Der Gasthof »Klinger« von Kochbuch-Ikone Hedi Klinger sperrt am 25. September dauerhaft zu.

Der Gasthof »Klinger« von Kochbuch-Ikone Hedi Klinger sperrt am 25. September dauerhaft zu.
© Klimek

Kein Besuch bei der alten Dame: Hedi Klingers Gasthof muss schließen

Im Gaspoltshof’ner Gasthof »Klinger«, eine der ältesten kulinarischen Institutionen Österreichs, schließen die Besitzer am 25. September ihre Küche und die beiden Speisesäle. Zuletzt bekannt geworden war das Lokal vor allem mit dem ungeheuer erfolgreichen Wirtshauskochbuch der Alt-Patronin Hedi Klinger.

So viel Erfolg. Und dann das. Das Kochbuch von Hedi Klinger, »Klassiker der österreichischen Küche« (Brandstätter Verlag), geschrieben von ihrem Sohn Willi, derzeit Geschäftsführer bei Wein & Co  - der Titel des Buchs sagt übrigens exakt, was einen im Buch erwartet – , dieses Kochbuch geht gerade in die vierte Auflage. Die anderen drei Auflagen sind restlos ausverkauft, das Interesse an gehobener österreichischer Küche ist unerwartet riesig, zumal es ja schon Standardwerke zu dem Thema gibt, die jede und jeder in seiner Küche liegen hat. Doch Hedi Klinger ist anders, ist Grand Dame der österreichischen Gasthausküche, eine wahrlich singuläre Person unter all den Küchenchefs des Gestern und des Heute. Hedi Klinger, die über die Grenzen des Bundeslandes mit ihrer brutal traditionellen, aber modernen, die Zutaten perfekt kombinierenden Küche bekannt wurde, ist mittlerweile 89 Jahre alt. Sie steht schon seit längerem nicht mehr hinter den Herden, lässt es sich aber nicht nehmen, in ihren Gasthof im oberösterreichischen Gaspoltshofen vorbeizuschauen und auch mitzuhelfen, wenn es die Kräfte des Körpers noch erlauben.

Gasthof Klinger sperrt zu

Damit ist es am 25. September vorbei. Und es ist tragisch, dass Hedi Klinger, alt aber enorm rüstig, jetzt zusehen muss, wie ihr Sohn Wolfgang die Eingangstüren und die Nebeneingänge schließt; durchaus auch in Erwägung, diese nie wieder für Gäste aufzusperren. Für immer also? »Jetzt mal ist das Wirtshaus zu«, sagt Klinger, »in ein paar Wochen dann setzt sich die Familie an einen Tisch und überlegt, was wir mit dem Haus jetzt machen.«

Hedi Klinger und Sohn Willi mit ihrem Markenzeichen: Österreichische Küche.
© Vincent Klimek/Brandstätter Verlag
Hedi Klinger und Sohn Willi mit ihrem Markenzeichen: Österreichische Küche.

Das Haus, das auch in die Jahre gekommen ist, steht alleine neben einer Spedition, die auch der Familie Klinger gehört. In Gaspoltshofen, dort, wo in Oberösterreich solide gewirtschaftet wird und in der Region der größte Mittelstandscluster der Republik sesshaft geworden ist, dort also; wo Geld verdient wird, wo Geschäftsreisende Halt machen und auch gerne gut essen gehen, dort gibt jetzt einen kulinarischen Fixpunkt weniger. Warum?

Pandemie, Personalverlust und politische Probleme

Wolfgang Klinger, der im Hauptberuf Politiker ist, obwohl er das, wie er einmal sagte, gar nicht werden wollte, kommt gleich in Fahrt, wenn er über das Ende des Familienwirtshaus redet. »Zuerst« sagt Klinger »hat uns, wie allen Gastronomen, die Pandemie enorm zugesetzt. Und jetzt geht unsere erste Köchin und scheidet noch dazu aus dem Beruf aus. Personal lässt sich so gut wie keines finden, zuletzt bin auch ich rein und habe serviert. Aber so kann es nicht weiterlaufen. Erst recht nicht, wenn die erste Person der Küche nicht mehr da ist. Es sind also die jetzt üblichen Probleme der Gastronomie, die auch uns zum Aufgeben zwingen. Und diese Probleme sind auch politische Probleme. Aber es schaut ja keiner hin, wie jetzt gewachsene und funktionierende Strukturen kaputt gehen.«

Die Familie Klinger muss ihr Gasthaus aufgrund von Personalproblemen schließen.
© Vincent Klimek / Brandstätter Verlag
Die Familie Klinger muss ihr Gasthaus aufgrund von Personalproblemen schließen.

Gaspoltshofen liegt ein bisschen ab vom Schuss, ist aber nicht irre weit weg von den Ballungsräumen Linz und Wels. Trotzdem findet sich kein Küchenchef für das Restaurant. Das mag daran liegen, dass viele ambitionierte Köche gerne ihre eigene Kreativität auf die Teller bringen und dort erkannt sehen wollen. Beim Gasthof der Klingers aber ist es kompliziert. Einerseits verlangen die Klinger-Rezepte und ihre Zubereitung, selbst wenn es kulinarische Gassenhauer sind, eine Genauigkeit und ein Können, das nicht alle Köche zu leisten imstande sind. Und anderseits wollen fast alle jungen, ambitionierten Köche, die das leisten können, was der Gasthof verlangt, mit einer eigenen Linie und mit so genannten Signatur-Speisen brillieren - und irgendwann, Illusion oder nicht, ihr eigenes Restaurant eröffnen. Alle Mitarbeiter in der Küche der Klingers sind noch von Hedi Klinger ausgebildet worden. Da gelingt jedes Würzen, da passt jede Sauce punktgenau, denn Hedi Klinger hat Jahrzehnte akribisch Buch geführt, hat hunderte Rezepte bis ins letzte Detail aufgeschrieben, hat manche Rezepte gekonnt der kulinarischen Moderne angepasst und war dabei auch die wahrscheinlich letzte Schriftführerin einer nun untergehenden Esskultur, die lange als »gutbürgerlich« beschrieben wurde. Das klingt leider nach Spießertum, was es dieser Küche auch nicht leicht macht, fortgeführt zu werden. Mit ihrem Verschwinden geht auch die alte Zeit.

© Brandstätter Verlag

Verlorene Zeit und Blick in die Zukunft

Warum aber ist das Kochbuch der Hedi Klinger so erfolgreich, das Buch, das nun das Gedenken an diesen wunderbaren Gasthof, seine Speisen, seine Weine und seinen Flair sein muss? Auch diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Vielleicht ist es der Wunsch etwas aus der eigenen Kindheitserinnerung präzise nachkochen zu können. Vielleicht ist es die Suche nach der verlorenen Zeit. Vielleicht ist es, wo nun eher seltsame Zeiten kommen, auch das kleine Stück Glück aus einem vermeintlich unbeschwerten Gestern. In dieses Gestern wird man bei den Klingers heute nur mehr bis 25. September einkehren können. Gibt es eine Idee für die Zukunft, Wolfgang Klinger? »Ich denke, dass ein Pächter vor denselben Problemen stehen wird wie wir. Aber ein Bekannter und Freund des Gasthofs hat mir den Tipp gegeben, vielleicht eine Kochschule einzurichten, in der alle Speisen meiner Mutter erklärt und gekocht werden. Mal sehen, was wird.«

Manfred Klimek
Autor
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