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Jahrgang 2020: Elegant und fruchtig im Jahr der Pandemie

Der Jahrgang 2020 gestaltete sich für Österreichs Winzer in vielfältiger Weise als Herausforderung. Zum einen stellte der sehr wechselhafte Witterungsverlauf die Flexibilität der Winzer ständig auf die Probe, zum anderen verlangte die Corona-Pandemie eine auf Sicherheit abzielende Adaption sämtlicher Arbeitsgänge im Weingarten wie im Keller.

Ein kaltes und trockenes Frühjahr hatte den Austrieb der Reben zunächst verzögert, ab April sorgte eine signifikant hohe Anzahl von Sonnenstunden für eine zügige Entwicklung der Reben, die gefürchteten Spätfroste blieben aus. Die Blüte war bei den meisten Sorten Mitte Juni abgeschlossen, nur punktuell gab es Einbußen durch Verrieselung. Der Sommer brachte viele heiße Tage, immer wieder unterbrochen von Niederschlägen, der Druck durch Pilzkrankheiten ließ die Winzer wachsam bleiben. Leider gab es auch während der Reifeperiode lokale Hagelereignisse, zum Beispiel im Donauraum, wobei die Wachau besonders hart getroffen wurde. Dank der Niederschläge nahmen die Reben und Trauben sonst im Großen und Ganzen eine weitgehend stressfreie Entwicklung. Das Finale des Weinjahres 2020 brachte für die Winzer einerseits überdurchschnittlich viele Sonnenstunden, was eine optimale Reife der Trauben beförderte, Ende des Monats brachte ein Kaltlufteinbruch aber auch starke Niederschläge mit sich.

Man beeilte sich also schließlich, die gesunden Trauben in den Keller zu bringen. Erste Jungweinproben zeigten Vielversprechendes, sowohl Weiß- wie Rotweine präsentierten sich mit guter Frucht und harmonisch, die Weißweine verfügten über eine lebendige Säurestruktur. Ähnlich wie 2019 lag die Erntemenge mit etwa 2,3 Millionen Hektolitern leicht unter dem Durchschnitt, was angesichts der Corona-bedingten Reserven kein Problem darstellte.

Das Weinwetter 2020

Der Wettergott sorgte dafür, dass den heimischen Weinbauern nicht fad wurde. Nach einem trockenen Winter kam es gebietsweise zu einem etwas verzögerten Austreiben der Reben. Ein sehr warmer und sonniger April beschleunigte die weitere Entwicklung nicht allzu sehr, da er von extremer Trockenheit begleitet war, die vielerorts wochenlang anhielt. Einige Frostnächte führten in ungünstigen Lagen zu Schäden, die aber insgesamt gesehen – und im Vergleich zu den Vorjahren – unerheblich waren. Im Mai fielen Niederschläge in geballter Form, und auch der Juni war sehr feucht und wechselhaft. Die Rebblüte begann zu einem normalen Zeitpunkt und verlief im Wesentlichen unproblematisch, dort und da traten vereinzelt Verrieselungen auf.

Es folgte ein Sommer, in dem einander sonnige und regnerische Phasen abwechselten. Es blieben längere Hitzewellen ebenso aus wie hohe Spitzentemperaturen. Allerdings führten die häufigen Niederschläge zu starkem Pflanzenwachstum und Krankheitsdruck. Sorgfältige Laubarbeit und eine gute Belüftung der Traubenzone waren daher wichtig, um der Ausbrei- tung von Pilzkrankheiten entgegenzuwirken. Bis Mitte August sah es in den Weingärten sehr gut aus. In einigen Gebieten kam es dann jedoch zu lokal begrenzten Hagelunwettern, die etwa in der Wachau, wo der Raum Spitz besonders arg betroffen war, sowie in Teilen des Kremstals und des Traisentals zu schlimmen Schäden führten. Auch einige burgenländische und steirische Weinbauorte waren betroffen.

Der September hatte ebenfalls zwei Gesichter: Einerseits verzeichnete er so viele Sonnenstunden wie ein Sommermonat und entsprechend hohe Tagestemperaturen, andererseits kam es gegen Monatsende in vielen Gebieten zu andauerndem Starkregen mit rekordverdächtigen 

Niederschlagsmengen. Aufgrund dieser feucht- warmen Witterung hatten die Weinbauern alle Hände voll zu tun, um die Gesundheit der Trau- ben zu erhalten. Relativ niedrige Nachttempera- turen wirkten sich positiv auf die Ausbildung der Aromen und der Säurestruktur aus. Anfang September begann die allgemeine Weinlese, die sich bei recht guten Bedingungen größtenteils bis Ende Oktober zog. Nicht nur in den vom Hagel betroffenen Weinbaugebieten waren eine penible Selektion der Trauben und somit ein kostenintensiver Ernteeinsatz erforderlich.

