Illustration: Gina Müller

Kaffee: Darf es ein bisserl mehr sein?

Rund 1000 Tassen Kaffee trinkt hierzulande jeder pro Jahr. Bei manchen ist der Kaffeekonsum jedoch mit Restriktion verbunden, dabei wäre das gar nicht nötig, wie immer mehr Daten zeigen.

Schon drei Tassen Kaffee getrunken und ein schlechtes Gewissen? Was heißt schon? Erst! Denn Forschungsergebnisse, die besagen, dass sich mehr als vier Tassen pro Tag positiv auf die Gesundheit auswirken, mehren sich. Das trifft sich gut, gilt Kaffee doch als Parade-Genussmittel und wird häufig aufgrund seiner aufputschenden Wirkung getrunken. Das dafür verantwortliche Koffein kommt jedoch nicht nur in Kaffee, sondern in über sechzig Pflanzenarten vor. Die prominentesten natürlichen Quellen sind Kaffee, Kakao, Teeblätter und Kolanüsse. Ihr Konsum weist eine jahrhundertelange Geschichte auf, und heute genießen geschätzte 80 Prozent der Weltbevölkerung mindestens einmal pro Tag ein koffeinhaltiges Lebensmittel oder Getränk.

Bei moderatem Konsum werden dem Koffein eine Reihe von positiven Eigenschaften zugeschrieben, darunter: Entspannung, Energie, bessere Konzentrationsfähigkeit und erhöhte Aufmerksamkeit. Ab hohen bis sehr hohen Dosen kann sich Koffein allerdings negativ auswirken und Nervosität, Angst, Aggressivität, Schlafstörungen oder Herzrasen auslösen.
Wie viel Koffein ist also verträglich, und ab welcher Menge ist Vorsicht geboten? Das wurde bis vor wenigen Jahren viel diskutiert. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat deswegen 2015 eventuelle Risiken des Koffeins bewertet.

Das Ergebnis: Pro Tag sind etwa 400 Milligramm Koffein unbedenklich, das entspricht rund fünf Tassen Kaffee. Schwangere und Stillende sollten sich auf 200 Milligramm Koffein pro Tag beschränken, etwa zwei Tassen. Für Kinder (3–10 Jahre) und Jugendliche (10–18 Jahre) definierte die EFSA 3 Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht als täglich tolerierbare Obergrenze. In Summe kann man bei Einzeldosen von 50–200 Milligramm Koffein mit den günstigen Effekten rechnen und ab Einzeldosen von 400–800 Milligramm ist die Wahrscheinlichkeit für die ungünstigen höher. Zur Erinnerung: auch Schwarz-, Grün-,  Mate- und Eistee, Schokolade und klarerweise Energydrinks beinhalten Koffein.

Kein Flüssigkeitsräuber

Koffein wird auch für den verstärkten Harndrang beim Kaffeetrinken verantwortlich gemacht. Der zeigt sich aber nur kurzfristig und dann, wenn man nur selten Koffeinhaltiges trinkt, sowie erst ab einer Menge von circa 300 Milligramm Koffein, also etwa vier Tassen. Trinkt man dagegen regelmäßig Kaffee oder Schwarztee, gewöhnt sich der Körper schnell an die Koffeinmengen und reagiert nicht mehr mit vermehrter Flüssigkeitsabgabe. Obwohl also klar ist, dass Kaffee dem Körper kein Wasser raubt, ist das Glas Wasser dazu eine schöne Tradition.

Illustration: Gina Müller

Bioaktive Inhaltsstoffe

Neben Koffein weist Kaffee weitere bioaktive Substanzen auf, dazu gehören Antioxidantien, phenolische Bestandteile wie Chlorogen-, Kaffee- oder Ferulasäure, und Diterpene wie Cafestol. Sie sind alle mit positiven gesundheitlichen Wirkungen verbunden. So wird zum Beispiel durch Cafestol die Menge an Glutathion gesteigert. Das ist ein Eiweiß, das im Körper antioxidativ wirkt und somit die Zellen vor Schädigungen schützt.

Daten von rund 15.500 Frauen aus der Nurses Health Study und 7400 Männern aus der Health Professional Follow up Study zeigten, dass Kaffeetrinker geringere Konzentrationen an bestimmten Entzündungsmarkern aufweisen, wie etwa -C-Peptid, CRP und Interleukin-6. Gleichzeitig waren bei Kaffeetrinkern deutlich höhere Spiegel von Adiponektin zu beobachten. Hohe Adiponektinspiegel sollen vor Diabetes schützen, und im Tierversuch zeigte sich zusätzlich ein schnellerer Fettabbau. Die Effekte auf diese Entzündungsparameter waren relativ unabhängig vom Koffeingehalt. Das heißt: Auch Decaf wirkte. Doch wie viel Kaffee braucht es dafür? Mehr als vier Tassen pro Tag!

Leberschutz mit mehr als 
vier Tassen am Tag

Dazu kommt: Kaffee hält nicht nur generelle Entzündungsmarker in Schach, sondern auch die Leber bei Laune. Im Vergleich zu Kaffee-Abstinenten haben Kaffeetrinker ein um 40 Prozent geringeres Risiko, an Leberkrebs zu erkranken. Das ging aus einer Analyse mehrerer Beobachtungsstudien hervor. Und der Zusammenhang war dosisabhängig. Je mehr getrunken wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für Leberkrebs.

Auch die EPIC-Studie wies den Effekt von Kaffee aus. Die Studie ist mit rund 520.000 Teilnehmern aus zehn europäischen Ländern eine der größten Kohortenstudien weltweit und untersucht den Zusammenhang von Ernährung und Krebs. Menschen, die mehr als vier Tassen pro Tag tranken (600 Milliliter), hatten im Vergleich zu jenen, die nur auf zwei Tassen (300 Milliliter) kamen, ein um 75 Prozent niedrigeres Risiko, an Leberkrebs zu erkranken. Für den Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Leberkrebs wurden in erster Linie drei Biomarker verantwortlich gemacht: ein an Entzündungsreaktionen beteiligter Botenstoff (Interleukin-6) sowie zwei Enzyme, die zeigen, ob Leberzellen geschädigt sind (Aspartat-Aminotransferase und Gamma-Glutamyltransferase).

Neben den Mengen beeinflusst zudem die Zubereitung den Schutzfaktor. Filterkaffee ohne Milch wirkte bei Leberkranken am besten. Koffeinfreier Kaffee wiederum verliert durch die Extraktion circa 30 Prozent der Polyphenole und scheint die Leber weniger zu schützen. 


Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2019

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Marlies Gruber
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