Verkaufen spanische Weine online und über ein wachsendes Filialnetz: Christopher Maaß (l.) und Alexander Wendt.

Verkaufen spanische Weine online und über ein wachsendes Filialnetz: Christopher Maaß (l.) und Alexander Wendt.
© Christoph Michaelis

Interview mit Wein & Vinos: Reservas laufen gut

Wird das von Weintrinkern geschätzt oder geht der Trend zu jüngeren Weinen? Was hat sich durch Corona verändert? Ein Gespräch mit zwei Spanien-Spezialisten.

Herr Maaß, Herr Wendt, Sie sind mit Wein & Vinos seit 25 Jahren im Weinhandel aktiv. Kannte man in Deutschland 1996 überhaupt spanischen Wein, mal abgesehen von jenem für Sangria?
ALEXANDER WENDT: Spanischer Wein steckte damals tatsächlich noch in den Kinderschuhen. Da gab es fünf, sechs große Marken aus der Rioja und natürlich Torres und ein paar andere, aber Spanien hat 1996 noch keine nennenswerte Rolle in Deutschland gespielt.
CHRISTOPHER MAASS: Allerdings haben unsere Kunden schnell gemerkt, wie viel Wein man in Spanien für sein Geld bekommen kann. Das unterscheidet Spanien von den meisten anderen europäischen Ländern: Das Preis-Genuss-Verhältnis ist exorbitant gut.

Welche Rolle spielt die Rioja für Ihr Geschäft? Sind Weine mit langer Lagerung noch en vogue?
WENDT: Bei uns ist die Rioja nach wie vor ein wachsendes Segment, unsere Topseller kommen von dort. Interessanterweise sind es die gereiften Weine der Kategorie Reserva, die gut laufen. Jungwein wollen unsere Kunden nicht aus der Rioja haben.

Haben Sie einen Trend hin zu schlanken Weinen festgestellt?
WENDT: Für viele Winzer ist Parker passé. Es wird immer Betriebe geben, die Weine mit mehr Alkohol machen und auf dunkle Frucht setzen, aber das ist die Vergangenheit. Das Selbstbewusstsein der Weinmacher ist gestiegen, die orientieren sich nicht an Vorgaben, sondern suchen neue, eigene Wege. Und die Rioja ist nach wie vor schlank. Manchmal siehst du richtig, wie enttäuscht Leute sind, die ein bisschen was aus Spanien kennen und dann zum ersten Mal eine Gran Reserva aus Rioja trinken. Sie erwarten den ganz großen Aufschlag, ein Bong, ein Bums. Dabei sind das feine, filigrane, unter Spannung stehende Kunstwerke.

Für Weinbau selbst sind die 25 Jahre seit Ihrer Gründung keine besonders lange Zeit, aber welche Veränderungen haben die spanischen Weine seitdem durchlaufen?
WENDT: Die Qualität ist deutlich besser geworden. Die ganze Kellertechnik hat sich modernisiert, da wurde unglaublich viel gelernt. Früher hat man sich stark an den Franzosen orientiert, überall wurden zum Nachteil der autochthonen Rebsorten die Klassiker aus Bordeaux gepflanzt. Diese Fehlentwicklung wurde mittlerweile erkannt und korrigiert. Gerade die Önologen der jungen Generation sind gut ausgebildet. Die sind auf der ganzen Welt unterwegs gewesen, haben Praktika in Kalifornien, Bordeaux oder in Australien gemacht. Da gibt es heute viel mehr Wissen als früher, die ältere Generation hat ihre Scholle ja meist nicht verlassen.

Spanien ist das Geschäft des Fachweinhändlers Wein & Vinos. Wohl niemand verkauft in Deutschland mehr spanischen Wein als das Unternehmen aus Berlin.
© Shutterstock
Spanien ist das Geschäft des Fachweinhändlers Wein & Vinos. Wohl niemand verkauft in Deutschland mehr spanischen Wein als das Unternehmen aus Berlin.

Was bedeutet das für den Wein?  
WENDT: Man findet in Spanien heute die ganze Bandbreite: von traditionellen Stilis­tiken mit sehr langer Barriquereife bis hin zu modernen Stilistiken, die das Terroir betonen, mit mehr Frucht und weniger Holz. Einige ultramoderne Winzer gehen ganz neue Wege: Sie versuchen, sehr kühle, burgunderhafte Stilistiken zu produzieren.

Die Vielseitigkeit als Vorteil für Spanien?
WENDT: Das Land hat enorm viele Klima­zonen: kontinentales Klima genauso wie atlantisches und mediterranes. Es gibt wüstenartige Gegenden und extrem regenreiche Gebiete mit Galizien im Nordwesten, außerdem Höhenlagen bis weit über 1000 Meter. Diese Vielfalt ist faszinierend.

Lassen Sie uns noch über die Auswirkungen der Pandemie sprechen. Corona war wie ein Booster für Ihr Geschäft. Sie haben im vergangenen Jahr Ihren Umsatz auf knapp 62 Millionen Euro gesteigert, ein Plus von fast 30 Prozent. Anstatt nach Spanien in den Urlaub zu fahren, haben sich die Leute ein Stück Spanien nach Hause geholt?
MAASS: Hauptgrund für das Wachstum war, dass viel mehr Leute bestellt haben. Sowohl neue Kunden als auch Bestandskunden. An manchen Tagen haben wir bis zu 6000 Pakete verschickt. Kurzzeitig führte dies dazu, dass unsere Lieferzeiten ein wenig länger waren – zusammen mit DHL haben wir das aber wieder schnell in den Griff bekommen.
WENDT: Anfangs war es problematisch, weil wir in unseren acht Filialen keine Verkostungen mehr machen durften, dabei gehören die zu unserer DNA. Unsere Kunden sind ja zu 99 Prozent Endkunden, nicht die Gastronomie.

Wie sind Sie damit umgegangen?
MAASS: Wir haben verschiedene Formate ausprobiert und dann zum ersten Mal im April vergangenen Jahres, also recht schnell, Tastings ins Netz verlagert. Inzwischen haben wir auf mehreren Weinproben mehr als 1000 Menschen erreicht. Die Tastings sind für unsere Kunden und uns echte Highlights, wobei wir mit Bildern und Videos die Geschichten hinter den Weinen erzählen und die Weine mit einem selbst entwickelten Aromen-Rad gemeinsam beschreiben. Nicht jeder kann sich so gewählt ausdrucken wie Herr Wendt, wenn es um die Beschreibung von Wein geht. (beide lachen)
WENDT: Jeder ist Experte, weil jeder weiß, was ihm schmeckt und was ihm nicht schmeckt. Aber die Verkostungen sind wirklich irre. Die Leute bleiben von Anfang bis Ende dabei, unfassbar.

Niemand steigt vorher aus?
MAASS: Die Abbruchquote ist so gering, dass 95 Prozent bis zum Ende bleiben. Viele machen das in einer größeren Runde, und jeder kann für sich entscheiden, ob er den Ton lauter stellt oder lautstark mit seinen Freunden diskutiert.

Wie finden die Winzer das?  
MAASS: Die Bodegas haben am Anfang noch sehr wackelige Handyvideos zugeschickt, aber mittlerweile haben sich alle darauf eingestellt und wir bekommen ­wirklich gute Einspieler.


Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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