Lukas Mraz

Lukas Mraz
© Lukas Ilgner

Lukas Mraz brilliert in der Küche seines Vaters

FOTOS: Zurück aus Berlin in Wien Brigittenau räuchert Mraz Teller und lässt seine Gäste davon Obers und Kaviar lecken. Der Fleischgang ist ein fast schwarz gegrillter Lammsattel.

Lukas Mraz ist zurück in Wien, und das ist sehr, sehr gut so. Nach einigen Jahren in Berlin und mehreren Monaten in diversen Küchen und Speisesälen rund um die Welt ist der Koch und jüngste Sohn der Famiilie Mraz heimgekehrt ins Restaurant seines Papas in Wien Brigittenau. Wo bisher Vater Markus kochte und Sohn Manuel das Service schmiss, steht seit vergangener Woche nun auch Lukas am Herd. Aus dem Restaurant der Familie »Mraz und Sohn«, wurde nun »Mraz und Söhne«.
Das »Mraz und Sohn« ist seit Jahren eines von drei Wiener Restaurants mit zwei Michelinsternen, Markus Mraz wurde erst vergangenes Jahr vom Gault Millau zum Koch des Jahres gewählt. Wer so erfolgreich ist, der überlegt sich bestimmt gut, bevor er etwas anders macht. Umso erstaunlicher - und ihm hoch anzurechnen - ist es, wie sehr er sich nun zurück nimmt und seinem Sohn erlaubt hat, das Restaurant mit neu auszurichten. Und wie großartig das funktioniert. Vorweg: das Essen schmeckt fast durchgehend fantastisch und macht großen Spaß.

Süchtigmachende Küche

Architektonisch hat sich noch vergleichsweise wenig getan: die Mraze haben die Wand zwischen Küche und Gastraum entfernen lassen,  wie das gerade eben rund um die Welt schick und üblich ist: die Gäste können nun den Köchen direkt bei der Arbeit zusehen - besonders spektakulär ist das, wenn Markus selbst gebauter Robota-Grill angeheizt wird und die Flammen züngeln. In den kommenden Wochen soll ein eigener Chef’s Table folgen, an dem Gäste direkt in der Küche speisen können. Das Menü ist dafür ziemlich umgekrempelt: Fast jedes der Gerichte trägt eindeutig die Handschrift von Lukas Mraz.
Der ist so etwas wie der David Chang unter Österreichs Köchen. Wie der US-amerikanische Star-Chef mit koreanischen Wurzeln kombiniert er hemmungslos Techniken und Traditionen aus unterschiedlichsten Esskulturen, mit anarchischem Witz und erfrischender Respektlosigkeit. Wenn man ihn fragen würde, was sein Lieblingsgeschmack ist, würde er ziemlich sicher umami sagen: was er kocht, hat meist eine wohlig-salzig-fleischige, süchtigmachend gute Note, auch die (erfreulich zahlreichen) Gemüsegänge.

Menüpreis in Glückskeks versteckt

Und er ist vernarrt in Sichuanpfeffer, das chinesische Gewürz, dass die Zunge seiner Esser gleichzeitig betäubt und herrlich prickeln lässt. Wenn Lukas eines kann, dann so kochen, dass es Spaß macht. Er ist eher kein Mann der feinen Töne und der subtilen Aromen. Wenn er aber Erfolg hat (und das hat er meistens) dann schmeckt das Ergebnis zum Finger und Teller abschlecken gut - mitunter wortwörtlich.
Er räuchert Teller und lässt seine Gäste davon Obers und Kaviar lecken, und was bei anderen Köchen affektiert oder bemüht wirken könnte, kommt bei ihm einfach als leidenschaftlich an. Er versteckt den Preis des Menüs (140 Euro) im einzigen Glückskeks der Welt, der gut (und nach Sojasauce) schmeckt, serviert ein erfrischendes Gurken-Ayram mit betörend duftendem Kräuterstrauß als Hommage an seine Jugend im stark türkisch geprägten 20. Bezirk, und reicht mit »Mrazys Eismarillenmochis« die klar besten Petit Fours zwischen Wallenstein- und Reumannplatz.

Lukas, Markus und Manuel Mraz
© Lukas Ilgner
Lukas, Markus und Manuel Mraz

Fast schwarz gegrillt

So wie so viele andere serviert auch Mraz das derzeit unvermeidbare Ceviche vom Süsswasserfisch, mit dem großen Unterschied aber, dass es bei ihm umwerfend gut schmeckt. Die rohe Wildfang-Reinanke wird am Tisch mariniert mit dem Saft unreifer Trauben und mit allerlei Geschmacksintensivem wie mariniertem Rhabarber und vergorenem Lauch gewürzt. Das Ergebnis  ist so würzig, spannend, exotisch, dass man vergessen könnte, dass man in Wien Brigittenau sitzt und nicht in Mexiko City.
Der Fleischgang, das ewige zu Langeweile neigende Problemkind in der Sterneküche, ist hier tatsächlich ein dramaturgischer Höhepunkt von umwerfender geschmacklicher Wucht und Würze. Lukas serviert – hallo türkischer Einfluss! – einen über dem Feuer fast schwarz gegrillten Lammsattel, der zuvor mit reduziertem Apfelsaft eingeschmiert wurde (eine Hommage an die türkische Tradition des Würzens mit Granatapfelmolasse) - Allah, ist das gut. Das Menü hat so viele Highlights, dass hier der Platz nicht reicht, sie alle aufzuzählen, daher sei nur gesagt: Haselnüsse, Trüffel und Erdäpfel, Paradeiser mit Sauerkirschen, oder nur ganz kurz blanchiertes Lammbries in scharfer Krensauce sind ebenfalls ganz, ganz groß. 

Neuer Sommelier Thomas Reiter

Ebenfalls neu ist Sommelier Thomas Reiter, nun Herr über einen der größten Weinkeller des Landes. Der Mann werkte vorher neben René Antrag im Steirereck, und ist ein mehr als würdiger Nachfolger für Simon Schubert, den das Mraz und Sohn vor einigen Monaten an Fabian Günzels Aend verloren hat. Er stellt Lukas ungewöhnlichen Speisen oft ebensolche Weine bei, die aber allesamt auch ohne Essensbegleitung wunderbar trinkbar wären - darunter seltene Perlen wie eine Art Vin Jaune vom wunderbaren Andreas Tscheppe aus der Südsteiermark.
Es ist nicht so, dass nun alles anders und neu wäre im »Mraz und Sohn«. Gleich geblieben ist das herrlich unprätentiöse, familiär freundliche Service unter Lukas Bruder Manuel. Und Vater Markus steht selbstredend weiter mit seinem Sohn in der Küche. Bleibt nur zu hoffen, dass der notorisch rastlose Lukas auch findet, dass seine Rückkehr nach Wien sehr, sehr gut so ist.

INFO

Mraz & Sohn
Wallensteinstraße 59
1200 Wien

Tobias Müller
Autor
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