Johannes Hirsch ist Falstaff Winzer des Jahres 2011

Hirsch verwendete den Drehverschluss, lange bevor er in Österreich salonfähig wurde. Er nahm mit seinen Weinen die DAC-Idee vorweg. Und er macht federleichte Weine auf biodynamische Art.

Man kann sich dem Weingut Hirsch von zwei Seiten nähern: Durchquert man die kleine Ortschaft Kammern in Richtung Langenlois, gelangt man kurz vor dem Ortsende zum barocken ­Zehenthof, der einst im Eigentum des Stiftes Passau stand. Er zieht sich etwas von der Hauptstraße zurück, fast so, als ob er seine Tradition und Ruhe bewahren wollte.

Gewinnen Sie sechs Jahrgänge von Johannes Hirschs Riesling Gaisberg - Quizfragen beantworten und mitspielen!

Wandert man am Fuße des Zöbinger Gaisbergs entlang, weicht vom Gehweg ab und überquert eine Wiese, stößt man ungehindert von einem Zaun auf ein Passivhaus in moderner Architektur. Rege Betriebsamkeit herrscht auf dem Hof und in der Halle mit den silbernen Stahltanks. Die zwei Seiten, Moderne und Tradition, verschmelzen bei Johannes Hirsch, der von Falstaff zum Winzer des Jahres 2011 gewählt wurde, zu einer harmonischen Einheit. Das Bewahren alter Kultur und der Einsatz sinnvoller moderner Technik kennzeichnen das Weingut Hirsch ganz besonders. Und noch etwas charakterisiert die Weine des Winzers des Jahres: »Meine Weine haben selten mehr als 12,5 Volumenprozent. Diese Leichtigkeit des Weines liegt mir sehr am Herzen.«

Die wiederentdeckte Leichtigkeit des Weins
Im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre ist Johannes Hirsch immer deutlicher zum Vertreter dieser Philosophie geworden. Sein Vater Josef, der den qualitativen Grundstein gelegt hat und bis heute für die Weingärten verantwortlich zeichnet, musste den Hof im Jahr 1976 von einer Generation übernehmen, die nicht allzu viel für die Nachkommen zurückgelassen hatte. Sukzessive wurden die Rebflächen wieder in besten Lagen erweitert, der Wein entstand in einem alten Keller am Fuße des Gaisberges in der Kammerner Kellergasse, die nach Strass im Strassertale führt. Josef Hirsch verpachtete die restlichen Teile der Landwirtschaft und stellte die Weichen klar in Richtung Qualitätsweinbau. Ende der Achtzigerjahre herrsch-te Aufbruchstimmung im Weingut Hirsch, es wurden neue französische Sorten wie Char­donnay und Cabernet Sauvignon ausgepflanzt, erste Barriques wurden angeschafft. Auch der Neuburger wurde in passenden Jahrgängen ins Barrique gelegt. Rotwein war damals durchaus noch ein Thema, es gab in jenen Tagen auch noch Portugieser, Zweigelt, St. Laurent und ab 1991 den Pinot Noir.

Winzer-Biografie von Johannes Hirsch
Der junge Hirsch absolvierte die Höhere Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg und zog danach recht rasch in die weite Weinwelt hinaus. Im Zeitraum von nur einem Jahr schaffte es der Jungwinzer, gleich bei vier Weinlesen dabei zu sein. Über Neuseeland (bei Rudi Bauer, damals noch bei Rippon Vineyards) und Australien (Penfolds) führte sein Weg nach Kalifornien (Grand Cru Vineyards). 1993 folgte ein halbes Jahr in Südafrika bei Opstal Estate. Viele neue Ideen und Impressionen brachte der junge Mann ins Kamptal mit. Dank seines weit blickenden und für Neues offenen Vaters wurde vieles davon tatsächlich umgesetzt.

Innovation im Garten und Keller
Von Anfang an wurde in den Weingärten auf natürlichen Dünger gesetzt. Heute liefern diesen die Ziegen und Wasserbüffel des über die regionalen Grenzen hinaus bekannten Käsemachers Robert Paget aus dem nahen Diendorf. Mit moderner Kellertechnik und konsequenter Laubarbeit in den Weingärten erreichten die Hirsch-Weißweine Ende der Neunzigerjahre bereits nationales Spitzenniveau, als Mitglied der Traditionsweingüter Österreich fand man auch entsprechend Gehör bei Kritik, Handel und Gastronomie. Doch Johannes Hirsch dachte zu keiner Zeit daran, sich auf dem Erreichten auszuruhen, ganz im Gegenteil: Immer wieder stieß er auf Problemstellungen, die sofort anzugehen er sich nicht scheute.

