© Ian Ehm

Karpfen: Amur, mon Amour!

Warum in die Ferne schweifen, schwimmt das Gute doch so nah. Das Fleisch des Gras-Karpfens bezaubert mit wunderbar sauberem Geschmack. Wir waren abfischen und haben dann gekocht.

Herbst ist Abfischzeit im Waldviertel. Dann werden, wie seit etlichen hundert Jahren, die Teiche mit dem eiskalten Wasser ausgelassen, auf dass sich die Karpfen auf engstem Raum zusammenfinden und relativ bequem mit Netzen eingefangen und aussortiert werden können. Gegessen werden sie traditionell erst viel später, zu Weihnachten natürlich, aber auch in der Fastenzeit.
Das ist gut so, schließlich müssen die Friedfische, die sich als Vegetarier in der Hauptsache vom teicheigenen Plankton ernähren – und deshalb mit die nachhaltigste Form des Fischgenusses darstellen –, nach dem Abfischen erst einmal in klarem Fließwasser ausgewassert werden. Für mindestens zwei Wochen, schließlich sind Karpfen Grundler, die sich ihr Futter am Boden der Teiche zusammensuchen. Danach haben sie nicht nur körpereigenes Fett abgebaut (was sie leicht verdaulich macht), sondern auch einen klaren, aromatischen Geschmack erlangt.
Ganz besonders gilt das für das schneeweiße Fleisch des Graskarpfens, auch Amur genannt, der in unseren Breiten erst seit ein paar Jahrzehnten gezüchtet wird – und dessen mageres, zart blätterndes, festes Fleisch von Kennern durchaus mit der Konsistenz feinster Krabbenscheren verglichen wird.

Teiche in Wetzles

Die Idylle der herbstlichen Landschaft des Waldviertels trügt nicht: In den Fischteichen von Wetzles wachsen Karpfen in Bioqualität heran. Beim Abfischen wird das Wasser der Teiche abgelassen, damit sich die Fische auf engem Raum zusammenfinden und mithilfe von Netzen eingefangen werden können. Dieses Prinzip wird seit dem Mittelalter so angewandt.

Reiche Beute

Es zappelt ganz schön, wenn die Netze zusammengezogen werden und die Fische auf dem Sortiertisch je nach Größe in verschiedene, mit klarem Wasser gefüllte Bottiche verteilt werden.

Festes Fleisch

Wetzles liegt ganz hoch oben im Waldviertel, nur wenige hundert Meter von der tschechischen Grenze entfernt. Hier oben leben seit jeher nur wenige Menschen – aber umso mehr Fische. Die Karpfenzucht hat in dieser Gegend seit Jahrhunderten Tradition.

Fisch im Wasser

Karpfen werden in Österreich seit knapp 900 Jahren gezüchtet – früher von Klöstern, die damit eine gute Antwort auf das Vierfüßer-Fastenproblem gefunden hatten. Dass die genügsamen und gesunden Fische in den letzten Jahren wieder an Terrain gewinnen, ist auch der Schutzmarke »Waldviertler Karpfen« zu verdanken, die strenge Qualitäts­maßstäbe anlegt.

»Amur-Karpfen haben schneeweißes, zart blätterndes Fleisch, das Kenner mit der Konsistenz feinster Krabbenscheren vergleichen.«

Wasserkraft

Rund 1000 Tonnen Karpfen aus weststeirischen und niederösterreichischen Teichen werden alljährlich im Herbst abgefischt und kommen danach für mehrere Wochen in Hälterungen mit fließendem Wasser – zum Auswässern.

Grätchen-Frage

Keine Angst vor Gräten: Karpfen werden fertig geschröpft angeboten. Dafür werden die Filets mit eng gesetzten Schnitten versehen, die die tückischen Y-Gräten in kleine Segmente teilen. Beim Kochen helfen Hitze und Säure, um die winzigen Teilchen zum Verschwinden zu bringen.

Erschienen in
Falstaff Rezepte 02/2018

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