Kaffee für Gourmets: Grand Cru du Café

Faktoren wie ­Herkunft, Produzent und Jahrgang spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Kaffeeauswahl.

Kaffeemaschinen zu Preisen von Kleinwagen und Kaffeebohnen, die mit der Apothekerwaage abgewogen werden: Kaffee im Luxussegment erlebt einen ­bemerkenswerten Boom und erinnert in ­vielerlei Hinsicht an Entwicklungen in der Weinszene. Mit dem Kult um die perfekte ­Inszenierung der Kaffeespezialitäten wächst auch der Wissensdurst von leidenschaftlichen Kaffeetrinkern. Wie im Weinsegment werden auch beim Kaffee zahlreiche Sommelier- und Baristakurse angeboten. Während zum Genuss einer guten Flasche Wein bereits ein Flaschenöffner und Weingläser reichen, ist das Angebot an Equipment für Kaffee-Aficionados schier unermesslich. Dank der Kapsel­systeme ist das Basisniveau der Espressoqualität schon sehr hoch. Wer sich dennoch weiter nach der Decke strecken will, der braucht Know-how und entsprechendes Zubehör. Auch wenn man über eine gute Kaffeemühle und eine hochwertige Siebträgermaschine verfügt, muss man schon sehr lange tüfteln, ehe man die Qualität der Kapselmarktführer erreicht. Ein beträchtlicher Aufwand für ein Getränk, das man auch auf Knopfdruck haben kann. Aber den passionierten Kaffeefreunden geht es nicht um Bequemlichkeit, sie lieben die Inszenierung, die chromblitzenden Maschinen, den Duft frisch gemahlenen Kaffees und die sämige Crema, die den perfekten Espresso krönt.

Herkunft, Sorte und Blending
Wer viel Geld in Equipment und Ausbildung investiert, der scheut auch keine Mühen, wenn es darum geht, den besten Kaffee zu finden. Wie beim Wein geht es dabei um Herkunft, Sorte und Blending. Die wichtigsten kaffeeproduzierenden Länder sind Brasilien, Vietnam, Kolumbien, Äthiopien und Indien. Es gibt aber auch kleine Einheiten, Grands Crus der Kaffeewelt, die rund um den Globus Begehrlichkeiten wecken. Der Hawaii Kona, der auch schon den Weg in die Kapsel gefunden hat, ist eine dieser gefragten Spezialitäten. Die Kaffeepflanzen gedeihen an den Hängen der Vulkane Mauna Loa, Hualālai und Mauna Kea. Die klimatischen und geografischen Bedingungen könnten nicht besser sein: nicht zu viel und nicht zu wenig Sonne, regelmäßige Schauer, gleichmäßige Temperaturen und fruchtbarer Vulkanboden. Der Hawaii Kona besteht wie die meisten großen Kaffees der Welt zu 100 Prozent aus Arabica-Bohnen, die mehr Aroma und Vielfalt transportieren als die zweite Hauptsorte Robusta. Kaffee mit einem hohen Anteil an billigeren und gerbstoffreichen Robusta-Bohnen ergibt selten hochwertige Ergebnisse, dennoch ist Robusta ein beliebter Blending-Partner, denn der höhere Anteil an Kaffeeölen sorgt beim Espresso für eine noch dicker aufgetragene Crema und für einen kompakteren Körper.

Harmonie, Finesse und Tiefgang der Spitzenkaffees
Hawaii Kona zählt zu den ­gefragten Kaffeespezialitäten / Foto: beigestelltVon der geschmacklichen Ausprägung lässt sich ein derartiger Spitzenkaffee durchaus mit Wein vergleichen, es sind keine auffälligen oder herausragenden geschmacklichen Eigenschaften, es geht vielmehr um Harmonie, Finesse und Tiefgang. Der Hawaii Kona ist in der Regel gehaltvoll und sehr aromatisch, fruchtig, mild, säurearm sowie anhaltend und seidig im Abgang. Ein weiterer Faktor, der den koffeinhaltigen Südseetraum so kostbar macht, ist die vergleichsweise geringe Verfügbarkeit, denn die hawaiianischen Vulkanhänge bieten weniger Raum als die endlosen Weiten Brasiliens.

Exklusiv: Jamaica Blue Mountain
Die exklusivste und gefragteste Marke der Welt ist der in edle Holzfässer gefüllte Jamaica Blue Mountain, der auf bis zu 1700 Höhenmetern angebaut wird. Das Anbaugebiet ist durch vergleichsweise niedrige Temperaturen, Nebel und viel Niederschlag charakterisiert. Dadurch ergibt sich ein sehr langsames Wachstum, das eine tiefgründige Aromaausprägung mit sich bringt. Das Aroma ist nussig, schokoladig und mit Gewürzen und Karamellanklängen verwoben. Jamaica Blue Mountain ist voll im Geschmack, rund sowie ausbalanciert und enthält kaum Bitterstoffe, er wird mitunter als Champagner oder König des Kaffees bezeichnet.

Die großen Brands

Wahren Kaffee-Aficionados sind diese Big Brands aber mittlerweile zu banal geworden. Rund um den Globus gibt es zahllose weitere namhafte Herkünfte bzw. Brands, deren Qualitätsniveau mindestens genauso hoch ist: Kuba Turquino Lavado, Nicaragua Maracaturra, Salvador Pacamara, Puerto Rico Yauco Selecto, Guatemala Antigua, Costa Rica Tarrazu, Haiti Blue Pine oder Nepal Mount Everest sind nur einige Beispiele.

Äthiopien: Das Ursprungsland des Kaffees
Wenn man über die besten Herkünfte von Kaffee philosophiert, darf man auf keinen Fall das Ursprungsland des weltweit am meis­ten gehandelten Genussmittels vergessen: Äthiopien. Kein anderes Land der Welt produziert derart viele Sorten höchster Qualität. Die wichtigsten Bezeichnungen sind Longberry Harer, Sidamo, Lima und Babeka. Die letzteren beiden beziehen sich auf höchst raren wild wachsenden Kaffee. Die Kaffeepflanze ist in freier Natur alles andere als ein Überlebenskünstler, zu viel Sonne, Trockenheit oder Temperaturen unter zehn Grad sind lebensbedrohlich. Je höher die Kaffeeplantage liegt, desto gehaltvoller werden die Bohnen. In Äthiopien, Kenia oder auf Jamaika gibt es Anbaugebiete auf bis zu 2000 Meter Seehöhe.

Nur die roten Kaffeekirschen werden geerntet / Foto: beigestellt
Nur die roten Kaffeekirschen werden geerntet / Foto: beigestellt

Konkrete Herkünfte und einzelne Produzenten
Bei den Kaffeeliebhabern kristallisiert sich ein weiterer wichtiger Trend heraus, der frappant an die Weinszene erinnert. Neben den konkreten Herkünften sind es auch beim Kaffee mittlerweile die einzelnen Produzenten, die das Interesse der Konsumenten wecken. Ebenso gibt es eine stark steigende Nachfrage nach Bio- und Fairtrade-Produkten, aber noch viel mehr suchen Koffeinfreunde einen direkten Draht zum Kaffeebauern. Genauso wie beim Wein fragt man nicht mehr nach Grünem Veltliner aus Österreich oder Riesling aus Deutschland, sondern man will ein Produkt von Herstellern wie Franz Hirtzberger oder Egon Müller. In Supermärkten wird man diese hohen Ansprüche wohl kaum erfüllen können, aber der Fachhandel und die boomenden Klein­röstereien kennen immer mehr ihrer Lieferanten persönlich.

Auch Andrea Illy, Präsident des weltweit tätigen italienischen Kaffeekonzerns illy, legt großen Wert auf direkten Kontakt mit den Produzenten. Besonders am Herzen liegt ihm Brasilien, wo illy seit über zwanzig Jahren aktiv ist und die ­positive Qualitätsentwicklung begleitet. Das Unternehmen hat eine ständige Niederlassung in São Paulo und arbeitet kontinuierlich an der Hebung der Qualität. Die Kaffeebauern bekommen konkretes Feedback, wenn die Fachleute mit den gelieferten Proben nicht zufrieden sind. Schon eine einzige fehlerhafte Bohne kann einen Espresso, für den man rund 50 Bohnen braucht, merklich beeinträchtigen.

Wer hat den besten Kaffee?
Mit dem »Prêmio Ernesto Illy de Qualidade do Café para Espresso« ist es der Familie Illy gelungen, den Ehrgeiz der Kaffeebauern zu wecken. Es handelt sich dabei um einen Wettbewerb, bei dem der höchstwertige Kaffee im Rahmen einer festlichen Gala prämiert wird. Nicht nur die einzelnen Bauern wetteifern um die Siegesprämie in Höhe von 50.000 Real (rund 20.000 Euro), es ist auch ein Wettbewerb der einzelnen Anbau­gebiete.

Für Kaffeebauern ist grüner Kaffee das Endprodukt / Foto: beigestellt
Für Kaffeebauern ist grüner Kaffee das Endprodukt / Foto: beigestellt

Die illy-Philosophie
Während viele Kaffeefans Einzelherkünfte suchen und ausprobieren, schwört man bei illy auf die richtige Mischung. »Sehen Sie sich die großen Weine der Welt an, das sind fast ausschließlich Cuvées«, sagt Andrea Illy. Der original illy-Blend besteht ausschließlich aus Arabica-Bohnen aus Mittel­amerika, Kolumbien, Brasilien, Kenia, Äthiopien und Indien. Die Familie Illy stammt ursprünglich aus Ungarn. Firmengründer und Andreas Großvater Francesco Illy wanderte um die Jahrhundertwende nach Österreich aus und blieb nach dem Ersten Weltkrieg in Triest hängen. Die Enkelkinder Riccardo, Andrea und Anna wuchsen zum Teil deutschsprachig auf. Die Familie legt generell großen Wert auf Vielsprachigkeit und verlangt dies auch von ihren Mitarbeitern.

Bei der Betreuung der Kaffeebauern begegnet man sich auf Augenhöhe und nach ­Möglichkeit in der Landessprache. Andrea Illy hält an der Universität von São Paulo vielbeachtete Vorträge über die wirtschaft­lichen Aspekte der Kaffeekultur – auf ­Portugiesisch. Das Firmenoberhaupt vergleicht seinen Blend für einen perfekten Espresso mit einem Orchester – alle Komponenten müssen wie Instrumente perfekt aufeinander abgestimmt sein und wie Musiker harmonieren, dann ergibt sich ein genussvolles ­Gesamterlebnis. Diese Philosophie wird ganz offensichtlich sehr geschätzt, denn in 140 Ländern der Erde werden jeden Tag sechs Millionen Tassen illy-Kaffee ­getrunken.

Von Diversifikation und Jahrgangsunterschieden
Aber auch illy hat den Wunsch nach mehr Diversifikation vernommen und mit drei sogenannten Monoarabicas reagiert. Aus Brasilien, Guatemala und Äthiopien wird hochwertiger Kaffee in Kapseln angeboten, die dem Geschmacksprofil der Länder entsprechen sollen. »Das sind die Solisten im Konzert«, sagt Andrea Illy. Auch wenn in den Anbaugebieten um den Äquator das ganze Jahr geerntet werden kann, gibt es in den meisten Ländern signi­fikante Jahrgangsunterschiede, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Somit gibt es wie beim Wein auch beim Kaffee gute und schlechte Jahrgänge, über die man genüsslich fachsimpeln kann.

Erst nach der Röstung sind die Bohnen braun / Foto: beigestellt
Erst nach der Röstung sind die Bohnen braun / Foto: beigestellt

Von der Kirsche zum Kaffee
Die Kaffeepflanze ist eine Diva, die nur in wenigen Gegenden der Welt in freier Natur überleben kann. In den Gebieten um den Äquator wird das ganze Jahr geerntet. Danach erfolgen mehrere Produktionsschritte, bei denen das Fruchtfleisch der Kaffeekirsche entfernt wird. Auf den Kaffeefarmen wird der noch grüne Kaffee in Säcke gepackt und verschifft. Fehlerhafte Ware wird durch mehrere Qualitätskontrollen aussortiert. Bei »Green Coffee Tastings« werden die geschmacklichen Parameter geprüft. Die Röstung erfolgt dann meist in verarbeitenden Betrieben in den Industrienationen. Bis dahin gibt es schon unzählige Faktoren, die die Qualität beeinflussen. Sogar beim letzten Schritt kann das Genusserlebnis noch durch schlecht gewartete Kaffeemaschinen verdorben werden.

Das Beste kommt zum Schluss
Einen Sonderfall stellen jene Kaffeesorten dar, deren Bohnen von Tieren gefressen und wieder ausgeschieden werden. Verdaut wird nur das spärliche Fruchtfleisch der Kaffee­kirschen, die Bohnen (also die Samen) machen einen Gärungsprozess im Verdauungstrakt der Tiere durch und werden danach ausgeschieden. Am bekanntesten ist der Kopi-Luwak-Kaffee aus Indonesien, der von Schleichkatzen »produziert« wird. Im Moment gibt es ein erstaunlich großes Angebot an Kopi-Luwak-Kaffee, weshalb von Experten bezweifelt wird, dass es sich tatsächlich um echten »Katzenkaffee« handelt. Denn die Population der Schleichkatzen ist überschaubar, und trotz beginnender Massentierhaltung sollte man allzu günstigen Angeboten skeptisch ­gegenüberstehen. Der Kilopreis für echten Kopi Luwak liegt bei rund 1000 Euro. Etwas günstiger und geschmacklich ebenso interessant ist der brasilianische »Vogelkaffee«. Bei den »Produzenten« handelt es sich um fasangroße Vögel, die Jacu genannt werden und die Kaffeebohnen ebenso unverdaut wieder ausscheiden.

Mehr Informationen zum Thema Kaffee:

Interview mit Andrea Illy

Der Ristretto-Kult: Kaffeegenuss in konzentriertester Form

Text von Bernhard Degen
Aus Falstaff Nr. 03/13

Bernhard Degen
Autor
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