Kapstadt: Kap des guten Geschmacks

Wenn Kapstadt 2014 zur Welt-Design-Hauptstadt wird, ist sie auch ­gastronomisch bestens gerüstet.

Das Paradies für Feinschmecker liegt an der Albertroad 373, auf dem Gelände einer alten Backfabrik: Craftbeer fließt aus den Zapfhähnen, selbst gemachte Fudges schmelzen auf der Zunge. Die dick belegten, noch warmen Baguettes krachen bei jedem Bissen, hübsche Mädchen in roten Schürzen verteilen goldgelb gebratene Hühnerfleischspieße. In der einen Ecke werden salzige Crêpes gebacken, in der anderen sprudeln Schokoladenbrunnen mit 95 Prozent Kakaoanteil. Jeden Samstag ab neun Uhr öffnet der »Neighbourgoods Market« in der Old Buiscuit Mill seine Tore, etwa zehn Autominuten von Kapstadts Zentrum entfernt. Man trifft sich auf dem Markt, um Austern zu schlürfen, frisches Gemüse zu kaufen oder den würzigen Ziegenkäse von der Garden Route einzupacken. Und mitten in dem Gewusel der alten Hallen im Stadtteil Woodstock setzen sich Genießer schließlich zusammen an einen langen Tisch und stoßen mit eisgekühlten Kapweinen an: Es sind junge, hippe Süd­afrikaner mit Kind und Kegel und ihre Gäste aus aller Welt.

Luke Dale-Roberts sorgt für ganz großes Geschmackstheater / Foto: Brigitte JurczykAsia-Küche trifft auf Haute Cuisine
Nebenan in der weiß gefliesten Coffeebar »Espresso Lab« duftet es nach frisch gerös­teten Bohnen. Und vis-à-vis öffnet sich der Tempel für alle Gourmetjünger, das Reich von Luke Dale-Roberts, zurzeit der kreativste Küchenchef der Kapmetropole. In »The Test Kitchen« wuseln die Köche in der offenen Showküche wie Ameisen herum. Jeder Handgriff sitzt, hoch konzentriert und still geht die Arbeit vonstatten. Das eingespielte Team funktioniert wie ein Ballett. Und Luke Dale-Roberts ist der Choreograf, der sein Ensemble zum großen Auftritt führt. Wie ein Puppenspieler zieht der gebürtige Engländer und Weltenbummler die Fäden im Hintergrund. Und was dann vor den Gästen im angenehm unprätentiös eingerichteten Restaurant auf den Tischen steht, ist ganz großes Geschmackstheater: eine superzarte Entenbrust mit würzig-knuspriger Haut, dazu ein Ei, das mit Foie gras und Trüffel gefüllt ist, etwas Süßkartoffel, eine sauer eingelegte Zwiebel für den Säureton und ein kräftiger Jus, der alles verbindet. Luke Dale-Roberts versteht es wie kein anderer, seine Fans zu überraschen.

»The Test Kitchen«: Top-Adresse am Kap / Foto: Brigitte JurczykGekonnt bringt er Eindrücke aus der ganzen Welt hier in Kapstadt zusammen, mixt Asia-Streetfood mit französischer Haute Cuisine und verwendet dazu alles, was die Felder, Steppen und Wälder seiner Wahlheimat Südafrika hergeben: frischen Spargel genauso wie Springbock, Wachtelei und Rübchen. »Ich liebe vor allem das Wild hier«, sagt der innovative Starkoch, der mit einer Südafrikanerin verheiratet ist und zu den besten Küchenchefs der Welt gehört.

Mit seinen 42 Jahren und den vielen Kochstationen auf verschiedenen Kontinenten ist er schon ein alter Hase in der Kulinarikszene. Er weiß, was er kann, und schätzt die Neu­gier­de seines Publikums. Gleich mehrere Res­taurants hat er in dem einstmals herunter­gekom­menen Stadtviertel Woodstock etabliert: neben »The Test Kitchen« auch das hoch oben im 6. Stock einer Industrieanlage gelegene Lokal »Pot Luck Club«. Wenn Kapstadt nachts seinen Lichterschmuck umlegt, kann man hier zur mehr­­fach ausgezeichneten Küche auch noch ein funkelndes Rundum-Panorama genießen.

Europäische Einflüsse an Kapstadts Herden
Wie Luke Dale-Roberts zieht es auch andere kreative Köche an die Herde Südafrikas. Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse gibt es mittlerweile in bester Qualität, und die Formel mildes Klima plus Easy-Going-Lebensstil lässt ein genuss- und ausgehfreudiges Publikum heranreifen.

Paul Nashs Küche ist sehr modern. Er arbeitet ausschließlich mit lokalen Produkten und europäischen Techniken. / Foto: Brigitte JurczykPaul Nash etwa wurde hier vor 35 Jahren geboren, sieben Jahre lang kochte er in Deutschland, vor allem im Schwarzwald, heiratete eine Schwäbin und kam 2012 zurück in seine Heimat. Nun ist er ganz oben an der Spitze angekommen: im »The Roundhouse«, einem beliebten Ausflugsziel der Kapstädter hoch über der Camps Bay, an den Hängen des Tafelbergs. Die traumhafte Location mit weitem Blick aufs Meer ist ein historischer Ort: ein ehemaliger Wachturm, errichtet von der Dutch East India Company. Später diente er dem Kap-Gouverneur Lord Charles Somer­set als Jagdlodge, heute wird hier formvollendet Gastfreundschaft zelebriert. Dazu passt der Stil des jungen, sympathischen Kochs: »Meine Küche ist modern. Ich arbeite ausschließlich mit lokalen Produkten und europäischen Techniken.«

Das Ende des Apartheidregimes brachte auch eine kleine Revolution auf den Wiesen und Feldern Südafrikas mit sich. Wo früher die Regierung genau festlegte, wo was und wann produziert wurde und vor allem auch zu welchem Preis, entstanden nach 1994 viele private Initiativen. Vor allem Landwirte aus Europa kamen ins Land und brachten ihre Ideen von modernem Gemüseanbau, Viehzucht oder Käseherstellung mit. »Es liegt am Stolz«, sagt Paul Nash, »dass die Produkte heute hier so großartig sind. Die Farmer sind einfach stolz auf das, was sie machen, und sie machen es auf hohem Niveau.« Und er weiß auch: »Früher war alles staatlich reglementiert, auch der Preis. Dadurch gab es keinen Wettbewerb. Das hat sich inzwischen geändert.« Den Spaß, den der engagierte Koch an den Erzeugnissen seiner Heimat hat, spiegeln seine Gerichte: Der Salat aus rohem und eingelegtem Gemüse auf einer »Erde« aus gerösteten Pilzen kommt wie ein buntes Gartenbeet daher. Die zarte und kross gebratene Ente aus Kroondal im Norden des Landes kombiniert er mit Rübchen, Walnüssen und einem Sauerkirschjus – ein aromareiches und sehr ausbalanciertes Statement.

Lieferanten aus der Nachbarschaft
Eine 20-Minuten-Autofahrt weiter Richtung Innenstadt, am Fuße des Tafelbergs, steht Rudi Liebenberg am Chef’s Table seiner Küche, verschränkt die Arme vor der Brust und behauptet: »Gut zu kochen ist einfach!« Aber dann hebt der Spitzenkoch des Nobelhotels Mount Nelson, eines Traditionshauses, zu einem längeren Exkurs an: »Die Schwierigkeit war lange Zeit bloß, an gute Produkte heranzukommen!« Auch er ist heute mehr als froh, dass seine Lieferanten aus der direkten Nachbarschaft kommen. Keine langen Wege, Frische als Garantie. Jetzt bezieht er sein Fleisch, seinen Fisch und vor allem das Gemüse direkt vom Bauern, Jäger oder Fischer. »So weiß ich, an welche Qualitäten ich komme und vor allem, was gerade geerntet wird.«

In den Hallen in Woodstock gibt es frisches Gemüse / Foto: Brigitte Jurczyk

Und er reagiert darauf. Seine Gerichte sind in bester Art einfach, er arbeitet heraus, was in dem (Bio-) Produkt steckt, ob es nun schlichte Gartenerbsen sind oder ein Edelfisch aus dem Atlantik vor der Haustür. Mit dem Restaurant »The Planet« steht ihm eine glanzvolle Bühne für seine Kreationen zur Verfügung. Das Interieur ist klassisch-elegant, und die Sterne funkeln nicht nur auf dem Teller, sondern auch vom Boden bis zur Decke. Wer dem Meister über die Schulter schauen will, den lässt er in sein großes Reich aus dem 19. Jahrhundert eine Etage tiefer am Chef’s Table speisen.

