Jörg Wörther

Jörg Wörther
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Jörg Wörther (1958-2020): Genie und Wahnsinn

Die Meldung sorgte für Betroffenheit. Jörg Wörther ist im Alter von 62 Jahren seiner schweren Erkrankung erlegen.

Jörg Wörther, der Ausnahmekoch, ein Genie unter Österreichs Kochkünstlern, einer der Zeit seines Lebens polarisierte wie kaum in anderer. Als einziger Koch des Landes erhielt er 1990 von Gault Millau den bis dato noch nie in Österreich vergebenen Titel »Koch des Jahrzehnts«.

Dem Mythos Jörg Wörther wird allerdings auch dieser Preis nicht wirklich gerecht. Wörther ragte aus vielerlei Gründen heraus. Er galt nicht nur lange Zeit als Österreichs bester Koch, er war ein Gratwanderer im Grenzgebiet zwischen Genialität und Wahnsinn. So schonungslos und radikal er versuchte, den Geschmack einzelner Lebensmittel konsequent in den Vordergrund zu rücken, so gnadenlos ging er auch mit sich selbst und seiner Umwelt um. »Ich brauche keine Leute in der Küche, die eigene Ideen haben«, erzählte Wörther gern, »Ideen habe ich selber. Ich brauche Leute, die exakt das tun, was ich von ihnen will«.

Höhen und Tiefen

Er kochte nicht nur stets am Limit, er führte auch ein dazu passendes Leben. Angetrieben vom Ehrgeiz Außergewöhnliches zu erreichen, musste er auch immer wieder Rückschläge erleiden, er wechselte oft die Stationen und Restaurants, nicht selten auch unfreiwillig. Als Unternehmer schlug er sich wacker, am Ende des Tages aber eher glücklos, als Koch jedoch erreichte er Sphären, von denen die meisten Kollegen nur träumen können.

Witzigmann-Schüler

Geprägt wurde er von einem nicht minder großen Koch, einem vielleicht noch größeren. Für Eckart Witzigmann, »Koch des Jahrhunderts«, war Jörg Wörther »eines der größten Kochtalente, die ihm je untergekommen sind«. Und Witzigmann hat viele Talente ausgebildet, die heute gefeierte Starköche sind.

Es war eine strenge Schule, die Wörther in Witzigmanns Restaurant »Aubergine« in München hinter sich brachte. Wörther erzählte gern Anekdoten aus dieser Zeit. So habe Witzigmann – von seinen Eleven stets ehrfurchtsvoll »der Chef« genannt – ihn einmal fast beim Tricksen erwischt. Wie jeden Tag mussten die Köche antreten, um dem Chef ihre Saucen zu präsentieren. Wörther hatte das rechtzeitige Besorgen der notwendigen Zutaten verschlafen und holte sich aus dem Kühlhaus noch rasch Substitute. Witzigmann kostete sich mit dem Finger durch die Reihe und hielt bei Wörthers Sauce kurz inne. »Schmeckt ganz anders als sonst«, soll er mit finsterer Miene gesagt haben, »aber ist nicht schlecht.«

Wörther wischte sich den Schweiß von der Stirn und beichtete seinem Mentor die kleine Trickserei erst zehn Jahre später. Doch statt Milde und Vergebung erntete er scharfe Empörung. Laut Wörther soll Witzigmann so wütend gewesen sein, dass er Monate lang nichts mit ihm redete. »Der hat mir das nach so langer Zeit noch immer übelgenommen«, erzählte Wörther und lächelte dabei.

Radikaler Purist

Obwohl ihn Witzigmann wie kein anderer geprägt hatte, gelang es Wörther einen ganz eigenen Stil zu entwickeln. Er kopierte seinen Lehrmeister nie, überhaupt kam er bei seiner Kochkunst weitgehend ohne fremde Einflüsse aus. Er machte keine Moden mit, hielt von Molekularküche und Nordic Cuisine recht wenig, er hatte nie eine »asiatische Phase«, was ihn reizte war der pure Geschmack. Wer jemals seine Tomatensuppe mit Flußkrebsen, seine berühmten Sellerietascherl oder seinen legendären Nussschmarren gegessen hatte, erkannte sofort den Schöpfer der Kreation. Ein radikaler Purist, ein kompromissloser Einzelgänger, der nichts anderes wollte, als Wörther pur auf den Teller zu bringen. Was immer es sonst auf der Welt zu essen gab, interessierte ihn wenig.

Besondere Herausforderungen

Wörther erhielt unzählige Auszeichnungen, den heiß begehrten dritten Michelin-Stern aber bekam er nie. Obwohl ihn Michelin als einzigen österreichischen Koch dafür vorgesehen hatte.
Wirtschaftliche Turbulenzen brachten es mit sich, dass ihm vermögende Geldgeber immer wieder eine neue Bühne ermöglichten. Etwa das »Schloß Prielau« in Zell am See, das ihm die Familie Porsche verpachtete. Danach stand Wörther einige Zeit im Dienst von Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz.

Wörther geriet dennoch immer wieder an Grenzen. Manchmal setzte er sie selber. Wenn ihm irgendein Schnösel aus der Münchner Schikeria die Welt erklären wollte, dann geriet er nicht selten in Rage. Dann konnte er schon ein etwas schwieriger Gastgeber sein.

Andererseits liebte er es, wenn befreundete Gäste stundenlang über seine Saucen diskutierten und bei der Frage, ist da jetzt Butter oder Obers dabei, in Streit gerieten. »Ich mag Verrückte, weil ich ja selber einer bin«, kommentierte er solche Ereignisse.

Seine große Hoffnung, mit seinen von ihm kreierten »Cones« einen Seller zu landen, erfüllte sich nicht. »Man kann die geniale Küche eines Jörg Wörthers nicht wie ein Eis in einem Stanitzel essen«, urteilte damals der verstorbene Gourmetpapst Wolfram Siebeck und verlangte nach Besteck und Teller.

Großer Verlust

In den letzten Jahren war es um Jörg Wörther ziemlich ruhig geworden. Er kämpfte tapfer gegen seine schwere Krankheit. Bis zuletzt.

Mit Jörg Wörther hat Österreich nicht nur den einzigen »Koch des Jahrzehnts« verloren sondern wahrscheinlich das außergewöhnlichste Kochtalent überhaupt. Es werden ihn viele vermissen.


Herbert Hacker
Herbert Hacker
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