Seit dem »Low Carb«-Trend verfestigt sich der Glaube an Nudeln als Dickmacher umso mehr.

Seit dem »Low Carb«-Trend verfestigt sich der Glaube an Nudeln als Dickmacher umso mehr.
© Gina Müller

Macht Pasta wirklich dick?

Dick sollen sie machen und Diabetes fördern – die Fama um Nudeln hält sich hartnäckig. Während »Low Carb« die Kohlenhydrate verteufelt, raten einige zum vermehrten Konsum. Was stimmt?

Kohlenhydrate und Zucker machen per se weder dick noch zuckerkrank. Das hält die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihrer evidenzbasierten Leitlinie dazu fest und rät, wie auch andere Ernährungsgesellschaften, seit langem, mehr als die Hälfte der Tagesenergie über Kohlenhydrate zu decken. Das können somit pro Tag zumindest eine Por­tion Nudeln (oder Reis oder Kartoffeln) und etwa drei bis fünf Scheiben Brot, plus etwa fünf Esslöffel Getreideflocken sein.

Doch diese Menge ist den Lebensgewohnheiten anzupassen. Denn Kohlenhydrate muss man sich »verdienen«. Während die Empfehlungen noch immer an einem einigermaßen aktiven Lebensstil orientiert sind, schauen die Realitäten auf der Couch, vor dem Bildschirm und mit körperlich nicht forderndem Jobprofil anders aus. Kurz gesagt: Wer muskulär inaktiv lebt, also weder körperlich hart arbeitet noch Ausdauer- und Kraftsport betreibt, benötigt etwas weniger Kohlenhydrate als diejenigen, die ihre Muskeln regelmäßig fordern.

Die Muskeln entscheiden

Gesunde, bewegungsaffine Menschen profitieren gar nicht, wenn sie auf Kartoffeln, Reis, Nudeln, Brot und Mehlspeisen verzichten. Im Spitzensport ist nicht umsonst das so genannte »Carbohydrate-Loading« ein Thema. Dagegen sieht die Lage bei Menschen, die eher eine sedentäre, also vorwiegend im Sitzen verbrachte Lebensweise verfolgen und ihre Muskeln nur rudimentär beanspruchen, anders aus. Sie verbrauchen häufig nicht nur weniger Kalorien als sie aufnehmen (und legen diese als Fett an den Hüften an), sondern werden auch eher insulinresistent.

Das bedeutet, dass Muskulatur und Leber weniger auf Insulin reagieren und daher den Zucker aus dem Blut nur noch in geringerem Maße aufnehmen. Der Blutzuckerspiegel lässt sich dann schwieriger regulieren und anstatt Kohlenhydrate als Glykogen zu speichern, macht der Körper Fett daraus. Für diese Menschen ist daher einerseits auf die Menge an Nudeln, Reis und Co. zu achten. Andererseits spielt auch die Art der verzehrten Kohlenhydrate eine Rolle, weil sie beeinflusst, wie sehr und schnell der Blutzuckerspiegel steigt. Das Maß dafür ist der sogenannte Glykämische Index.

Während Traubenzucker als Einfachzucker schnell ins Blut geht, brauchen Haushalts- und Milchzucker länger. Komplexe Kohlenhydrate, wie sie in Getreide und damit auch in der klassischen Hartweizennudel vorliegen, benötigen dafür noch einmal mehr Zeit. Schließlich muss die Kohlenhydratkette erst aufgespaltet werden. Der Blutzuckerspiegel steigt demnach langsam, und man ist auch länger satt. Für Hartweizennudeln im Konkreten gilt: Sie haben einen eher niedrigen Glykämischen Index.

Freude für die Zähne und Taille

Übersichtsarbeiten haben auch gezeigt, dass Pasta nicht zur Entwicklung von massivem Übergewicht beiträgt, sondern mitunter sogar beim Abnehmen helfen kann. Allerdings kommt es dafür auf das gesamte Essmuster an. Die Forschung bezog sich in dem Fall auf ein Muster mit generell niedrigem Glykämischem Index. In Stein gemeißelt ist der jedoch nicht. Er fällt etwa bereits höher aus, wenn die Nudeln zu lange gekocht wurden, also nicht al dente. Dann ist die Kohlenhy­dratkette bereits mehr gelockert und der Körper hat nicht mehr so viel zu tun, um Energie zu gewinnen.

Der Glykämische Index kann sich in der Praxis aber ohnehin recht schnell ändern, nämlich dann, wenn die Sauce zu den Nudeln kommt. Dann besteht auch kaum mehr ein Unterschied zu Reis, der pur verzehrt in einer höheren Liga spielt. Großes Potenzial, um das Gewicht im Lot und Diabetes fernzuhalten, hat jedenfalls eine ausreichend hohe Menge an Ballaststoffen. Diese sind in Vollkornbrot und -nudeln sowie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten enthalten.

Pasta aus Linsen und Kichererbsen

Alternative Pasta aus Hülsenfrüchten hat daher zusätzliche Pluspunkte auf ihrer Seite. Nicht nur Menschen mit Weizenunverträglichkeit oder -allergie, Zöliakie oder Glutensensitivität zählen zu den potenziellen Konsumenten. Die Nudeln aus Kichererbsen, Soja oder Linsen liefern im Vergleich zu Weizennudeln deutlich mehr Ballaststoffe. Diese sättigen lange, regen die Darmaktivität an, unterstützen die Verdauung und verbessern die mikrobielle Zusammensetzung. Sie spielen eine wesentliche Rolle dabei, massives Übergewicht, Diabetes, zu hohe Cholesterinwerte sowie Arteriosklerose vorzubeugen oder in den Griff zu bekommen.

Die Leguminosen-Pasta hat darüber hinaus noch etwa zwei- bis dreimal so viel Eiweiß wie Weizennudeln. Und Eiweiß ist ein wichtiger Baustein im Körper: Hormone und Enzyme bestehen aus Eiweiß, Immunsystem und Muskeln sind ebenso darauf angewiesen. Eiweiß fördert zudem das Sättigungsgefühl und kurbelt den Energieverbrauch direkt nach dem Essen an. Gerade für ältere Menschen und jene, die vorrangig auf pflanzenbasierte Kost setzen, ist der höhere Eiweißgehalt von Vorteil. Und dass die alternative Pasta, ähnlich wie die aus Vollkorn, ein vorerst ungewohntes Mundgefühl erzeugt, bedeutet ja nur, dass sie auf ihre Art zur Entwicklung von neuem Küchen-Know-how anregt.

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2021

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Marlies Gruber
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