Peter Tempelhoff, Chefkoch im »The Greenhouse« / Foto: Brigitte JurczykLuxus-Gastronomie an der Waterfront
Wie Rudi Liebenberg gehört auch Peter Tempelhoff vom »The Greenhouse« zu Kapstadts besten Chefs. Auch wenn ihre Namen deutsch klingen, sind beide doch überzeugte Südafrikaner mit einem unverkennbaren Hang zu heimischen Produkten. Die präsentiert der hochdekorierte Peter Tempelhoff im lichtdurchfluteten Wintergarten des Restaurants, das zu dem berühmten »Relais & Chateaux«-Hotel The Cellars-Hohenort im grünen Vorort Constantia gehört, konsequent modern. Wie zum Beispiel das zarte, langsam gegarte Karoo-Lamm oder das gegrillte Takbok Loin. Foie gras ist auf seiner kleinen, feinen Speisenkarte ebenfalls zu finden wie Wachteln oder Kabeljau-Tournedos.

Dass Tempelhoffs großartige Kreationen von den besten Weinen aus dem Constantia-Tal begleitet werden, ist selbstverständlich. Noch im November wird Tempelhoff ein neues Res­­taurant im Brasserie-Stil an der Victoria & Alfred Waterfront eröffnen – der berühmten Flaniermeile rund um die beiden historischen Hafenbecken, die 1870 und 1905 in Betrieb genommen wurden und ihre Namen zu Ehren der britischen Königin Victoria und ihres zweiten Sohnes Prinz Alfred erhielten. Hier, in Kapstadts ehemaligem Hafenviertel, sind nach dem Ende der Apartheid die Quaianlagen, Schuppen und Kontorhäuser hervorragend restauriert worden. Auch Restaurants wie das wegen seiner Fischgerichte beliebte »Harbour House«, eine Shoppingmall, eine Brauerei, Museen und Hotels sind entstanden.

Modern und gediegen: das Restaurant »Reuben’s« im Hotel The One&Only / Foto: Brigitte JurczykThe One&Only gehört zu den neuesten Luxushotels in diesem Stadtviertel. Beliebt ist es wegen seines Spas auf einer künstlichen Insel und seiner gleich zwei berühmten Restaurants: des »Nobu« von Starkoch Nobuyuki Matsuhisa sowie des »Maze« des briti­schen Sternekochs Gordon Ramsay. Letzteres hielt sich jedoch nur 15 Monate, dann musste es schließen. Der südafrikanische Newcomer Reuben Riffel folgte nach, und nun läuft das Restaurant namens »Reuben’s« wunderbar und ist fast immer ausgebucht. Der Slogan »Good food is a journey – best shared with family and friends« ist sein Erfolgsgeheimnis. »Ich kam zur richtigen Zeit«, sagt Riffel bescheiden. Er stand bereits als Kind mit seiner Großmutter, Mutter und Tanten stundenlang in der Küche. »Und mein Großvater sorgte für frisches Gemüse und Obst aus seinem Garten«, erzählt er. Wer so aufwächst, hat ein Gefühl für die Wertigkeit von Lebensmitteln.

Der junge Reuben startete mit seiner Karriere am Herd durch, heute kennt ganz Südafrika sein Gesicht aus dem Fernsehen. Eine eigene TV-Show, Kochbücher und vier eigene Restaurants am Western Cape bilden seine Gourmetwelt. »Meine Küche ist unkompliziert«, sagt der hochgewachsene Koch mit der leisen Stimme. Er mixt italienische, asiatische und südafrikanische Genusswelten und bringt sie in ein relaxtes Fine-Dining-Ambiente – eine Erfolgsformel, die mehr als gut funktioniert.

Zaida Tofie (r.) vom »The Cape Malay Food Market« / Foto: Brigitte JurczykVerschiedene Kulturen in nur einer Stadt
Ein Melting-Pot war Kapstadt schon immer. Niederländer und Engländer trafen hier auf die afrikanischen Ureinwohner; Sklaven aus Madagaskar, Indien, Malaysia und Indonesien wurden ins Land gebracht. Ein ganzes Stadtviertel mit Namen Bo-Kaap ist heute noch buntes Zentrum der »Cape-Malay-­Küche«, die alle diese kulinarischen Einflüsse in sich vereint.

Die ganze Aromenwelt der Gewürze findet man zum Beispiel im Laden der »Atlas ­Trading Company«. Im »Bies­miellah« ­bekommt man kleine köstlich-würzige ­Happen und im »The Cape Malay Food Market« hat die junge Unternehmensbera­terin Zaida Tofie der Küche ihrer Eltern ein modernes Outfit verpasst. Ihr pinkfarbenes Restaurant ist so stylish-modern gestaltet, dass es 2014 glatt als Design-Adresse durchgehen wird.

Text von Brigitte Jurczyk

Aus Falstaff 08/13 bzw. Falstaff Deutschland 01/14

Brigitte Jurczyk
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