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Ideen für den Kampf um den Mittagsgast

Foodtrucks haben sich durchgesetzt, Bäcker und Supermärkte bieten Sandwiches und selbst Henkelmann kommt wieder: Braucht man heute mittags noch ­Restaurants? Und wenn ja – welche?

Die Antwort muss jeder Gastronom selbst finden und die erste Frage dazu lautet: Wer ist eigentlich mein Kunde? Wohl dem, der Geschäftsesser hat. Wer sie in sein Lokal ziehen möchte, sollte sie verwöhnen: Diskreter Tischabstand ist ein Muss, eine klare, eher klassisch orientierte Karte ein Plus. Geschäftsesser haben keine Zeit, sich vom ­Service jeden Gang erklären zu lassen. Und keiner lässt sich gern mit Essensanleitungen wie »ganz in den Mund stecken und mit der Zunge am Gaumen zerdrücken« bei Vertragsverhandlungen unterbrechen.
Was serviert man mittags zu einem halbwegs humanen Preis? Auch hier gilt: Es kommt drauf an. Wenn man ein Menü anbietet, stellt sich prompt die Frage, was die Küche innerhalb von 45 Minuten in den Gastraum schicken kann. Länger als eine Stunde bleiben viele Gäste nicht mehr. In Paris etwa bauten ­etliche bessere Lokale um, um sich veränderten Essgewohn­heiten anzupassen und den »Output« und damit den Umsatz zu steigern. Oberhalb der ­Mittelklasse sollte auch ein ­günstiges Mittagsmenü den ­Charakter des Hauses nicht ganz verleugnen. Den Stil des Kochs will der Genießer auch mittags wiederfinden – sonst verkneift er sich den Besuch am Abend. Wer noch richtig kochen gelernt hat, ist beim Mittagsmenü klar im Vorteil: In der klassischen Küche wird alles verwertet. Die Vorderläufe von Kaninchen wurden zu Terrinen, Gräten und Knochen wurden zu Fonds, die heute kaum noch jemand selbst ansetzt. Und die Mode­formel »Nose-to-tail-eating« war eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Natürlich musste jedes Stück von jedem Tier verwertet werden.
Mein Tipp für die obere Mittelklasse und darüber hinaus: Sparen Sie nicht am Handwerk und nicht an der Qualität. Beides gehört zu Ihren Markenzeichen. Bieten Sie ein vegetarisches Gericht und mindestens ein Gericht, das der Mehrheit der Gäste ohne große Erläuterungen gefällt. Muss das Menü deutlich günstiger als am Abend sein, ­setzen Sie auf gute, aber vermeintlich einfachere Zutaten: Rind und Schwein zum Beispiel müssen nicht immer Filet sein, es gibt doch Bäckchen. Statt Steinbutt schmecken auch ­Makrele und Sardine – wenn man sie richtig zubereitet. Wenn es zeitlich nicht passt, dann s­etzen Sie auf intelligente ­Mise-en-place. Terrinen, Suppen, Salate, Sashimi – viele Vorspeisen lassen sich bestens vorbereiten und müssen nur bei möglichst optimaler Temperatur serviert werden. Oder »entschlacken« Sie den visuellen Aspekt der Gerichte: Bunte Pünktchen und sorgsam gezupfter Shiso machen sich bestens auf Facebook und Instagram. Sie machen bei manchen Gerichten jedoch auch viel Arbeit. Etliche Verschönerungsaktionen auf dem Teller haben keinen Einfluss auf den Geschmack.
Und, ganz wichtig: Sehen Sie das Mittagsmenü auch als ­Herausforderung für die Küche: Ein kleineres Budget und/oder wenig Zeit – da scheiden etliche Gerichte von vornherein aus. Die anderen kreieren Sie. Ein guter Koch liebt doch Herausforderungen. Oder?
Kolumne »Ideen für den Kampf um den Mittagsgast« aus Falstaff KARRIERE 03/16. Von Jörg Zipprick.
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Jörg Zipprick
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