Bäcker und Betreiber Fatjon Kolici (l.) mit Patissier Etienne Py

Bäcker und Betreiber Fatjon Kolici (l.) mit Patissier Etienne Py
© Ian Ehm

»L'Amour du Pain«: Rezepte aus der Wiener Boulangerie

Der Besitzer ist ein Albaner, der in Westafrika die französische Backkunst kennen- und lieben gelernt hat. Gemeinsam mit seiner Frau hat er im 6. Bezirk ­die Boulangerie »L’Amour du Pain« eröffnet.

Wenn die Liebe nicht wäre, würde Fatjon Kolici wohl immer noch in Kamerun als Bäckerei-Manager arbeiten und Baguettes und Croissants backen, für die sich vom internationalen CEO bis zum Schulkind so ziemlich jeder anstellt, der in der Hauptstadt Yaoundé auf gutes Brot Wert legt. Der aus Tirana gebürtige, leidenschaftliche Bäcker und Verehrer französischer Backkunst hatte die Bäckerei für seine griechischen Chefs in Kamerun aufgebaut und beschäftigte dort zuletzt mehr als 700 Mitarbeiter. Das wäre auch gut und schön, nur halt nicht für uns.

Aber wie kommt einer wie Kolici ausgerechnet nach Wien? »Ursprünglich als Tourist«, erzählt der Bäcker, »ich liebe die Novellen von Stefan Zweig. Die ›Briefe einer Unbekannten‹ sind mein Lieblingsbuch – auch wenn ich es nur auf Französisch lesen kann.« Bei einer seiner Wien-Reisen lernte er Roela kennen, Internistin am Wiener AKH und ursprünglich aus Albanien. Aus der anfangs zögerlichen Fernbeziehung wurde eine Liebesheirat, die gemeinsame Wohnung ist in der Otto-Bauer-Gasse in Wien-Mariahilf.

»Und eines Tages entdeckten wir am Restaurant vis-à-vis ein Schild, dass es abzugeben sei«, sagt Fatjon, »da war mir klar: Hier soll meine eigene Bäckerei stehen.« Was ursprünglich als sehr spektakuläre Brotbäckerei französischen Stils mit zwei Schaubacköfen geplant war, erwies sich bei der Planung aus statischen Gründen als undurchführbar. »So habe ich auf Boulangerie-Patisserie umdisponiert«, sagt Fatjon, »die Raffinesse französischer Zuckerbäckerkunst hat mich immer schon fasziniert.« Nur, dass er selbst halt kein Patissier ist …

»Jetzt ist eben mehr meine Management-Qualität gefragt«, lacht er. Wobei: Herausragend knusprige und dank langer Sauerteigführung auch souverän geschmackvolle, luftige Baguettes und Pains de Campagne sowie wunderbare gefüllte Focaccia bäckt er nach bester Handwerkstradition natürlich selbst. Das Geschäft ist wunderschön geworden, wirkt wie geradewegs ­aus Saint-Germain-des-Prés nach Wien ­gebeamt, ein geradezu exotisch-kosmopo­litischer Lichtstrahl in Mariahilf, den das Wiener Architekturbüro Departement West da in enger Zusammenarbeit mit Fatjon geschaffen hat. Sein Patissier Etienne Py war zuvor bei Parémi zugange, der ersten Adresse für De-luxe-Patisserie in Wien, und davor bereits in Tokio, Kioto, London oder Buenos Aires für exquisit ziselierte Zuckerbäckerei gut. 

Was im Lokal sofort auffällt, ist, dass ­der beste Platz, mitten im Gastraum, für die Produktion reserviert ist. Nur durch einen Paravent aus Glas getrennt ist bei unserem Besuch Co-Patissier Romain Noury dabei, Butter-Blätterteig für die herrlich fluffigen »Pains aux Raisin« (Rosinen-Butterschnecken) durch die Walkmaschine zu jagen. »Patisserie ist so eine schöne, exakte Arbeit«, sagt Fatjon, »ich wollte unbedingt, dass meine Kunden zusehen können, wie all diese Kunstwerke enstehen.«

Und es ist wahrhaftig schön anzusehen: Millefeuille à la vanille, Caralatacté Charmel, Éclair, Paris-Vienne (eine Interpretation des klassischen Paris-Brest mit Mandel, Haselnuss und, genau, Mohn!) oder prächtiger Choux exotique mit Ananas, Passionsfrucht und Mango liegen wie Preziosen in der Vitrine zum Aussuchen bereit, um entweder vor Ort oder zu Hause genossen zu werden. Die Verpackungen des Designstudios »CIN CIN Vienna« machen das Auspacken zum doppelten Vergnügen. So hübsch gemacht!

Köstlichkeiten aus der Wiener Boulangerie zum Nachbacken:


Weitere Informationen unter: lamourdupain.at


Erschienen in
Falstaff Rezepte 01/2021

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Severin Corti
Severin Corti
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