Bei Johannes Schartner ist jedes Gericht durchdachte Handarbeit mit Geschichte.

Bei Johannes Schartner ist jedes Gericht durchdachte Handarbeit mit Geschichte.
© Falstaff

»Kraus«: Wie Johannes Schartner die Wiener Gourmet-Szene revolutioniert

Seit Frühling ist Johannes Schartner der neue Küchenchef im »Kraus«. Wir haben ihn nach der Sommerpause zum Interview getroffen und darüber gesprochen, auf was man sich im Herbst kulinarisch freuen darf und wieso das neue Menü etwas ganz Besonderes wird.

Ab September meldet sich das »Kraus« im zweiten Bezirk aus der Sommerpause zurück. Im Gepäck hat Küchenchef Johannes Schartner nicht nur ein komplett neues Menü, sondern vor allem selbst gesammelte Zutaten, die er im August für den Winter haltbar gemacht hat. FALSTAFF hat ihn während der Vorbereitungen für das Opening zum Interview getroffen.

Was inspiriert dich, zu kochen?

Dadurch, dass ich am Land aufgewachsen bin, habe ich einen starken Bezug zur Natur, den Bergen und Wäldern. Besonders inspiriert mich an der Küche, dass man trotz der Internationalität, Gerichte aus aller Welt zum größten Teil mit heimischen Produkten interpretieren kann, natürlich auch im Hinblick auf die Saisonalität und Regionalität. Leider haben wir durch die Industrialisierung und Massenproduktion verlernt, dass es so etwas wie Saisonen gibt, weshalb mich die Fermentation immer schon sehr inspiriert hat. Man kann Lebensmittel nicht nur länger haltbar machen und sie zu einer anderen Jahreszeit anbieten, sie werden auch schmackhafter und verleihen meinen Gerichten das gewisse »Etwas«. Ein aktuelles Beispiel sind bei mir im neuen Menü der fermentierte Spargel oder Umeboshi (Anm: fermentierte japanische Steinfrucht) gemacht aus Wachauer Marillen, welche ich im Herbst- bzw. Wintermenü einbauen werde.

Woran orientiert sich das »Kraus«-Konzept mit seinem glocalen Flair ab September kulinarisch? Was ist neu?

Bei meinem ersten Menü und auch für die Zukunft ist der ressourcenschonende Umgang mit Lebensmitteln im Fokus. Ich möchte kleine, landwirtschaftliche Betriebe unterstützen, dabei die Lieferketten so gut es geht möglichst kurzhalten und darauf aufmerksam machen, dass wir uns einfach daran gewöhnen müssen mit Produkten zu arbeiten, die es zum Beispiel aufgrund aktueller Umweltbedingungen gibt. Kulinarisch bedeutet das für mich, die Produkte, die ich in meinem Menü verwende, so lange einzusetzen, wie sie mir zur Verfügung stehen. Danach muss ich kreativ werden und mir etwas anderes einfallen lassen. Genau das liebe ich auch am Kochen, es wird einem nie langweilig. Im nächsten Menü dreht sich zum Beispiel vieles um »Alpen & Wälder«. Ich bin den ganzen Sommer in Altenmarkt gewesen, bin in die Wälder gezogen und habe Schwammerl, Beeren und Kräuter gesammelt und haltbar gemacht. Die werde ich im nächsten Menü einbauen und für jedes Gericht wird es eine eigene, persönliche Geschichte geben. Für die Gäste möchte ich das kulinarische Erlebnis spürbar machen und das mit allen Sinnen.

Vor allem wenn Zutaten selbst gesammelt werden, wird Essen zu etwas höchstpersönlichem. Was ist denn deine Lieblingsspeise im Herbst?

