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Marc A. Hayek: »Je weniger Tamtam, desto besser.«

Er dirigiert die Luxusmarken der Swatch Group: Und wer wie Marc Alexander Hayek Herr über so viel Zeitmessinstrumente ist, hat die Zeit fest im Griff. Wir trafen den Unternehmer zum Gespräch.

Marc A. Hayek repräsentiert als Mitglied der Konzernleitung der Swatch Group die dritte Generation der Hayeks. Großvater Nicolas G. Hayek – er starb 2010 – hatte 1983 inmitten der Quarzkrise, als die Asiaten mit Billig-Quarz-Uhren die Märkte überschwemmten und es keine Nachfrage mehr nach mechanischen Uhren gab, durch die strategische Bündelung der Kräfte und Gründung der SMH (Société de Microélectronique et d’Horlogerie SA) viele der heute zur Gruppe gehörenden Uhrenmarken vor dem Untergang bewahrt. 1998 änderte man den Namen des SMH-Konzerns auf Swatch Group. Marc Hayeks Mutter Nayla fungiert als Präsidentin des Verwaltungsrates, sein Onkel Nick als Präsident der Konzernleitung und Mitglied des Verwaltungsrates.
Ab 1992 arbeitete Marc Hayek bei Certina und Swatch, wollte dann aber etwas Eigenes aufbauen. 1996 wurde der heute 47-Jährige Vater eines neunjährigen Sohnes Gastronom in Zürich, in seinem Szenerestaurant »Colors« setzte er auf eine variantenreiche Küche, erlesene Weine und Zigarren. Es war Großvater Hayek, der seinen Enkel 2001 in die Swatch Group zurückholte. Mit Blancpain übertrug er ihm die Verantwortung der Führung einer Luxusmarke, die die Gruppe im Jahr 1992 von Jean-Claude Biver gekauft hatte. Nach dem Tod seines Großvaters übernahm Marc Hayek die Leitung der Luxusmarken Blanc­pain, Breguet und Jaquet Droz der Swatch Group – und neuerdings kümmert er sich auch um Glashütte Original.

Das Gespräch

Falstaff: Herr Hayek, wir können heute so gut wie alles verändern – die Zeit aber nicht. Eine Minute ist immer eine Minute. Gleichzeitig gibt es nichts Subjektiveres als das Empfinden von Zeit, oder?
Marc A. Hayek: Zeit übt eine unglaubliche Faszination auf mich aus. Ich denke da spontan an meinen Sohn und wie auch er schon den Lauf der Zeit unterschiedlich wahrnimmt. Vor Kurzem sagte er zu mir: »Papa, am Wochenende, wenn ich noch eine Stunde spielen darf, dann vergeht die Zeit so furchtbar schnell, und in der Schule, da dauert die gleiche Stunde so ewig lang. Das kann doch nicht die gleiche Stunde sein!« Uns Erwachsenen geht es doch nicht anders – nur glauben wir, die Zeit mit präzisen Messinstrumenten unter Kontrolle zu bringen. In Wahrheit ist sie jedoch unkon­trollierbar und unabänderlich.
Eine Armbanduhr misst nicht nur fortlaufend die Zeit, sie ist ebenso unser ständiger Begleiter und demnach ein sehr persönlicher Speicher von Emotionen und Momenten …
In unserer Kultur ist sie der symbolischste Gegenstand, den wir weitervererben oder bereits vererbt bekommen haben. Die Uhr der Mutter, des Vaters – mit ihr leben sie für uns weiter. Patina und Tragespuren erzählen zudem ihre eigene Geschichte, und die darf man im Rahmen eines Services nicht einfach wegpolieren. Da wird es sehr persönlich, das hat dann nichts mehr mit einer ordnungsgemäßen Instandsetzung oder technischen Wartung des Uhrwerks zu tun. Um dem gerecht zu werden, habe ich unsere Serviceuhrmacher angewiesen, stets genau zu hinterfragen, in welchen optischen Zustand eine Armbanduhr gebracht werden darf und soll. So ein tickendes Kleinod ist für mich definitiv ein Speicher von Emotionen, Leben und Personen.
Geht diese Tradition nicht zusehends verloren?
Wir sollten der Jugend die Faszination, dass etwas Bestand hat, wieder viel stärker vermitteln. Eine Smartwatch ist bereits nach einem Jahr obsolet, da technisch überholt, man legt sie einfach ab und vergisst sie. Eine mechanische Armbanduhr überdauert indes Generationen, ihr Wert nimmt zu, und man passt gut darauf auf.
An Schulen in England ersetzt man analoge Uhren mit digitalen, da die Schüler die Uhrzeit nicht mehr ablesen
können …

