich als Alternative zu Sekt als Aperitif angeboten wurde. Und doch scheint die Zeit reif für ein Comeback dieses versatilen Weines, der aufgrund der Vielzahl seiner Stile in der Lage ist, so gut wie jedes Gericht sinnvoll zu begleiten – sei es roher Fisch, Schokolade oder nur eine Zigarre. Wahrscheinlich ist es aber genau diese schier unglaubliche Bandbreite, die manchen Interessenten letztlich davon abhält, dieses ergiebige Thema anzugehen.

Selten jahrgangsrein
Drei spezielle Kategorien werden vom offiziellen Sherry-Kontrollrat gesondert zertifiziert. Es sind diese der Vintage-Sherry, also Produkte aus einem einzigen spezifischen Jahrgang, des Weiteren zwölf und 15 Jahre alte Sherrys und schließlich Sherrys mit ­einem zertifizierten Alter von 20 oder 30 Jahren. Ganz im Gegensatz zum Portwein sind Abfüllungen von jahrgangsreinen Sherrys eher die Ausnahme, hier sollte auch eine Verwechslung mit dem Jahr, in dem eine Solera (siehe Kasten auf Seite 45) begonnen wurde, tunlichst vermieden werden. Die Vintage-Weine in Jerez werden in der Regel als »Añada« bezeichnet. Seit den 1990er-Jahren füllen González Byass und Williams & Humbert Jerez de Añada, heute tun dies auch Hidalgo, Bodegas Tradición, Garvey, Lustau oder Ximénez-Spínola. In der großen Mehrheit handelt es dabei um Olorosos. In der beachtenswerten Serie González Byass Vintage Collection wird aktuell der 1978er angeboten.

Essenziell bei der Sherry-Herstellung: die Flor-Schicht auf der Oberfläche des Weines / Foto beigestellt

Absolute Raritäten
In vielen Kellereien haben sich wahre Weinschätze angehäuft. Häufig wählen die Weinmacher der Bodegas daraus Positionen aus, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften zu ganz besonderen Fassreihen gehören müssen. Diese Weine bilden Solera-Systeme, deren Ursprünge oft bis zur Gründung der Bodegas zurückreichen und fast immer aus dem 19. oder sogar 18. Jahrhundert stammen: jahrhundertealte Weine mit einer ausgezeichneten Qualität, die aber nur selten auf den Markt kommen. Traditionsgemäß war der Genuss dieser Weine nur wenigen privilegierten Familienmitgliedern der Kellerei vorbehalten oder treuen Mitarbeitern, die Zugang zu diesen »Sakristeien« hatten. In anderen Fällen wurden sie Ehrengästen, die nach Jerez zu Besuch kamen, serviert. Um diesen Weinen eine offizielle Zertifizierung zu verleihen, mit der ihr Alter und ihre außer­ordentliche Qualität gekennzeichnet werden können, schuf der Kontrollrat der D.O. Jerez-Xérès-Sherry im Jahr 2000 zwei Sherry-Sonderkategorien mit zertifiziertem Alter. Über 20 Jahre alte Weine heißen V.O.S. (Vinum Optimum Signatum) oder 20 Años Very Old Sherry – mindestens 20 Jahre gereift – und über 30 Jahre alte Weine V.O.R.S  (Vinum Optimum Rare Signatum), 30 Años Very Old Rare Sherry, diese sind mindestens 30 Jahre gereift, es können auch deutlich mehr sein.

Einer der ausschlaggebenden Faktoren für die Identität des Sherrys ist der Ausbau im ­Solera-System. Dabei handelt es sich um ein wunderbares und perfekt dynamisches Alterungsverfahren, das es jedoch unmöglich macht, das genaue Alter des Sherrys zu bestimmen – mit Ausnahme des Durchschnittsalters.

