© Shutterstock

Kehrt das Erste Gewächs zurück?

Die VDP-Klassifikation ruckelt sich weiter zurecht: Jetzt wird offenbar Burgunds vierstufiges Modell komplettiert.

Wie Falstaff von Winzern erfuhr, steht in den Reihen des VDP das »Erste Gewächs« vor einem Comeback. Diese Bezeichnung war vor über 20 Jahren ganz am Beginn der Lagenklassifikation gestanden, als sich in mehreren VDP-Regionalverbänden ein »Comitée Erstes Gewächs« gegründet hatte. Mit dem Jahrgang 1999 hatte die Bezeichnung schließlich im Bundesland Hessen und also für den Rheingau die offizielle Anerkennung der Behörden bekommen. Dabei war das »Erste Gewächs« als trockener oder feinherber Wein (bis 13 g/l Restzucker) aus klassifizierten Einzellagen definiert worden.

Im VDP setzte sich dennoch schon wenige Jahre später die Bezeichnung »Grosses Gewächs« gegenüber dem »Ersten Gewächs« durch: Der bundesweit vertretene Verband strebte von Anbeginn eine einheitliche Nomenklatur an, zudem war es der Wille des VDP, dass für »Große Gewächse« die gesetzliche »trocken«-Grenze von neun Gramm nicht überschritten würde. Nicht zuletzt sprach für die Bezeichnung »Grosses Gewächs« (salopp »GG«), dass diese eine offensichtliche Analogie zur Bezeichnung »Grand Cru« darstellt, die in Burgund an der Spitze der Klassifikationspyramide steht.

Weitere Ausdifferenzierung

Das »Erste Gewächs« wiederum legt eher eine Analogie zum »Premier Cru« nahe, das in Burgund unter den Grands Crus und über den Villages- (Orts-)Weinen rangiert. Und genau in diesem Sinn könnte das »Erste Gewächs« nun auch in die Welt der VDP-Betriebe zurückkehren: Schließlich hat der VDP seine Lagenklassifikation in den letzten Jahren weiter verfeinert und zwischen den Großen Lagen (als den Top-Einzellagen bzw. Top-Parzellen) und den reinen Orts-Bezeichnungen einen Klassifikationsrang für »Erste Lagen« eingefügt. Die Weine dieser Lagen weisen der Idee nach deutlich mehr Eigenständigkeit als die reinen Ortslagen auf, ohne jedoch den Reichtum und die idealtypische Ausgeglichenheit der Weine aus »Großer Lage« zu besitzen.

Da trifft es sich nun gut, dass im Zuge der gerade eben vollzogenen Umstellung des deutschen Weinrechts aufs romanische Herkunftsmodell der Rheingauer Sonderweg mit dem »Ersten Gewächs« endet: Auch Rheingauer nicht-VDP-Betriebe erhalten nun Zugang zur Bezeichnung »Großes Gewächs«, während umgekehrt die Bezeichnung »Erstes Gewächs« bundesweit (und auch für VDP-Betriebe) möglich sein wird.

Die möglicherweise in Zukunft gültige Pyramide der trockenen Weine aus VDP-Betrieben dürfte dann etwa so aussehen: In der untersten Stufe stehen die Gutsweine (analog zu Bourgogne générique), z.B. Silvaner trocken, Bürgerspital. Einen Schritt darüber: Ortswein (=Villages), z.B. Würzburg Silvaner trocken, Bürgerspital. Nochmal einen Schritt darüber: Würzburg Stein Silvaner Erstes Gewächs (=Wein aus Premier Cru Lage). Und ganz oben in der Schichtung: Würzburg Stein-Harfe Silvaner Großes Gewächs (=Grand Cru).

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Mehr zum Thema