Italiens neue Stars

Nach einer Phase der frenetischen Neugründungen ist es in der italienischen Weinszene ruhig geworden. Dennoch gibt es interessante Newcomer, die erst vor Kurzem zur Elite hinzugestoßen sind.

Die arrivierten Weinbaubetriebe Italiens sind fast ausnahmslos im Norden des Landes zu finden, vorzugsweise in der Toskana und im Piemont. Das große Wachs­tums­potenzial aber liegt im Süden – von der Menge her, aber auch die Qualität betreffend.
Dort gibt es viele autochthone Rebsorten, deren Wert gerade wiederentdeckt wird. Nach einer Zeit, in der vor allem Weine auf Cabernet- und Merlot-Basis von sich reden machten, stehen in den letzten Jahren eigenständige Sorten im Mittelpunkt.

Renaissance im Salento
Ein großer Wein entsteht aus einem großen Terroir. Zuallererst aber entsteht er im Kopf eines Winzers mit Weitblick. Gianfranco Fino in Apulien war lange auf der Suche nach einem geeigneten Weingarten für seinen Idealwein. 2004 wurde er bei Manduria im Sa­lento, dem Stiefelabsatz Italiens, fündig: ein gerade 1,2 Hektar großer Weingarten, ­bestockt mit über 50 Jahre alten Primitivo-Buschreben, gerade mal 70 Zentimeter hoch, mit weit verzweigten knorrigen Ästen.Simona und Gianfranco Fino Der Ertrag liegt bei 400 Gramm pro Rebe. Später kamen noch weitere Primitivo-Weingärten dazu, in denen ähnlich alte Reben stehen, sodass die Fläche nun insgesamt sieben Hektar umfasst. Daneben verfügt Fino über einen kleinen Weingarten von einem knappen Hektar mit alten Negroamaro-Reben. Er erzeugt lediglich zwei Weine: einen Primitivo und ­einen Negroamaro, beide sortenrein. Seinen Primitivo nennt Fino »Es«, der Negroamaro heißt »Jo«. Beide Weine sind dicht und voll, zeigen aber auch viel Trinkfluss. Ein wunderbarer Eindruck von dem, was Apulien sein kann.

Vielfalt am Ätna
Die Weine vom Ätna in Sizilien zählen zu den großen Neuentdeckungen der letzten Jahre. In Höhenlagen bis über 1000 Meter entstehen aus der autochthonen Sorte Nerello Mascalese höchst geschliffene und elegante Weine. Andrea Franchetti war einer der Ersten. An den Ätna gelangte der aus Rom stammende Unternehmer erstmals Ende der 1990er-Jahre. Im Jahr 2000 errichtete er auf knapp 1000 Meter Meereshöhe seinen eigenen Betrieb, den er schlicht und einfach nach der umliegenden Ortschaft benannte: Passopisciaro. Gekonnt nutzte Franchetti das Potenzial der alten Weingärten. In den ersten Jahren produzierte Franchetti aus den alten Nerello-Weinstöcken nur einen einzigen Wein, den Passopisciaro. »Am Ätna haben wir ein enormes Temperaturgefälle«, sagt Franchetti, »nachts wird es hier kühler als in den Dolomiten. Dieses Klima und der mineralische Vulkanboden geben den Weinen ihre Einzig­artigkeit.« Seit dem Jahrgang 2008 ­erzeugt er u. a. vier Lagenweine in Kleinst­auf­lage: Contrada Chiappa­macine, Contrada Porcaria, Contrada Sciara­nuova und Contrada Rampante. Alle aus Nerello Mascalese erzeugt, geben sie in Höhen­lagen von 500, 650, 850 und 1000 Metern die unterschiedlichen Terroirs geschmacklich wieder.