Über diese Frage freue ich mich sehr, da ich den Herbst gerne mag und es endlich wieder ein wenig kühler wird. Was gleichzeitig auch bedeutet, dass die Küche deftiger werden darf, aber eine gewisse Frische darf nie fehlen. Meine persönliche Lieblingsspeise ist deshalb eine richtig gute Moussaka mit Tsatsiki, am liebsten von meiner Mama, die Griechin ist. Das weckt in mir auch Kindheitserinnerungen, ein richtiges Soulfood. Meine Eltern führen ein Hotel mit Gastronomie, was in einem Tourismusgebiet und zur Saison viel Stress mit sich bringt. Im Herbst wurde es dann immer etwas ruhiger und meine Mama hat das als Anlass genommen, Moussaka für die ganze Familie zu kochen.

Nochmal zurück zum Lieblingsthema, dem Fermentieren. Was ist die größte Schwierigkeit bei dieser Kunst?

Ich würde es nicht als Schwierigkeit bezeichnen, eher das jedes Ferment eine Überraschung ist, im positiven Sinne natürlich. Dabei muss man gewisse Rahmenbedingungen erfüllen, wie sauberes Arbeiten, einen gewissen Salzgehalt, Einhaltung bestimmter Temperaturen usw. Dazu muss man ergänzen, dass es viele verschiedene Arten der Fermentation gibt und jede davon ähnlich, aber dennoch anders zu betrachten ist. Angefangen habe ich mit klassischer Laktofermentation, danach habe ich während dem ersten Lockdown begonnen immer mehr mit schimmelbasierender Fermentation zu arbeiten und jetzt gibt es leider kein Zurück mehr.

© Falstaff

Und inwiefern ist der Norden, wie Skandinavien, bahnbrechend, wenn es um das Haltbarmachen geht?

An dieser Stelle möchte ich einen besonderen Dank an diverse nordische Restaurants, vor allem in Kopenhagen, aussprechen, dafür dass das Fermentieren wieder so zelebriert wird. Eigentlich ist es eine jahrhundertelange Technik, die etwas in Vergessenheit geraten ist. Hier ziele ich besonders auf Produkte wie Sojasauce oder Miso ab, weil gezeigt wurde, dass die aus Japan stammenden Würzmittel nicht zwingend aus Soja hergestellt sein müssen, sondern auch auf andere heimische Produkte zurückgegriffen werden kann. Auf den Zug sind die nordischen Küchen aufgesprungen und haben einen Megatrend ausgelöst. Vor allem in der vegetarischen Küche kann man zum Beispiel mit Umami Gerichte wirklich heben. Das spiegelt sich insofern in den Gerichten im »Kraus« wider, weil ich meine Misos und Sojasaucen immer selbst herstelle und dadurch allen Speisen den letzten Schliff verleihe und darauf möchte ich auch nie verzichten.


Apropos Norden: Hier geht es zum Rezept für die »Dänische Hot Dog-Interpretation« von Johannes Schartner aus dem aktuellen Falstaff-Magazin.


Und was hat eigentlich euer Namensgeber Karl Kraus mit all dem zu tun?

Das »Kraus« ist ein neuer Ort der Gastlichkeit und des Diskurses in Wien. Der Schriftsteller, Satiriker und Publizist Karl Kraus ist dafür der Namensgeber – er war ein streitlustiger Querdenker seiner Zeit. Damals war das Kaffeehaus für Karl Kraus, wie bei so vielen anderen berühmten Intellektuellen und Künstlern der Jahrhundertwende, sein zweites Zuhause. Es war aber nicht nur ein Ort der Zusammenkunft und Konsumation, sondern vor allem das Zentrum des Diskurses. Wir möchten das »Kraus« daher auch zu einem neuen Ort des Diskurses machen, zusammen mit dem benachbarten »Kahan ArtSpace« wird es interessante Veranstaltungs-Formate geben und das »Kraus« somit zu einem Begegnungsort, der Kunst und Kulinarik verbindet.


INFO

kraus
Große Pfarrgasse 7
1020 Wien

E-Mail: info@daskraus.at
Tel.: +43 18903411

Mittwoch bis Samstag
18 – 24 Uhr

Fee Louise Schwarz
Fee Louise Schwarz
Digital Redakteurin
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