Bereits in den Neunzigerjahren begann sich Hirsch über die Probleme mit Korkfehlern zu ärgern. Vom Jahrgang 1997 bis 1999 bot er seine Weine bereits mit Kunststoffverschlüssen als Alternative zu Naturkork an, die Kunden kauften aber dennoch mehrheitlich den herkömmlich verschlossenen Wein. Aber Hirsch verlor das Problem nicht aus den Augen. Als dann bei einer ohnehin nur in geringen Mengen vorhandenen herrlichen Riesling-TBA aus 2000 so gut wie jede Flasche einen Stoppelgeschmack aufwies, war Hirsch end­gültig klar, dass er dringend eine Alternative brauchte. Bereits bei seinem Praktikum in Neuseeland war er auf Schraubverschlüsse aufmerksam geworden. Diese hatten sich mit der Zeit auch weiter verbessert.

Bei einem Besuch der legendären »Gramercy Tavern« in Manhattan im Sommer 2002 machte der Sommelier dem aufstrebenden Winzer aus Österreich dann ein für diese Zeit beinahe noch unmoralisches Angebot: »Füll deine Spitzenweine mit Schraubverschluss ab, und ich werde sie ausschenken.« Die Tatsache, dass Hirsch den Jahrgang 2003 bereits zur Gänze mit Schrauber auf den Markt brachte, sorgte für hitzige Kontroversen und Diskussionen. Für die konservativen Weinfreunde waren Lagenweine mit Stelvin-Verschlüssen ein absolutes No-go, und auch in einem Editorial des Falstaff-Magazins wurde aus Angst vor dem sofortigen Untergang der heimischen Weinkultur zum Boykott des neuartigen Verschlusssystems im Allgemeinen und der solcherart gelieferten Hirsch-Weine im Besonderen aufgerufen. Ein Irrtum, wie man heute weiß.

Ohne dies je angestrebt zu haben, mutierte Johannes Hirsch zum »Robin Hood der Schrau­ber«. Keine zehn Jahre später kann man über viele der damaligen Argumente nur mehr milde lächeln. Und wenn man die Massen an österreichischen Weinen bedenkt, die heute mit Schraubverschluss auf den Markt kommen, wird schnell klar, dass dieser sich bereits längst durchgesetzt hat. Dies ist zu einem großen Teil Johannes Hirsch zu verdanken, der diese Idee radikal und konsequent durchgefochten hat.

Pionier der DAC-Idee
Aber auch bei den Weinen war der Kamptaler höchst innovativ. Dank seiner internationalen Erfahrung hat er bald gelernt, dass ein strafferes Sortiment klarer auszusagen vermag, wofür eine Region steht. Mit der Selbstbeschränkung auf Grünen Veltliner und Riesling hat Hirsch die später eingeführte DAC-Idee im Kamptal ein Stück weit vorweggenommen. Auch wenn er mit der derzeitigen Umsetzung nicht in allen Aspekten einverstanden ist: »Das Kamptal ist eine Region mit unglaublichem Potenzial – wie kaum ein anderes Weißweingebiet. Ich bin allerdings der Auffassung, dass man bei dem auf analytischen Daten basierenden DAC-System darauf achten muss, nicht eigentlich eine Uniformität der Weine zu fördern. Gerade der feine Jahrgang 2010 beweist das.«

Den vollständigen Text über die Lage Heiligenstein, den Riesling Zöbing und den biodynamischen Ansatz von Hirsch lesen Sie im aktuellen Falstaff Nr. 4/2011.

ADRESSE
Weingut Hirsch
3493 Kammern, Hauptstraße 76
T: 02735/24 60, F: DW 60
info@weingut-hirsch.at 
www.weingut-hirsch.at

BEZUG
Wein & Co, Unger & Klein, Gawein Bruckner, Döllerer, Schenkenfelder, Morandell u. v. a.

Text von Peter Moser
Fotos von Moritz Schell

Mehr zum Thema