20 Minuten von Luzern entfernt eröffnet 2017 mit dem Bürgenstock ein Resort mit drei Hotels.

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Medical Wellness: Pro und Contra

»Healing Hotels« und »Medical Tourismus«: zwei populäre Schlagworte. Über die Chancen und Gefahren, die der Gesundheitstourismus mit sich bringt.

Die Menschen werden älter – und das im besten Fall bei guter Gesundheit. Jung aussehen, fit sein, das Leben in vollen Zügen genießen, sind erstrebenswerte Ziele, die man sich auch gerne etwas kosten lässt. Folgerichtig ist der Gesundheitsmarkt einer der bedeutendsten der westlichen Volkswirtschaften und Gesundheitstourismus eine potenzielle Boom-Branche, auf die Trendforscher und Berater weltweit seit Jahren spitzen. Das Konzept des »Medical Tourismus« geht von der Idee des globalen Patienten aus, der die besten Ärzte weltweit castet – oder einfach lange Wartezeiten in seinem Heimatland umgehen möchte.

Alleine 300.000 Deutsche sollen sich einer Studie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zufolge pro Jahr im Ausland behandeln lassen. Ganze Regionen haben sich auf die mobile Klientel spezialisiert. So gibt es etwa in Seoul ganze Straßenzüge mit schönheitschirurgischen Praxen, wie der »Tourismus Report 2015« des Zukunftsinstituts berichtet. In Deutschland haben sich Kliniken und Unternehmen zur »HealthRegion Freiburg« zusammengetan und im »Netzwerk für Gesundheitstourismus« tauschen sich Akteure der Metropolregion Bremen-Oldenburg untereinander aus. Bereits zum Standard gehören vermittelnde Agenturen oder »Personal Health Manager« (z. B. www.best-treatment.com), die ihrerseits wieder mit Reiseveranstaltern kooperieren. Das alles betrifft ganz klar den medizinischen Sektor – es geht um Operationen, Beautyeingriffe oder Fruchtbarkeitsbehandlungen. Davon unterschieden werden muss der Bereich »Medical Wellness«, eine Zuspitzung bzw. Weiterentwicklung des kränkelnden Schlagworts »Wellness«.

Mehr Schließungen als Eröffnungen

Von der Butter über das Mixgetränk bis hin zur Yoga-Hose: mit dem Begriff »Wellness« wird längst Schindluder getrieben. Kein Wunder also, dass die Wirkung des in den 1950er-Jahren in den USA geprägten Kofferworts nachlässt. Oder wie die Experten von »con.os tourismus.consulting« schreiben: »Zwischen 2000 und 2010 galt das Investieren in einen hochwertigen Wellnessbereich als das Maß aller Dinge.« Und weiter: »Dabei wurde die Attraktivität einer Wellness-Landschaft über lange Zeit durch die Maßzahl ›Fläche‹ definiert. Betriebe versuchten sich mit Quadratmetern zu überbieten.

Heute liegt mehr Gewicht beim Ambiente und – nicht zuletzt aufgrund der hohen Investitionsintensität – am Prinzip ›von Wenigem das Beste‹.« Gemeint ist damit etwa eine Verknüpfung mit »regional verorteten und somit einzigartigen Ressourcen«, die den »Zwang einer reinen hardwareorientierten und damit investitionsgetriebenen Entwicklung« minimiert. »Wellness ist somit definitiv nicht tot«, heißt es von Seiten von »con.os«. In schönster Marketingsprache wird von einem »Megatrend reloaded« gesprochen. Und »reloaded« bezieht sich eben nicht selten auf eine Spezialisierung, in Teilen Österreichs und Bayerns firmiert man auch unter »Alpiner Wellness« oder »Welltain« (»Wellbeing in the mountains«). Manuela Wiesinger von »con.os« warnt: »Man sollte auf regionale Themen-Kannibalisierungen achten, so ist etwa am Wörthersee der Bereich Ernährung bzw. konkret die F.-X.-Mayr Diät stark besetzt. Generell dominieren ernährungsorientierte Medical Wellness Konzepte, während bewegungsorientierte noch unterrepräsentiert sind.«

»Wellnessangebote sind – in Bezug auf die Hardware – in der gehobenen Hotellerie vom Buchungsmotiv zum Basisangebot mutiert.«
Manuela Wiesinger von con.os tourismus.consulting

Um eins klar zu sagen: »Medical Wellness« bedingt die Anwesenheit eines Arztes im Hotel und das Angebot von maßgeschneiderten Behandlungen. Gäste wollen hierbei Gäste bleiben – und nicht als Patienten betrachtet werden. Kaum jemand begibt sich auf »Medical Wellness«-Urlaub, wenn er ernsthaft erkrankt ist. Viel mehr geht es ums gesund bleiben. Und genau hier liegt die Krux, wie Christian Werner, Herausgeber des »RELAX Guide« beobachtet hat. Er steht dem Trendbegriff »Medical Wellness« sehr kritisch gegenüber und findet dafür auch klare Worte. »Die Motive für Wellnessurlaub wurden fehlinterpretiert, sogenannte Zukunftsforscher haben dazu ganz schön beigetragen. Der Gast möchte primär ausspannen, gut essen und trinken und sich im warmen Wasser suhlen. Für Prävention fehlen Bewusstsein und nicht zuletzt Zeit. Weiters: Zur Behandlung bestehender Probleme werden jene, die es sich privat leisten können, einen hochkompetenten Arzt ihres Vertrauens hinzuziehen – nicht einen unerfahrenen ›Schönwetter-Mediziner‹ im Hotel. Viele Betriebe, die mit großen Investitionen auf ›Medical Wellness‹ gesetzt haben, sind regelrecht eingefahren.«

