Königsklasse des Piemont

Barolo, Barbaresco und Roero bilden die Königsklasse der Weine aus dem Piemont. Der Barolo zeigt sich im Normalfall in jungen Jahren recht sperrig, unzugänglich und von strengem Tannin geprägt. Nicht so der aktuelle Jahrgang 2007.

Er funkelt satt granatfarben, dem Glas entsteigen verführerische Noten nach Himbeere, eingelegten Kirschen, Zwetschgen, getrockneten Rosenblättern, nach Kardamom, Leder und Lakritze. Schon der erste Schluck überzeugt. Der Wein besitzt feine Fruchtnoten, zeigt auch das typische, sehr präsente Tannin, das ist aber nicht hart und rau, sondern relativ geschmeidig, sehr schön von süßem Schmelz abgepuffert. Nach dem Runterschlucken hallt der Geschmack lange am Gaumen nach: ein Hochgenuss. So präsentieren sich derzeit viele Barolos aus dem Jahrgang 2007.

Im Normalfall sind junge Barolos nur bedingt ein Genuss, sie sind tanninstreng und rau. Man muss schon ein wirklicher Kenner dieser Weine sein, um sie rundum zu schätzen: Das heißt, sie nicht nur auf Verkostungen zu probieren oder mal einen kleinen Schluck zu trinken, sondern das unmittelbare Verlangen zu empfinden, gleich eine ganze Flaschen zu genießen. Bei dem ebenfalls als groß geltenden Jahrgang 2006 – im Piemont gemeinhin als »klassisch« bezeichnet – war das auch genau so. Diese 2006er präsentierten sich bei der Erstverkostung im vergangenen Jahr mit viel zupackendem Tannin, wirkten streng und verschlossen und werden wohl noch einige Jahre brauchen, um sich ein wenig zu beruhigen und zu öffnen.

Der beste seit langem
2007 war jedoch ganz anders: Bereits mit den im vergangenen Jahr verkosteten Barbarescos 2007 kündigte sich der Jahrgang als großartig an – noch nie zuvor wurde ein Jahrgang in Barbaresco allgemein so gelobt. Die Bestätigung bringt nun der Barolo. Dabei sollten viele der Weine auch durchaus große Lagerkapazität haben. Die Frucht ist frisch, die Struktur kompakt, der Alkohol gut eingebunden. Kein Vergleich zu Weinen aus heißen Jahrgängen wie etwa 2000 oder 2003, die auch schon sehr früh zugänglich waren, die aber vielfach von überreifer Frucht, sehr präsentem Alkohol und deutlich trocknenden Tanninen gekennzeichnet waren. Dass auch 2008 sehr gute Weine erbrachte, feststellbar am Beispiel des Barbaresco, geht daneben fast unter.

Das Agrarjahr 2007 war gekennzeichnet von einem besonders milden Winter, der die Ruhephase der Pflanzen verkürzte und zu einem außergewöhnlich frühen Knospenaustrieb führte. Die Blüte begann noch in der ers­ten Maidekade, so früh wie nie zuvor. Während der Wachstumsphase der Trauben war das Wetter etwas kühler und niederschlagsreicher. Im Juli stiegen die Temperaturen dann kräftig an, durch konstanten Wind aber blieb die Luftfeuchtigkeit relativ gering, wirklich schwüle Tage gab es nur wenige. Im August lagen die Temperaturen leicht unter dem Durchschnitt. Das bewahrte die Frucht. Die Lese der Weißweinsorten begann im südlichen Piemont bereits um den 20. August. Ab dem 20. September folgte die Lese des Barbera, Nebbiolo war zehn Tage später dran. Insgesamt war dies eine der frühesten Lesen, seitdem es gesicherte Aufzeichnungen gibt. Die Trauben konnten gesund und mit optimalen Reifegraden eingebracht werden. 2007 ist somit ein idealer Jahrgang für alle, denen sonst die Weine aus dem Piemont in ­ihren ers­ten Jahren zu kantig und zu tanninreich waren. Aber auch für alle eingefleischten Piemont-Aficionados hält der Jahrgang Beeindruckendes bereit.

Kräftig und knackig
Nicht so glücklich verlief das Agrarjahr 2008. Ab Mitte Mai begann in den Langhe eine Periode von instabilen Wetterverhältnissen mit starken und fast täglichen Regenfällen, die über einen Monat andauerte. Auch Juni und Juli waren nicht sonderlich warm und relativ feucht. Echter und Falscher Mehltau machten den Winzern arge Probleme und bewirkten zum Teil drastische Produktionsausfälle. Erst Ende August schlug das Wetter dann um. Über 50 Tage lang gab es Sonnenschein, wenig Regen, milde Tages- und kühle Nachttemperaturen. Die Lese erfolgte vielfach erst in der zweiten Oktoberhälfte, die Trauben, die den verregneten Sommer überstanden hatten, konnten deshalb gut aus­reifen. Die 2008er präsentieren sich so als durchaus kräftige Weine mit knackiger Frucht, entfalten sich mit Eleganz und sind geprägt von präsenter, aber sehr gut eingebundener Säure. Man muss also etwas länger suchen, doch auch die besten 2008er haben große Eleganz und Tiefe.

Die Verkostungsnotizen zu Barolo, Barbaresco und Co. finden Sie hier.

Text von Othmar Kiem
aus Falstaff Nr. 08/11

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien