Tesla war gestern: Der neue Audi e-tron.

Tesla war gestern: Der neue Audi e-tron.
© Audi AG

Im Strom der Zeit

Breaking News für alle Auto-Fans: PS-Monster haben als Statussymbole ausgedient. Der neue Luxus kommt in Form von ebenso coolen wie nachhaltigen Premium-Elektromobilen daher.

Es war ein langer Weg, doch nun scheint ein wichtiges Etappenziel erreicht. Zehn Jahre ist es her, da war die Elektromobilität nicht mehr als eine hübsche, aber auch angreifbare Öko-Idee. Dann kam der Tesla Model S. Der ebenso geniale wie umstrittene Elon Musk zeigte dem Rest der Autowelt, dass Elektroautos für einen durchaus luxusbetonten Alltag geeignet sind – weil mit Power, Klasse und einem völlig neuen Selbstverständnis ausgestattet.
Heute darf ruhig gesagt werden: Tesla hat nicht weniger geschafft, als die Luxusklasse zu revolutionieren. Und das, obwohl man mit einem Model S auf der Autobahn dahinkriechen muss, um die Reichweitenver­sprechen zu erreichen, und obwohl die Verarbeitungsqualität bis heute nicht die hohen Standards der deutschen Premium­hersteller erreicht.
Der weltweite Erfolg eines teuren, aber keineswegs perfekten Produkts ist auf eine einfache Tatsache zurückzuführen: Tesla gelang es, das Thema Auto-Luxus völlig neu zu definieren. Natürlich haben auch der Diesel-Skandal und die immer unlustiger werdende Verkehrsdichte ihren Teil zum allgemeinen Sinneswandel beigetragen.
Tatsache ist jedenfalls, dass PS-Monster und dicke Limousinen heutzutage als Statussymbole ausgedient haben. Und zwar unwiderruflich, wie es scheint.

Strom im Mainstream

Der Auto-Luxus von morgen wird darin bestehen, ohne Verzicht auf Luxus oder Leistung eine ökologische Lebensweise zur Schau tragen zu können. Der Wendepunkt ergibt sich aus der Tatsache, dass die etablierten Premium-Hersteller nun endlich in der Lage sind, Teslas Alleinherrschaft zu brechen; innerhalb weniger Monate werden Modelle wie der Audi e-tron, der Jaguar I-PACE, der Mercedes EQC und der Porsche Taycan das Angebot in der Elektro-Oberklasse schlagartig erweitern.
Außerdem ist zu erwarten, dass der Einstieg der klassischen Hersteller die allgemeine Wahrnehmung der Elektromobilität positiv beeinflussen wird. Tesla-Fahrer zählten ja überwiegend zu den sogenannten Early-Adoptern, deren heilige Pflicht es ist, jeden Technologietrend als Erste zu probieren und zu feiern. Technologie-Missionare sind, was kleinere und größere Kinderkrankheiten betrifft, allerdings weit nachsichtiger als der Durchschnittskunde. So stellte David Friedman von der US-Verbraucherorganisation Consumers Union kürzlich fest: »Tesla hat eine lange Geschichte, seine Kunden als Versuchskaninchen zu gebrauchen.«
Traditionelle Hersteller dürfen da mit weit weniger Nachsicht von Kundenseite rechnen, deshalb kann ruhig gesagt werden, dass erst mit dem Markteintritt von Audi, Mercedes & Co. das Elektroauto offiziell im Mainstream angekommen ist. Das Fahrerlebnis war ja niemals erklärungsbedürftig: E-Autos sind konzeptbedingt mit einem spontaneren und kräftigeren Antritt als entsprechende Verbrennungs­motoren gesegnet, Gleiches gilt für die einzigartige Laufruhe. Allerdings hakte es gewaltig bei Reichweite, Ladezeiten und letztlich auch bei den Kosten – und bei all diesen Kritikpunkten ist in letzter Zeit enorm viel passiert.

Revolution im Anrollen

Um den gerade stattfindenden Quantensprung zu würdigen, muss man sich nur die ersten unabhängigen Praxistests des Audi e-tron genauer ansehen: Dabei wurden bei Tempo 130 immerhin etwa 300 km Reichweite erzielt. An geeigneten Schnelllade­stationen stehen nach 30 Minuten wieder 80 Prozent der Batteriekapazität zur Verfügung. Das mag täglichen Kilometerfressern vielleicht ein müdes Lächeln entlocken, wird aber für den Alltag der meisten Menschen reichen, Sonntagsausflüge inklusive. Und was die Kosten betrifft, hat eine Fachzeitschrift errechnet, dass bei 30.000 km/Jahr ein Audi e-tron exakt gleich teuer kommt wie ein vergleichbarer Q7.
Wenn im Alltag keine schmerzhaften Einschränkungen notwendig sind und auch die Kosten-Nutzen-Rechnung aufgeht, scheint einer Elektro-Revolution in den nächsten Jahren kaum mehr etwas im Weg zu stehen. Das Set-up der deutschen Hersteller ist jedenfalls schon im ersten Anlauf beeindruckend, wie die Beschreibung der einzelnen Modelle zeigt.
Dass es sich bei Audi, Jaguar und Mercedes um sehr ähnlich konzipierte Modelle handelt – alles SUVs mit ähnlichen Leistungswerten ab etwa 80.000 Euro –, hat viel mit der aktuellen Marktsituation zu tun. SUVs stellen derzeit nun einmal mit Abstand die gefragteste Fahrzeugklasse dar, und jede Technik-Revolution bei Autos hat bisher in den oberen Kategorien begonnen.
Aber auch wer nicht unbedingt 80.000 Euro plus für den neuen Elektro-Luxus aus­geben möchte, braucht nur ein wenig Geduld bewahren, denn schon im nächsten Schritt werden die Hersteller die Kompaktklasse aufrollen. Allein der VW-Konzern will in fünf Jahren 30 rein elektrisch be­triebene Modelle im Programm haben. Eines scheint jedenfalls gewiss: Elektro­autos dürften der neue, nachhaltige Luxus von morgen werden.


Bitte streicheln

Ein kleiner Technik-Knigge: Der richtige Umgang mit einem Elektroauto steigert Reichweite und Lebensdauer enorm.

  • Batterien haben es gerne gemütlich. Starkes Beschleunigen und langes Fahren mit hohen Geschwindigkeiten erfordern hohe Energiemengen und belasten die Akkus überdurchschnittlich.
  • Aber auch beim Laden sind Extremzustände zu vermeiden. Deshalb sollte die Reichweite nie komplett ausgenutzt werden, genauso wie ein maximaler Ladezustand vermieden werden sollte. Am wohlsten fühlt sich ein Elektroauto bei 50 Prozent Leistung, der Ladebereich zwischen 20 und 80 Prozent sollte möglichst nicht verlassen werden.
  • Batterien mögen Abwechslung. Im Grunde sorgen Schnellladeverfahren für enormen Stress in den Zellen. Sogenannte Schnarch-Ladung mit wenig Ampere über lange Zeit gilt am schonendsten. Doch eine Schnellladung in größeren Abständen erfrischt die Zellen.
  • Batterien mögen keine Kälte. Deshalb sollte ein Elektroauto im Winter sofort nach der Fahrt geladen werden.
  • Extreme Hitze schadet den Zellen aber genauso. Es sollte also vermieden werden, das Fahrzeug in der prallen Sonne abzustellen.

Erschienen in
Falstaff Man's World 01/2019

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Christian Kornherr
Autor
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