Die aktuellen Zahlen des »RELAX Guide 2016« stützen Werners Aussagen. In Österreich kam es zu 10 Schließungen bzw. hieß es »kein Wellnessangebot mehr«, im Vorjahr waren es 7, davor 12, davor 4. Bis ins Jahr 2008 gab es in Österreich so gut wie keine Schließungen bei annähernder Verdreieinhalbfachung der Betriebe von 1999 bis heute. Die Zahlen für Deutschland: 20 neue Hotels bei 27 Schließungen bzw. dem jeweiligen Aus fürs Wellnessangebot. In den beiden Jahren zuvor verzeichnete der Guide jeweils 18 Schließungen – in allen weiteren Jahren seit 2001 war die Zahl einstellig – und das bei etwa Verdoppelung der Betriebe in diesem Zeitraum.

Credibility ist alles

Mit dem Wirtschaftsfaktor Gesundheitstourismus hat sich Ende 2014 das österreichische Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (bmwfw) beschäftigt. In der Studie, die auf Untersuchungen von »con.os« aus dem Jahr 2011 aufbaut, ist die Rede von einer »stetig wachsenden Rolle« in Österreichs Tourismusbranche. 19,3 Prozent der gewerblichen Betten sind dem Gesundheitstourismus zuordenbar, in absoluten Zahlen: 140.575. Die Anzahl der Betriebe, die sich dem Wohlbefinden widmen, hat seit 2011 eindeutig zugenommen. Waren es damals 976, zählte man 2014 1224 – das macht ein Plus von gut 25 Prozent.

125 können dem Bereich »Medical Wellness« zugerechnet werden, die meisten davon befinden sich in der Steiermark, gefolgt von Tirol. Der Anteil der Gesundheitstourismus-Betriebe liegt in allen Bundesländern – mit der Ausnahme Wien – zwischen 5 und 10 Prozent, jedoch werden jeweils mehr als 15 Prozent der gewerblichen Betten als gesundheitstouristische Betten ausgewiesen und das wiederum kann als Indikator für die steigende Bedeutung des österreichischen Gesundheitstourismus interpretiert werden, so die Schlussfolgerung des bmwfw: Klassische Wellness- und Thermenhotels sind nach wie vor tonangebend.

Doch was braucht es jetzt, um zu reüssieren? Was machen ein »Lanserhof« am Tegernsee (»World’s Best Medical Spa 2015«) oder ein Loisium in der Südsteiermark besser als andere? Auffällig ist, dass sich erfolgreiche »Medical Wellness«-Anbieter so gut wie immer im 4- oder 5-Sterne-Bereich bewegen und ihr Geschäft nicht erst seit gestern betreiben. Im Falle des »Loisium« hat man sich mit Beginn des Jahres 2015 die »Merkur Recreation« als Medical Spa-Partner mit an Bord geholt – und damit automatisch die notwendige Glaubwürdigkeit.

Nach gut einem Jahr zieht Susanne Kraus-Winkler, geschäftsführende Gesellschafterin und Mitgründerin der »Loisium«-Gruppe, eine positive Zwischenbilanz: »Wir haben daher bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Die Nachfrage nach dem Hotel konnte dadurch zu allen Saisonzeiten gesteigert werden und die Zufriedenheit der Hotelgäste konnte durch das größere und sehr professionelle Zusatzangebot im medizinischen Bereich gut gesteigert werden. Ich denke, dass dies bei uns von Beginn an vor allem deshalb sehr gut funktioniert hat, weil Merkur als Betreiber hier mit einem bewährten Konzept und einem sehr guten Team an erfahrenen Ärzten und Therapeuten arbeitet.«

Nicht für jeden Hotelier ist es ratsam, auf Medical Wellness im eigenen Betrieb zu setzen (Stichwort Investitionsfalle!). Das heißt aber nicht, dass man nicht vom Lifestyle der Menschen profitieren könnte. Kooperationen mit Kliniken sind ein Weg, intelligente Themensetzung ein anderer. Beispiel Lech am Arlberg. Der weltbekannte Wintersportort setzt im Sommer auf die Public Health Veranstaltung »Medicinicum Lech«. Medizinische Kapazunder ziehen Jahr für Jahr interessierte Zuhörer an – und die müssen bekanntlich irgendwo übernachten.

Das kann man studieren!

  • Neu seit dem Wintersemester 2015/16: Bachelor International Tourism Management/Health and Medical Tourism, -Technische Hochschule Deggendorf,
    www.th-deg.de

  • MBA Tourismus, Wellness- und Veranstaltungsmanagement – Fernstudium, -Donau-Universität Krems
    www.donau-uni.ac.at

  • Bachelorstudium Gesundheitsmanagement im Tourismus, FH Joanneum
    www.fh-joanneum.at

Artikel aus Falstaff Karriere 01/2016.

Nicola Afchar-Negad
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