Das ist traurig, da geht ein Teil unserer Kultur verloren! Das Ablesen der Uhrzeit von einem klassischen Zifferblatt sollte jeder beherrschen. Warum schaffen wir nicht auch gleich das Lesen und Schreiben ab und überlassen es künftig »Alexa« und »Siri«. Es liegt an uns, es ist unsere Verantwortung, unseren Kindern Werte zu vermitteln. Wir wären nicht da, wo wir heute sind, deshalb darf keine schleichende digitale Entmündigung stattfinden – und das sage ich nicht nur, weil wir analoge Messinstrumente herstellen

Das Tauchen ist die grosse Leidenschaft von Marc Hayek. Kein Wunder, dass er sich mit Blancpain für den Erhalt und Schutz der Ozeane engagiert.
© Mark Strickland
Das Tauchen ist die grosse Leidenschaft von Marc Hayek. Kein Wunder, dass er sich mit Blancpain für den Erhalt und Schutz der Ozeane engagiert.

Sie sind ein ambitionierter Hobbytaucher und verbringen viel Zeit unter Wasser.
Viel zu wenig Zeit! Tauchen ist für mich die ultimative Auszeit und das Eintauchen in eine Welt, die mich ungemein fasziniert. Das Zeitgefühl geht mir dabei stets verloren, und da bin ich dann froh, wenn ich auf meine Taucheruhr blicken kann und wieder in der Realität ankomme. Ich merke mit zunehmendem Alter, dass mir die Natur generell immer wichtiger wird. Ich will sie viel intensiver erleben und nehme mir aktiv Zeit dafür. Tauchen ist aber meine große Leidenschaft. Das langjährige und ebenso erfolgreiche Engagement von Blancpain für den Erhalt und den Schutz der Ozeane ist demnach kein Zufall.
Könnten Sie sich vorstellen, die Seiten zu wechseln und da mitzuarbeiten, wofür Sie sich mit Blancpain aktiv engagieren?
Sofort! Ich würde das leidenschaftlich gerne tun und obendrein beginnen, Meeresbiologie zu studieren. Meine Begeisterung ist bereits auf meinen Sohn über-gegangen, er hat seinen ersten Tauchschein gemacht, interessiert sich für die Welt Neptuns und wird zusehends mein Tauch-Buddy.
Als ehemaliger Gastronom können Sie sich bestimmt für gutes Essen und einen ebenso guten Wein begeistern.
Absolut!
Haben Sie heute noch den gleichen Zugang zum Thema wie anno dazumal?
Nein! Wir durften/mussten jetzt jahrelang zusehen, dass gutes Essen stets mit inszenierter Kreativität und jeder Menge Tamtam einhergeht. Das beeindruckte mich früher, heute schätze ich einfach gute Nahrungsmittel und eine ehrliche, unprätentiöse Art, wie sie zubereitet und präsentiert werden. Die Qualität steht im Vordergrund! Ein »einfaches« Stück Wurst oder Käse sind manchmal mehr als ein opulent inszeniertes Menü. Da unterscheide ich mittlerweile zwischen gut und interessant essen.

Marc A. Hayek (r.) empfing Alexander Linz in seinem Büro bei Blancpain in Paudex, Schweiz.
Foto beigestellt
Marc A. Hayek (r.) empfing Alexander Linz in seinem Büro bei Blancpain in Paudex, Schweiz.

Was schmeckt Ihnen am besten?
Geschmortes! Das Ossobuco meiner Großmutter, es war und ist für mich etwas ganz Besonderes. Alleine schon der Geruch, der sich im Haus verbreitet, wenn es stundenlang schmort, ist einzigartig.
Probieren Sie auch gerne Neues?
Ich bin extrem neugierig und koste ständig. Die thailändische Küche finde ich zum Beispiel grandios. Zuletzt habe ich im Rahmen einer China-Reise ein auf tibetanische Art zubereitetes Lamm gegessen. Das wird mit Holzkohle vom Kirschbaum in einer Art Steinofen gegrillt und geräuchert. Das Lamm ist butterweich und schmeckt außergewöhnlich. Jede Art der Küche sagt viel über die Kultur eines Landes aus, dem darf man sich nicht verschließen.
Ich nehme mal an, in Sachen Wein sehen Sie die Dinge jetzt ähnlich.
Ich bin eigentlich ein großer Freund der Burgunder, aber die Schweiz punktet bei mir immer öfter. Kosten Sie den Syrah von Denis Mercier und die Weine von Nicolas Zufferey aus dem Wallis oder den Pinot Noir von Martha und Daniel Gantenbein aus dem Graubünden. Das sind ehrliche, richtig gute Weine, die auch zu einem fairen Preis verkauft werden. Je weniger Tamtam, desto besser, ich tendiere da immer mehr in die gleiche Richtung wie beim Essen.
Der Genussmensch Marc Hayek – was tut er am liebsten?
Sich nach getaner Arbeit Zeit nehmen für ein richtig gutes Essen mit der Familie, mit Freunden. Dazu darf der passende Wein einfach nicht fehlen, das gehört für mich zusammen. In solchen Momenten vergeht die Zeit immer viel zu schnell, aber zumeist speichert meine Uhr dann wieder einen ganz besonderen Moment, an den ich mich gerne zurückerinnere.


Swatch Group – Der größte Uhrenkonzern

Bescheidener Bau, wuchtige Erfolge: Der Sitz der Swatch Group, 1983 von Nicolas G. Hayek (u.) gegründet, befindet sich in Biel, Schweiz.
Foto beigestellt
Bescheidener Bau, wuchtige Erfolge: Der Sitz der Swatch Group, 1983 von Nicolas G. Hayek (u.) gegründet, befindet sich in Biel, Schweiz.

Nicolas G. Hayek legte im Jahr 1983 unter geradezu extremen Rahmenbedingungen den Grundstein für den heute weltgrößten Uhrenkonzern. Damals überfluteten die Asiaten die Märkte mit billigen Quarzuhren, mechanische Uhren waren nicht mehr gefragt, und die Schweiz schlitterte in ihre bis dato größte Uhren­krise. Heute gehören die Uhrenmarken Breguet, Harry Winston, Blancpain, Glashütte Original, Jaquet Droz, Léon Hatot, Omega, Longines, Rado, Union Glashütte, Tissot, Calvin Klein, Balmain, Certina, Mido, Hamilton, Swatch und Flik Flak zum Portfolio. Das ist aber nur die eine Seite des anhaltenden Erfolgs der Swatch Group.
Die andere Seite sind deren unglaubliche Fertigungstiefe und nachhaltige Innovationskraft. Die 150 Produktionszentren von ETA, Nivarox-FAR, CHH Microtechnique, Comadur, Rubattel et Weyermann, MOM Le Prélet, Universo, Manufacture Ruedin, Simon Et Membrez, Lascor, Novi, Swatch Group Assembly, DYB, EM Microelectronic, Renata und Micro Crystal repräsentieren die vertikale Produktion der Swatch Group. Die Swiss Timing ist der weltführende Anbieter im Bereich der Sportzeitmessung und Visualisierung von Ergebnissen.
Ohne das Know-how könnte Omega nicht offizieller Zeitmesser der Olympischen Spiele sowie Longines jener der FIS sein. Weltweit beschäftigt die Swatch Group etwas mehr als 35.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von 7960 Millionen Schweizer Franken (Gewinn: 755 Millionen Schweizer Franken). Der klassische Fachhandel ist noch der wichtigste Partner im Vertrieb der Uhren. Mehr und mehr eigene Boutiquen und ein stärker werdendes Engagement im Online-Vertrieb werden dieses Bild in den kommenden Jahren etwas verändern.

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2018

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Alexander Linz
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