Klassische Weiße mit Säuregerüst

In Niederösterreich und Wien sind sehr frische und fruchtbetonte Weine entstanden, die mit etwas niedrigerem Alkoholgehalt und rassigerer Säurestruktur ausgestattet sind. Die Sortentypizität kommt dabei sowohl bei der Leitsorte Grüner Veltliner als auch bei den Rieslingen und der gesamten Burgunderfamilie gut zum Ausdruck.

Etwas schwerer hatten es Bukettsorten wie Muskateller oder Traminer, ihre aromatischen Vorzüge voll zur Geltung zu bringen. Sehr ansprechend sind insbesondere Weine der Klassik- bzw. Gebietsweinkategorie ausfallen, weil sie knackige Frische und klare Frucht mit belebender, reifer Säure verbinden.

Exzellent ist die Performance der Weißweine der Reservekategorie, die 2020 nach penibler Auslese nur in geringerer Stückzahl möglich war. Die Rieden- und Premiumweine sind ausgestattet mit Balance, Präzision, Struktur und Standfestigkeit für eine längere Lagerung. Kennzeichnend für die 2020er-Weißweine aller Sorten des Burgenlandes ist ein ausgereiftes, harmonisches Geschmacksbild, das durch eine rassige Säurestruktur ergänzt wird, sodass man von Leithaberg & Co. einiges zu erwarten hat. Archetypisch zeigen sich in der Steiermark bereits die leichteren Weißweine der Gebietswein-Linie. Auch in der Steiermark bedeutete das regenreiche Tiefdruckgebiet im September eine gewisse Zäsur und hatte Ernteunterbrechungen zur Folge. Wer die Nerven hatte, die Weinlese erst einige Zeit nach dem Regen fortzusetzen, wurde mit wunderbar sonnigen Oktobertagen belohnt, die eine perfekte Ausreifung der Trauben ermöglichten. So konnten eben jene Riedenweine eingebracht werden, die für das hohe Renommee der steirischen Weinbaubetriebe verantwortlich sind. Besonders attraktiv und charakteristisch ist die erfolgreiche steirische Leitsorte Sauvignon Blanc ausgefallen, die naturgemäß von guter Wasserversorgung profitiert. Nach dem erwähnten Zuwarten hat auch die Burgunderfamilie ein sehr gutes Niveau erbracht, ebenso die Rieslinge im Sausal. Ähnliches gilt auch für die weststeirischen Schilcherweine, die nach einigen von hoher Reife geprägten Jahren wieder mehr typische Frische und Rasse bei schlankerer Statur in den Vordergrund stellen.

Rotweine mit lebendiger Eleganz

In den niederösterreichischen Rotweinzentren der Thermenregion und von Carnuntum freute man sich über fruchtbetonte, etwas leichtere und elegante Rotweine, wobei alle Rebsorten und Gewichtsklassen verfügbar sind; die besten Exemplare werden das Format der fein-fruchtigen 2016er erreichen.

Nach Abschluss der Verkostungen konnte man sicher sagen, dass das Burgenland zu den Gewinnern des Jahrgangs 2020 gehört. Zum einen erreichten die starken herbstlichen Regenfälle die Weinorte am Neusiedler See gar nicht und waren auch im mittleren sowie südlichen Bereich des Eisenbergs nur abgeschwächt wirksam, zum anderen konnte es von der klimatisch bedingten früheren Traubenreife diesmal überdurchschnittlich profitieren. So war die Weinlese beispielsweise rund um den Neusiedler See vor dem Wetterumschwung in der zweiten Septemberhälfte erledigt. Wermutstropfen waren hier einige lokale Hagelschläge. Hohe Erwartungen dürfen die Weinfreunde in allen burgenländischen Appellationen jedenfalls in die Rotweinqualität legen. Wie stets in kühleren Jahren war es 2020 wichtig, den Ertrag entsprechend zu reduzieren. Alles in allem sind also ausgewogene Blaue Zweigelt und Blaufränkisch von erstaunlicher Qualität gewachsen, aber auch die internationalen Sorten aus geeigneten Lagen können aufzeigen.

Süße Versuchung sehr limitiert

Was die Dessertweine betrifft, so konnten spät, aber doch sogar edelsüße Raritäten wie Ruster Ausbruch DAC und Neusiedlersee DAC gewonnen werden, wenn auch in sehr geringer Menge. Vereinzelt erlaubten eiskalte Nächte sogar die Kelterung von Eisweinen. Dieser ging allerdings ein enormes Geduldspiel voraus, tatsächlich war es erst am 11. und 12. Jänner 2021 so weit, dass die notwendigen Minusgrade erreicht wurden. Belohnt wurden die Winzer dafür mit sensationellen Qualitäten.

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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