»In Zukunft denkt der Kochtopf für uns«

Beim letzten Miele Stubengespräch 2014 in Wien wurde die Zukunft von Essen, Kochen und Wohnen diskutiert.

Essen und gemeinsames Mahl gehört zu den archaischsten Faktoren der Menschheitsgeschichte. Wie man in Urzeiten rund um das Feuer saß, bildet heute die Küche den heimischen Lebens- und Genussmittelpunkt. Wie werden sich aber Essen und Kochen in der Zukunft entwicklen? Wie werden die Menschen der Zukunft wohnen und wo werden sie essen? Und mit wem? Diese und ähnliche Fragen im thematischen Spannungsfeld zwischen Essen, Kochen und Wohnen wurden beim miele//stuben21:gespräch in der Miele Galerie in Wien von einer hochkarätig besetzten Expertenrunde diskutiert.

»In Zukunft denkt der Kochtopf für uns« postulierte etwa Andreas Enslin, Leiter des Miele Designcenter und Vizepräsident des Verbandes Deutscher Industrie Designer e.V.: »Künftig werden wir von eleganten, autonom agierenden Systemen umgeben sein, in denen selbst Kochtöpfe Neues dazulernen können«, so der Miele Chef-Designer. Die Technik dazu werde ständig präsent, aber nur dann sichtbar sein, wenn wir sie benötigen.

»Sex, Social Cooking und Gärtnern«
»Die Küche ist und bleibt die Konstante«, meinte Zukunftsforscher Andreas Reiter (ZTB Zukunftsbüro): »Das Glück des postmodernen Menschen ruht auf drei Pfeilern: Sex, Social Cooking und Gärtnern. Alle drei haben mit Genuss zu tun, wobei Kochen und gemeinsam Essen wohl die schönste Verbindung zwischen diesen drei Genüssen ist«. Und weiter: »Je unsicherer und unberechenbarer die Welt wird, desto mehr inszeniert der Mensch seine private Rückzugsfläche – die eigene Wohnung. Hier ist die Küche – neben dem Körper – das einzige Terrain, in dem Menschen ihre Kreativität heute frei entfalten können. Ob für Experience Seeker oder für Traditionalisten: die Küche ist und bleibt die anthropologische Konstante in unserer nervösen Pop-up-Kultur des frühen 21. Jahrhunderts.«

»Trotz Convenience, Take-Away-Food und Dining Out: Der soziale Magnetismus, den das Kochen seit jeher darstellt, ist immer noch wirksam« lautete die These von Kulturwissenschafter Wolfgang Reiter: Als Mittel der Kommunikation und Selbstexpression gewinne Kochen wieder an Bedeutung, seit es nicht mehr nur auf eine Versorgungsleistung beschränkt ist. »Kochen ist das Jogging des Kulinarikers, das ihn nicht erst über ›Runtastic‹ mit der sozialen Community verbindet«, formulierte der Kulturwissenschafter pointiert.

»Genießen will gelernt sein«
Ernährungswissenschafterin Hanni Rützler (Leiterin futurefoodstudio) setzte sich für ein Umdenken hin zu bewusstem Genießen ein. »Es sind heute nicht die inflationär auftretenden Lustangebote an denen es mangelt, sondern die Fähigkeiten, die notwendig sind, um solche Angebote auch lustvoll wahrnehmen zu können«, betonte die Food-Expertin. Diese Fähigkeiten seien knapp geworden und haben sich zu einer schmalen Elite der Gesellschaft verlagert. »Genuss- und Differenzierungsfähigkeit stellen sich nicht von selbst ein, und Feinschmeckerei ist – jenseits des Konsums exotischer und luxuriöser Waren – vor allem das Resultat von Wissen und Erfahrung«, so Rützler weiter. »Genießen will gelernt sein« – in Zukunft gelte es daher, die Genussfähigkeit zu fördern, denn »nur ein freies, wenn auch differenziertes Genussverhalten kann als eine starke, subjektive Orientierungshilfe im Lebensmittelüberfluss gesehen werden«, betonte Rützler.

Mit dem Termin in der Miele Galerie in Wien endete ein Zyklus von fünf Abenden voller interessanter Inputs und spannender Begegnungen. Die reizvolle Idee der miele//stuben21:gespräche wird aber sicher fortgesetzt.

(Redaktion)