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Liv-ex: Der »Rest der Welt« gewinnt an Bedeutung

Bordeaux verliert weiter Marktanteile – nur die Weine einer einzigen Appellation ziehen an.

Auf der Londoner Wein-Börse liv-ex traden Weinhändler aus aller Welt jeden Tag Spitzenweine im Wert mehrerer Millionen Pfund Sterling. Die Preisbewegungen, die so zustandekommen, zeichnen ein ziemlich genaues Bild der Kräfteverhältnisse auf dem Markt für feine und rare Weine. Die jetzt veröffentlichten Zahlen aus dem Augusthandel zeichnen ein krisenhaftes Szenario für den Handel mit Bordeaux-Weinen: Auf Bordeaux entfielen 34,7 Prozent der monatlichen Umsätze – noch nie in der 20-jährigen Geschichte der Handelsplattform lag dieser Anteil so niedrig.

Erst Anfang dieses Jahres war der Bordeaux-Anteil der Umsätze auf Liv-Ex unter 50 Prozent gefallen, noch im Jahr 2016 lag er bei beinahe 75 Prozent. Mit dem Absturz Bordeaux’ einher geht ein Rückgang des Kaufinteresses aus Asien: Innerhalb der ersten sechs Monate 2020, so Liv-Ex, seien Chinas Importe von Flaschenwein um mehr als ein Drittel gefallen.

»Rest der Welt« erreicht Allzeit-Hoch

Profitieren können von der Schwäche des Bordelais vor allem italienische Weine, die ihren Marktanteil auf knapp über 20 Prozent ausbauen können – und ebenso der »Rest der Welt«, der bei Liv-Ex unter anderem die USA, Australien und Spanien umfasst und nun bei einem Marktanteil von 14,5 Prozent liegt. Italiens gegenwärtiger Umsatzanteil entspricht einer Verdoppelung innerhalb von nur zwei Jahren. Der »Rest der Welt« erreicht momentan ein Allzeit-Hoch, noch im vergangenen Jahr betrug der Marktanteil gerade einmal gute fünf Prozent.

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Zu den positiven Bewegern des Marktes zählen im August auch einige Weine aus Châteauneuf-du-Pape, so beispielsweise der 2012er Jahrgang von Clos des Papes, für den gegenüber dem Vormonat eine Preissteigerung von 9,4 Prozent zu Buche steht. Auf Platz zwei mit einem Preisanstieg von 7,4 Prozent folgt der 2015er der Domaine du Vieux Télégraphe, auf Platz drei der 2016er Clos des Papes (+ 6,3 Prozent).

Auch positive Entwicklungen im Bordelais

Auch innerhalb des Bordelais gibt es Gewinner und Preisanstiege. Dies auf den Plätzen eins und zwei bei einem Weintyp, über den man lange keine positiven Marktkommentare mehr gesehen hat: Mit Preisansteigen von annähernd zehn Prozent gegenüber August 2019 stehen die beiden edelsüßen Weine Suduiraut und Rieussec ziemlich alleine da. Der einzige Rotwein, der mit einem Aufschlag von etwa sieben Prozent ähnlich gut performt hat, war der Pomerol Château L’Eglise Clinet des im Mai verstorbenen Denis Durantou.

Dass sich indes zwei Sauternes an die Spitze der Preisentwicklung gesetzt haben, lässt aufhorchen: Denn die edelsüßen Weine haben von der Bordeaux-Hausse der letzten zwanzig Jahre sehr viel weniger profitiert als die Rotweine, eigentlich fast gar nicht. Ist jetzt der Moment gekommen, in dem sich diese Entwicklung umkehrt?

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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