Die vom Kontrollrat entwickelte Alters-zertifizierung basiert auf den jährlichen
Weinentnahmen, »Sacas« genannt. Somit erfolgt die Zertifizierung des Kontrollrats nicht für Marken oder Sherrytypen einer bestimmten Kellerei, sondern für jede einzelne Charge, die aus der entsprechenden Solera mit einem durchschnittlichen Alter von über 20 oder über 30 Jahren entnommen wird.

Bilderstrecke: Die Spielarten des Sherry

Klein aber fein
Wer sich etwas intensiver mit dem Thema Sherry beschäftigt, stößt unabdingbar auf den Begriff »Almacenista«. Der Begriff steht für Leute, die kleinere Mengen von hochwertigem Sherry im Nebenerwerb oder als Hobby ausbauen. Früher gab es eine erkleckliche Zahl, die ihre Weine dann an größere Exporteure verkauften, denn um als Shipping Botega von Consejo Regulador anerkannt zu werden, musste man über 12.500 hl Weinbestand verfügen. Im Jahr 1996 wurde diese Menge auf 500 Hektoliter herabgesetzt, was es kleineren Betrieben leicht machte, ihre Sherrys selbst zu vermarkten. Es entstanden einige »Boutique-Bodegas«, darunter Namen wie Fernando de Castilla, El Maestro Sierra oder Bodegas Tradición. Und dennoch ist die Zahl bereits auf unter 20 echte Almacenis­tas gesunken. Die bekanntesten Almacenista-Sherrys werden von Lustau vertrieben. Seit 1981 hat das Haus bereits mehr als zwanzig Sherrys von unabhängigen kleinen Erzeugern in kleinen Mengen auf den Markt gebracht. Zu den bekanntesten Namen dieser Szene zählen heute Juan Garcia Jarana, Cayetano del Pino, Josefa Perez Rosado, die Bodegas Vides und Manuel Cuevas Jurado.

»Pedro Ximenez«-Weintrauben werden zum Trocknen auf den Feldern ausgebreitet / © Mauritius Images

Selektives Vorgehen
Unter Kennern hat sich Equipo Navazos, eine Gruppe von Sherry-Liebhabern, die seit 2005 aktiv ist, einen Namen gemacht. Angeführt von Jesús Barquín und Eduardo Ojeda, sind sie auf der Suche nach ganz speziell hochwertigen Qualitäten, von denen in den Bodegas so geringe Mengen vorhanden sind, dass sie für die großen Häuser keinen kommerziellen Nutzen darstellen. Seit 2008 kommen nun sehr limitierte Mengen in der »La Bota«-Serie auf den Markt, nummeriert nach Erscheinen und stets in Windeseile ausverkauft. Mittlerweile wurden neben Sherrys auch Tafelweine, Sparkling und Spirituosen abgefüllt. Alle Sherrys werden ohne Filtration oder sonstige Behandlung gefüllt, Equipo Navazos zählt damit zu den Vorreitern der immer stärker werdenden En-Rama-Bewegung.

Sherry – Tipps und Adressen

Eine weitere spezielle Selektion ist jene eines der bekanntesten Sherry-Kenner und Sammler, Roberto Amillo, der in Jerez an der Plaza Rafael Rivero sein eigenes Privatmuseum, die Galeria de Jerez, eröffnet hat. Seine »Coleccíon Roberto Amillo« umfasst vier handverlesene Sherrys und zwei Brandys in sehr speziellen, quadratischen Halbliterflaschen. In einer Box mit Namen »Catajerez« befinden sich vier Phiolen mit 10 ml der vier wichtigsten Sherry-Stile samt Anleitung auf CD-Rom für eine kleine Vergleichsverkostung.

Falstaff hat sich durch hunderte aktuell verfügbare Produkte durchverkostet und eine große Zahl an bemerkenswerten Weinen ­gefunden, die Besten der Besten finden Sie HIER!

Den ganzen Artikel inklusive Hintergrundinformationen, Ausführungen zur bewegten Geschichte des Sherrys und Best-Of lesen Sie im aktuellen Falstaff Magazin 07/2014 bzw. im Falstaff Deutshcland Nr. 08/2014.

Text von Peter Moser