Johannes Nuding

Johannes Nuding
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Johannes Nuding mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet

Interview: Der Österreicher hat in London den kulinarischen Olymp erklommen und tritt in die Fußstapfen von Kochlegende Eckart Witzigmann.

Für Köche gibt es weltweit keine wichtigere Auszeichnung als drei Sterne, die Höchstwertung des Guide Michelin. Darüber stehen nur einzigartige Sonder-Ehren wie Koch des Jahrhunderts, so wie sie Ikone Eckart Witzigmann zu Teil wurde. Apropos: Der erste gebürtige Österreicher, der nach Witzigmann mit drei Sternen ausgezeichnet wurde ist Johannes Nuding, der eben seinen dritten Stern bestätigt bekam.

Nuding ist Küchenchef des »Sketch - The Lecture Room and Library« in London, das von Star-Chef Pierre Gagnaire kuratiert wird. Der gebürtige Tiroler befindet sich damit auf Augenhöhe mit Juan Amador, der als Erster und bisher Einziger in der Geschichte drei Sterne für ein österreichisches Restaurant (das seinen Namen trägt) erobern konnte.

Falstaff: Was war das für ein Gefühl, als Sie als erster Österreicher nach Eckart Witzigmann mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurden?
Johannes Nuding: Ich verspürte eine unglaubliche Euphorie, es war überwältigend! So etwas versteht man gar nicht. Man glaubt immer, dass die anderen Drei-Sterne-Köche magische Zutaten haben und dass man das nie erreichen kann. Das braucht ewig, bis es sickert – ich habe oft den Guide hergenommen und meinen Eintrag aufgeblättert um sicher zu gehen, dass es kein Traum war. Man denkt an all die großen Namen wie Bocuse oder Troisgros. Und dann drei Sterne für einen Österreicher, einfach überwältigend!

Sie waren erst 33, als Sie den dritten Stern erkochten, wie schafft man das?
Da steckt viel Arbeit dahinter. Man muss den ganzen Prozess zwischen Küche und Restaurant durchüberlegen. Der Gast kommt durch die Tür und muss sich rundum wohlfühlen, bis er das Restaurant wieder verlässt, da geht es um Temperaturen, um Geschwindigkeit, um so viel was man gar nicht denkt. Natürlich verwenden wir die besten Produkte, regional wenn es geht, aber nicht zu Lasten von Qualität. Man muss jeden Tag sein bestes geben und nicht denken »des passt scho«. Entweder es ist super, oder wir machen es neu. Außerdem muss man auf die Mitarbeiter eingehen, emotionale Intelligenz wird immer wichtiger. Man muss eine Handschrift entwickeln und dieser Linie folgen. Und gut kochen muss man auch.

Lafer und Langustine

Wer waren Ihre wichtigsten Lehrmeister?
Meine ersten Erfahrungen mit Spitzenküche habe ich als Praktikant bei Johann Lafer gesammelt. Ich war Teil einer riesigen Brigade von rund 25 Köchen, da habe ich viel gelernt. Dann war ich bei Johanna Maier, in einer ganz kleine Küche in der die Chefin jeden Tag von A bis Z in der Küche gearbeitet hat. Sie hat beim Abschmecken sehr viel Gefühl! 

Dann ging es zu Joël Robuchon nach Paris, wo richtig klassische französische Küche gekocht wurde. Ich musste Französisch lernen und durfte erstmals Großstadtluft schnuppern. Dann kam ich zu Pierre Gagnaire. Ich war sofort auf einer Linie mit dem Chef: ehrlich, emotional, er steht nie still. Hinter jedem Gericht steckt Poesie! (Anm.: Für Gagnaire hat Nuding in Paris, Moskau und nun in London gearbeitet).

Was würden Sie als Ihr Signature Dish bezeichnen?
Das ist schwierig zu beantworten, weil wir unsere Gerichte nicht wiederholen. Aber wenn ich eines nennen muss, dann würde ich die Langustine nehmen, die in mehreren Variationen, mit asiatischem, europäischem und französischem Einfluss.

Wenn weg, dann nach Tirol!

