Lebensmittel-Skandale ändern nichts

Unser Vertrauen in die Lebensmittelindustrie ist schwer beschädigt – doch eine Reaktion erfolgt so gut wie nicht.

Rattengift im Romanasalat, Metallstückchen in Käse-Sahne-Tortelloni, Listerien in Pfälzer Leberknödeln, Giftpilze unter getrockneten Spitzmorcheln: Nahezu täglich informiert der Newsletter der Website lebensmittelwarnung.de über gesundheitsgefährdende Stoffe in Lebensmitteln oder Fertiggerichten. Und das alles neben dem hinlänglich bekannten Etikettenschwindel bei Pferdefleisch und Bio-Eiern. Was muss noch alles passieren, bis seitens der Verbraucher eine signifikante Reaktion erfolgt? Denn eines steht fest: Egal, wie groß der Skandal ist – der Verdrängungsmechanismus bei uns allen ist noch größer. Unser Einkaufsverhalten ändert sich nicht. Nach wie vor greift die Mehrheit zu Billigprodukten, der Preis diktiert die Nachfrage. Solange sich diese Einstellung nicht ändert, werden wir auch in Zukunft mit Skandalen leben müssen.
Eine Veränderung der Einstellung und damit des Verhaltens gehört zum Schwierigsten, was man bei einem Menschen erreichen kann – lehrt zumindest die Kommunikationswissenschaft. Wir sehen die Skandale im Fernsehen, hören über sie im Radio, lesen über sie in Magazinen, Tageszeitungen und im Internet, wir empören uns, wir fordern vehement, dass die Politiker handeln – aber wir selbst reagieren nicht.

Jeder kennt die Lösung
Dabei kennt jeder die Lösung: Nur das ­essen, von dem man genau weiß, wo es herkommt und was drin ist. Wenn man hundertprozentig sicher sein will, heißt das: Entweder man baut selbst an (über den Trend Urban Farming haben wir ausführlich berichtet), oder man findet Bauern, denen man vertraut und von denen man weiß, wie sie Obst und Gemüse anpflanzen und wie sie ihre Tiere halten. Gleiches gilt für Metzger und Gemüsehändler. Natürlich ist das eine Illu­sion weit jenseits jeder Realität – wer würde sich allein die Zeit nehmen, sich ein solches Netzwerk aufzubauen? Die Realität sind agrarindustrielle Großproduzenten und der Supermarkt. Damit wir uns recht verstehen: Der Handel hat ein ureigenes Interesse daran, nur »saubere« Lebensmittel anzubieten. Wo nicht gekauft wird, gibt’s kein Geschäft. Jede Supermarktkette hat inzwischen eigene Bio-Marken, deren Lieferanten sie streng kontrolliert. Nur: Der Verbraucher kann nicht nachvollziehen, ob da überall auch Bio drin ist, wo Bio draufsteht.

Glaubensfrage
Inzwischen gibt es erste Versuche mit QR-Codes auf Verpackungen, die Informationen auf Smartphones übertragen. Da sieht man dann die Kuh, von der – angeblich – die Milch in der Tüte stammt. Das kann man glauben oder nicht. In Testsupermärkten wird seit Längerem damit experimentiert, auch in den Barcodes Informationen über die Herkunft des Produkts bzw. die Zutaten zu speichern. Schließlich werden wir in nicht allzu ferner Zukunft ein Display am Einkaufswagen haben, mit dem wir die Produkte scannen und dabei nicht nur den Preis erfahren. Auch diese Informationen kann man dann glauben oder eben nicht.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser
Rein theoretisch müsste auch die Lebensmittelindustrie – speziell die global agierenden Giganten wie Nestlé, Coca-Cola, Kraft, Nabisco, Procter&Gamble etc. – ein Interesse daran haben, Vertrauensverluste wieder wettzumachen. Rein theoretisch. Denn so­lange sich das Verbraucherverhalten nicht ändert, besteht kein Handlungsbedarf.

Buch mit sieben Siegeln
Verbraucherverbände wie foodwatch fordern seit Jahren mehr und vor allem verlässliche Informationen auf Verpackungen. Sogenannte Gütesiegel helfen da nur bedingt weiter. Verbände wie Demeter, Naturland oder ­Bioland gelten zwar als verlässlich, aber beim EU-Bio-Siegel wird das schon schwierig, dessen Kontrollsystem hat sich mehrfach als mangelhaft herausgestellt. Mehr Vertrauen haben darf man zu regionalen Gütesiegeln – in Österreich ist man da schon weiter: Es gibt sogenannte Genussregionen, deren Produkte und Produzenten jederzeit von jedem nachvollziehbar kontrolliert werden können. Und es gibt darüber hinaus das Siegel der Agrarmarkt Austria (AMA), die damit ausschließlich Produkte gesicherter Herkunft und Inhaltsstoffe auszeichnet und diese dann auch über eine Datenbank öffentlich macht. Das schafft Vertrauen.

Übrigens: Der Preis ist längst kein Kriterium mehr für Qualität. Gut muss nicht teuer sein. Nur: Solange Etikettenschwindel ohne Folgen bleibt und Qualität nicht erkennbar gemacht werden muss, wird es immer wieder minderwertige Ware zu hohen Preisen geben.