Oase der Engel
Was Andrea Franchetti der Nerello ist, ist Marco Casolanetti der Montepulciano. Gemeinsam mit seiner Frau Eleonora Rossi leitet er die »Oasi degli Angeli«. Diese Oase der Engel liegt in Cupra Marittima im südlichen Teil der Marken. Marco Casolanetti von Oasi degli Angeli
1997 erzeugte Marco seinen ersten Wein, einen sortenreinen Montepulciano, den er nach dem Kosenamen seiner Schwiegermutter Kurni nennt. Das Ziel war von Anfang an klar: Aus dem sonst oft vernachlässigten Montepulciano will er einen großen Rotwein kreieren. Dafür setzte er von Beginn an auf extrem niedrige ­Erträge – lediglich 150 bis 170 Gramm pro Stock – und naturnahen Anbau. Heute werden die Weinberge von Oasi degli Angeli biodynamisch bewirtschaftet. Der Kurni ist ein Konzentrat dieser Landschaft: weich und warm, aber zugleich auch strukturiert und tiefgründig.

Frischer Wind in der Toskana
Doch nicht nur der Süden, auch die Toskana ist immer wieder gut für Neuentdeckungen. Das Weingut von Stella di Campalto liegt im äußersten Südosten von Montalcino. Aufgewachsen in Mailand kam Stella Anfang der 1990er-Jahre nach Montalcino. Sie begann, die schon seit mehreren Jahren nicht mehr bestellten Felder wieder urbar zu machen. Seit 1996 ist der Betrieb bio-, seit 2005 Demeter-zertifiziert – als erster in Montalcino. Stel­la di Campalto beeindruckt durch ihre offene, kommunikative Art. Aus den insgesamt 6,5 Hektar Weinbergen erzeugte sie 2001 erstmals einen Rosso di Montalcino, mit dem Jahrgang 2004 folgte der erste Brunello. Der war aufgrund der recht neuen Gebinde zwar noch etwas vom Holz dominiert, zeigte das Potenzial des Weinguts aber schon eindrucksvoll auf. Der 2006er und auch der aktuelle Jahrgang 2007 sind hervorragend ausgefallen.

Das Weingut Elvio Cogno

Überzeugende Barolos
Auch den Namen Elvio Cogno sollten sich Weinbegeisterte merken. Das Weingut liegt mitten im klassischen Anbaugebiet des Barolo, in Novello. Die rund elf Hektar Weinberge liegen fast zur Gänze rund um das Gutsgebäude. Wie jedes ordentliche Weingut in den Langhe erzeugt auch Elvio Cogno Barbera und Dolcetto, dazu gibt es noch einen Weißwein aus der raren lokalen Sorte Nascetta. Der wichtigste Wein aber ist der Barolo, der rund die Hälfte der Produktion ausmacht. Gleich vier verschiedene Barolos führt Valter Fissore, Schwager von Betriebsgründer Elvio Cogno, im Programm: Barolo Cascina Nuova, erzeugt aus jungen Reben, schon früh gut antrinkbar; Barolo Ravera, in dem die Lagencharakteris­tik am besten zum Ausdruck kommt; Barolo Bricco Quaglia, der aus der besten Parzelle in der Lage Ravera stammt und ein Jahr länger reift; schließlich der Barolo Riserva Elena, benannt nach der Tochter des Hauses, der nur in den allerbesten Jahren erzeugt wird. Im Zuge der umfangreichen Sanierungsarbeiten auf dem Weingut wurden auch einige Ferienwohnungen eingerichtet. Wer also die Realität des Barolo hautnah miterleben will, kann sich auch bei den ­Cognos einquartieren.

ADRESSEN:

Gianfranco Fino
Via Fior di Salvia 8, 74122 Lama
T: +39/099/777 39 70
www.gianfrancofino.it

Passopisciaro
Via S. Spirito, 95030 Castiglione di Sicilia
T: +39/0578/26 71 10
www.passopisciaro.com

Oasi degli Angeli
C. da S. Egidio 50, 63012 Cupra Marittima
T: +39/0735/77 85 69
www.kurni.it 

Stella di Campalto
Podere San Giuseppe, 53024 Montalcino
T: +39/0577/83 57 54
www.stelladicampalto.it

Elvio Cogno
Ravera 2, 12060 Novello
T: +39/0173/74 40 06
www.elviocogno.com

Text von Othmar Kiem
aus Falstaff Nr. 01/12

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien