Juan Amador

Juan Amador
© Inge Prader

Interview: Juan Amador wettert gegen Disziplinlosigkeit

Der Spitzenkoch über Reintesten und Freitesten, über Lokale die trotz Corona Gäste bewirten und über Impf- statt Teststraßen.

Juan Amador ist Österreichs einziger Koch, der mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Sein Restaurant in Wien-Döbling muss ebenso geschlossen bleiben wie seine Tapas-Bar im Shopping-Tempel Auhofcenter. Falstaff fragte den Spitzenkoch mit spanischen Wurzeln, wie er mit seinem Team durch die Corona-Krise kommt und welche Auswege er sieht.

Falstaff: Wie geht es Ihnen nach so erfolgreichen Jahren, wenn Sie keine Gäste bewirten dürfen?
Juan Amador: Ich habe schon Schlimmeres hinter mir, es ging schon einmal bis zum bitteren Ende. Damals waren wir so am Wachsen, es passierte viel zu viel und viel zu schnell, wir gingen volles Risiko. Dann kam die Bankenkrise und alles ist zusammengebrochen. Jetzt bin ich noch guten Mutes und denke, dass wir das mit einem blauen Auge überleben werden. Ich habe schon weitere Projekte in der Pipeline.

Wie sieht bei Ihnen im Moment der Alltag aus?
Ich muss gestehen, ich habe es privat genossen, auch einmal Zeit für mich zu haben. Ich habe viel musiziert und lerne gerade Saxophon, das ist richtig schwierig, aber es macht Spaß etwas Neues zu lernen. Jetzt fühle ich mich allerdings schon wieder wie ein Tiger im Käfig.

In Lissabon geht es wieder los (Anm.: Amador ist an einem Hotelprojekt beteiligt), da gab es ja für ein Jahr lang einen Baustopp. Außerdem mache ich Consulting für zwei Konzerne. Im Moment haben wir mit uns selber genug zu tun, wir befinden uns in einer Wachkomaphase aus der wir herausmüssen. Jeder erwartet 200 Prozent, wenn es wieder los geht. Deswegen starten wir auch jetzt (Anm.: 18.1.) und beginnen mit dem Kochen. Wir wollen keinen Stein auf dem andere lassen. Alles wird neu. Wir werden uns von Klassikern bewusst trennen. Ich denke dabei nicht an die Restaurantkritiker, wir müssen uns weiterentwickeln, Spaß haben, unsere Gäste überraschen. Wir müssen mutiger werden und dürfen uns durch kein Korsett einengen lassen.

Die Gastronomie ist nun seit zweieinhalb Monaten geschlossen, was glauben Sie, wie es weiter geht?
Ich weiß es nicht. Ich habe mit meinem Team gesprochen, wir fangen an, komme was wolle. Wenn wir noch nicht öffnen dürfen, werden wir neue Konzepte entwickeln und Leben in das Haus bringen! Wir gehen jetzt aus der Lethargie heraus und werden richtig kochen, nicht bloß aktionistisch. Mein Restaurant ist mein Leben, ich möchte nichts anderes. Ich kann nicht kreativ sein, wenn ich nicht mit Produkten konfrontiert bin, neue Gerichte entstehen aus dem Tun heraus nicht auf weißem Papier. Ich brauche meinen gewohnten Alltag und Stress, um kreativ arbeiten zu können.

Es wäre einfacher gewesen alle zu entlassen, aber daran habe ich keinen Gedanken verschwendet. Obwohl ich fast 30 Leute auf der Payroll habe und in Vorlage gehen muss. Die Hilfen der Regierung sind ein super Zug, aber insgesamt beträgt die Quote nicht mehr als 20 Prozent, die wir bekommen haben. Für meine Tapas-Bar im Auhofcenter habe ich noch gar nichts bekommen, da muss ich querfinanzieren.
 

Amador kann auch lächeln.
© Inge Prader
Amador kann auch lächeln.

Aktuell wird in Österreich über das Rein- bzw. Freitesten diskutiert – was ist Ihre Meinung dazu?
Ich bin für alles was uns hilft, diese Situation zu überwinden. Es wird noch lange keine Normalität geben, daher bin ich der erste, der sich impfen lässt! Was ist die Alternative? Eine Erkrankung? Na danke schön! Wir müssen uns impfen lassen, sonst stecken wir alle an. 

Die Leute brauchen Arbeit, dann kommen sie auch nicht auf blöde Verschwörungstheorien. Ich bin auch für einen Impfpass! Alle die sich nicht impfen lassen wollen, sollen mit dem Radl auf Urlaub fahren! Mit dem Handy sind wir eh schon alle gechipt, ich hätte nicht mal ein Problem, wenn wir tatsächlich gechipt werde. Hunde und Katzen werden ja auch gechipt. Menschenrechte sind unantastbar, Gesundheit aber auch. Freitesten, Reintesten, das ist alles gleich, was wir jetzt brauchen sind Impfstraßen statt Teststraßen. 

Haben Sie als erfahrener Gastronom einen konkreten Vorschlag, wie wir aus der Krise kommen können?
Das wichtigste für uns ist, dass es planbar ist. Und es müssen sich alle an die Regeln halten. Ich weiß von Lokalen, die drauf pfeifen und rappelvoll mit Stammgästen sind. Wer sich nicht an die Regeln hält, der muss zusperren (Anm.: Im Sinne von behördlicher Schließung). Ich bin dafür die Gastronomie bevorzugt zu impfen!

Auch privat, jeder sucht sich eine Lücke und fühlt sich in seiner Freiheit beschränkt. Wie war das 1945? Da gab es echte Probleme. Der Gesellschaft geht es viel zu gut. Wir müssen uns mal zusammenreißen! Wenn das alle tun würden, wäre alles längst vorbei! 

Ich bin außerdem für eine Reichensteuer. Es gibt genug Menschen und Betriebe, die Reichtum auch über staatliche Infrastruktur etc. angehäuft haben. Die können ruhig auch zehn Prozent beitragen. Besonders internationale Konzerne wie Amazon und andere Krisen-Profiteure sollte man mehr besteuern. Konzerne haben in den vergangenen Jahren genug verdient, die können auch mal überbrücken. 

Sie hatten einen sehr hohen Anteil an ausländischen Gästen, nicht zuletzt dank dem Ritterschlag mit drei Michelin-Sternen. Wann rechnen Sie wieder mit genügend internationalem Besuch?
Was im Vorjahr sehr erfreulich war ist, dass wir nach dem Lockdown einen sensationellen Sommer hatten. Bei einer Quote von ausländischen Gästen zwischen null und fünf Prozent. Es kamen extrem viel aus der Stadt und aus ganz Österreich. Das ist fast das Schönste an der ganzen Geschichte. Dieses Jahr werden wir sicher noch kaum ausländische Gäste haben, das wird sich frühestens 2022 normalisieren.

Sie sind seit vielen Jahren in Österreich, kennen aber auch die deutsche Szene sehr gut. Wenn Sie die beiden Länder in der aktuellen Situation vergleichen – sind Sie froh in Österreich zu sein, oder ist das Regen wie Traufe?
Ich bin froh in Österreich zu sein, das hat aber mit Corona nichts zu tun. Die Unterschiede sind nicht so gravierend, Deutschland ist größer, da sind die Probleme komplexer. In Deutschland wurden die Nothilfen noch nicht ausgezahlt, für alle ohne Reserven wird es eng.

Sagen Sie uns zum Schluss noch etwas Aufbauendes!
Alles wird gut! Wir dürfen uns nicht ein den negativen Sog reinziehen lassen. Ich bin Spanier: In unserem Wappen steht: »plus ultra«, also immer weiter. Und das treibt mich schon mein ganzes Leben an, das trage ich auf meiner Brust. Aufgeben ist keine Option!

Über Juan Amador

Juan Amador wuchs im schwäbischen Waiblingen als Sohn katalanisch-andalusischer Eltern auf. Von 1985 bis 1988 absolvierte er eine Kochlehre im »Gasthof Lamm« in Weinstadt, danach folgen einige Stationen u.a. im »Restaurant Petersilie« in Lüdenscheid oder im »Schlosshotel Weyberhöfe«, schon mit zwei Michelin-Sternen. 2004 eröffnet er sein erstes eigenes Restaurant, das »Amador« in Langen bei Frankfurt. 2006 erkocht sich Amador hier zwei Sterne, 2007 folgte der dritte und damit ist Juan Amador Hessens erster Drei-Sterne-Koch.

Im Herbst 2011 zieht Juan Amador mit seinem Restaurant »Amador« nach Mannheim und wird auf Anhieb wiederum mit drei Michelin Sternen ausgezeichnet. Ehe er sein Restaurant Mitte 2015 wegen wirtschaftlicher Turbulenzen schließen muss, eröffnet er 2013 das  »SRA BUA by Juan Amador« im »Kempinski Hotel Frankfurt Gravenbruch« (1 Michelin-Stern) und 2015 das »ALMA by Juan Amador« im »Goodwood Park Hotel« in Singapur (ebenfalls 1 Michelin Stern).

Seit 2015 betreibt Amador sein nach ihm benanntes Restaurant in Wien und eroberte mit Ansage wieder drei Michelin-Sterne. Zudem führt er eine Tapas-Bar und zusammen mit Fritz Wieninger ein Buschenschank-Pop-Up (Hans und Fritz), das 2021 prolongiert werden soll.

Bernhard Degen
Autor
Mehr zum Thema