Jetzt haben Sie nicht nur einmal drei Michelin-Sterne erkocht, sondern sie auch schon bestätigt. Welche Ziele setzen Sie sich noch?
Ich mache mal weiter. Wir wollen nach Corona richtig stark wieder hervorkommen. Wir müssen wieder alles auf die richtige Schiene lenken, das Restaurant voll kriegen und die Gäste glücklich machen. Ich möchte mehr auf unsere Lieferanten zugehen und mit ihnen zusammenarbeiten. Nachhaltigkeit ist einfach Hausverstand für uns. Im zweiten Restaurant im »Sketch« möchten wir das Niveau noch verbessern. Und wir müssen die nächste Generation ausbilden. 

Das heißt, Sie sehen Ihre weitere Zukunft im »Sketch«?
JEIN. Ich habe dem »Sketch« und Pierre Gagnaire sehr viel zu verdanken, das würde ich nie unüberlegt verlassen. Aber wenn doch einmal, dann möchte ich nach Tirol!

Sie haben schon in Metropolen wie Moskau, Paris und London gearbeitet. Was läuft hier anders als bei uns?
Paris ist vom Kulinarischen und der Erfahrung der Gäste her ganz anders, Franzosen kennen die große Küche von klein auf. Paris ist das Epizentrum der Gourmetwelt, die Produktauswahl ist ein Traum. In Russland entwickelt sich gerade ein richtige Welle der »new russian cuisine«. Durch die Sanktionen sind sie gezwungen das heimische Potenzial voll auszuschöpfen, das tun sie mit Erfolg. 2021 gibt es einen Guide Michelin für Moskau und der Gault Millau ist schon seit einigen Jahren dort tätig. London steht da in der Mitte.

Und in Vergleich zu Wien?
Ich habe noch nie in Wien gearbeitet, die Gastronomie ist aber sicher auch ganz vorne dabei.

Einfach weitermachen

In Großbritannien gibt es sieben Restaurants mit drei Sternen – in Österreich hadert man mit dem Guide Michelin, der nur Wien und Salzburg bewertet und nur ein Restaurant auf diesem Niveau sieht. Wie sehen Sie diese Diskussion aus der Distanz?
Ich hab mir immer gedacht, dass auch in Österreich drei Sterne möglich sind. Der Guide Michelin muss mal längere Zeit da bleiben und man braucht Zeit, um sich von einem Stern zum nächsten weiter zu entwickeln. Man muss sich auch auf das Spiel einstellen und verstehen, was dem Guide Michelin wichtig ist. In der Schweiz haben sie ja auch drei Drei-Sterner. Ich bin sicher, dass wir in Österreich auch bald mehr haben werden. Man muss die Dynamik entwickeln lassen.

Es wäre auch hilfreich wenn der Staat eine österreichische Fine-Dining Initiative unterstützt und fördert, so wie zum Beispiel in Frankreich in den 80er Jahren oder zur Zeit in Skandinavien mit der »Nordic Cuisine«. Der Guide Michelin sollte auch in ganz Österreich testen.  

Was würden Sie Ihren Kollegen raten, die dem dritten Stern nahe sind, aber bislang noch nicht erreicht haben?
Einfach weitermachen. Ungeduld mit Michelin ist immer falsch, die spielen auf längere Zeit. Wenn sie nur 99,9 Prozent sicher sind, dann warten sie lieber noch.

Im »Sketch« war der dritte Stern nie erklärtes Ziel, der Druck war nie da. Wir kochen so wie wir es richtig finden. Beste Techniken, beste Produkte, beste Mitarbeiter. Aber man muss sich immer verbessern wollen.

Welches Londoner Restaurant sollte man unbedingt besuchen (außer das »The Sketch – Lecture Room & Library«)?
Sehr spannend sind im Moment »Da Terra« mit italienischer/südamerikanischer Küche und das »Mãos«, das gerade sehr gehypt wird. Leider komme ich selbst gar nicht viel in andere Restaurants.

Was gönnen Sie sich nach einem stressigen Arbeitstag?
Nach dem Service bekomme ich jeden Abend einen frischen Minztee. ich habe nicht viel Zeit für Ablenkungen, da es wieder früh los geht. Guter Schlaf ist die beste Belohnung.

Bernhard Degen
Autor
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