Icons-Serie: Mythos Ferrari

Um keine andere Automarke der Welt gibt es einen vergleichbaren Kult. Ferrari verbindet Leidenschaft, Stil und Präzision und ist ein Unikat, das dem Käufer angepasst wird wie ein Maßanzug.

Der handgefertigte Ledersitz schmiegt sich an den Fahrer. Die Hunderten Pferde werden mit einem Knopfdruck am Lenkrad geweckt und grüßen mit einem dumpfen Grollen. Ein wenig Gas im Leerlauf, und man spürt die unbändige Kraft einer Herde wilder Mustangs. Herbert von Karajan hat gesagt, dass ein Ferrari kein Radio braucht: »Der Motor klingt wie ein ganzes Orches­ter.« Wie recht er hat. Die Hexer in ­Maranello, dem Herzen von Ferrari, überlassen nichts dem Zufall. So sind auch Sound-Designer und Musiker bei der Entwicklung des Motorklangs beteiligt. Die Wagen sind anmutige Kunstwerke und rennerprobte Präzisionsmaschinen gleichermaßen. Was immer der Fahrer an Manövern durchführt, das Auto erledigt es unmittelbar und exakt.

Der Ferrari California ist das Zugpferd der ­italienischen Traumfabrik / Foto: beigestelltDer Ferrari California in Aktion / Foto: beigestelltExklusivFerrari ist der ganze Stolz der Italiener, sie freuen sich über den wirtschaftlichen Erfolg ebenso wie über Siege in der Formel 1. Die Ferraristi nähren den Mythos, sie verehren die Rennfahrer und sind technikverliebt – den Motorblock nennen sie ehrfürchtig »la cattedrale«. Die Ferrari-Führung stellt höchste ­Anforderungen an Mitarbeiter und Vertriebs­partner. Der österreichische Exklusivim­porteur, Jürgen Keusch, berichtet von zähen ­Verhandlungen, ehe sein Vertrag mit der ­italienischen Luxusautomarke unterzeichnet wurde. »Die Bewerber werden auf Herz und Nieren geprüft, man wird richtiggehend durchleuchtet.« Das Ferrari-Management will genau wissen, mit wem es zu tun haben wird – zu elitär ist der Anspruch, zu kostbar der Markenwert, als dass man sich eine Beschädigung des Ansehens erlauben könnte. Umso größer war dann die Freude bei Jürgen Keusch, als CEO Amedeo Felisa im Frühjahr 2011 das notarielle Prozedere mit einem herzlichen »Welcome in the family« untermalte.Auch die Innenausstattung wird in Maranello handgefertigt / Foto: beigestelltMaranello als Mekka für MotorsportfansDer familiäre Charakter der italienischen Traumfabrik für Motorsportfreunde tritt auch bei einer Besichtigung der Werkshallen zutage. Wer Lärm, Abgase, Schmutz und hektisches Treiben vermutet, liegt falsch. Die Fertigungseinheiten werden von Tageslicht erhellt, es gibt Grünzonen mit Pflanzen, alles ist klinisch sauber, und die Mechaniker sind ruhig und konzentriert bei der Arbeit. Ferrari-Mitarbeiter gelten als die zufriedensten Angestellten Italiens. Sprecher Stefano Lai ­erklärt die Exklusivität der gesamten Produktion, die ohne Zulieferbetriebe auskommt: Vom Getriebe bis zu den Ledersitzen wird jedes einzelne Teil in Maranello gefertigt und zusammengebaut. Besonders eindrucksvoll sind die rohen Aluminiumblöcke, die in minutiös organisierten Arbeitsschritten zu Motorteilen verarbeitet werden. Ferrari-Präsident Montezemolo wurde als Nachfolger Berlusconis gehandelt / Foto: beigestelltPrägende PersönlichkeitenFerrari wurde aber nicht nur aufgrund der ausgefeilten Technik zum Kult, es waren stets auch die charismatischen Akteure, die den Mythos genährt haben. Bis zum Jahr 1988 leitete der legendäre Firmengründer und ehemalige Rennfahrer Enzo Ferrari die Geschicke des Unternehmens. Aber schon in den 70er-Jahren wurde der große Commendatore auf den jungen Studenten Luca Cordero di Montezemolo aufmerksam, der in einer Radiosendung als spontaner Ferrari-Fürsprecher auftrat. Montezemolo wurde in der Folge Leiter der damals wenig erfolgreichen Rennsportabteilung Scuderia Ferrari. Durch geschickte Schachzüge und einen äußerst talentierten Fahrer namens Niki Lauda gewann Ferrari dreimal in Folge die Konstrukteursweltmeis­terschaft in der Formel 1. Auch das Engagement von Michael Schumacher geht auf eine Initiative von Ferrari-Präsident Montezemolo zurück. Heute zählt er zu den wichtigsten Persönlichkeiten Italiens und war sogar als Nachfolger Berlusconis im Gespräch. Minis­terpräsident wurde er zwar nicht, aber er hat noch weitere politische Ambitionen.Neue MärkteDer Innovationsdruck entsteht seit jeher durch die Motorsportabteilung. Die gewonnenen Erkenntnisse werden umgehend in die Produktion der straßentauglichen Boliden ­gesteckt. Die Nachfrage nach Ferraris hat ein noch nie da gewesenes Niveau erreicht. Die meisten Wagen werden in die USA und nach Deutschland exportiert, aber die größten Zuwächse werden in China, Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten verzeichnet. Mit dem aktuellen Verkaufsschlager, dem Ferrari California, konnten die Emissionen stark reduziert und der Fahrkomfort erhöht werden. TraumautosNicht nur die neuen Modelle sorgen für Furore, auch die Klassiker sind immens begehrt. Der 250 GTO gilt als teuerstes Auto der Welt und wird um rund 20 Millionen Euro gehandelt. Es existieren nur 36 Stück, von denen sich die Besitzer nur ­äußerst selten trennen. Stefano Lai bringt den Mythos Ferrari auf den Punkt: »Es ist nicht schwierig, schnelle Autos zu bauen. Die wahre Herausforderung ist es, Emotionen zu erschaffen. Wir verkaufen keine Autos, wir verkaufen Träume!«GESCHICHTEDie Autoproduktion wurde im Jahr 1947 vom ehemaligen Rennfahrer Enzo Ferrari gegründet. Die Ursprünge gehen aber bis ins Jahr 1929 auf die Scuderia Ferrari zurück, dieses legendäre Werksfahrer-Team war für Hersteller wie Alfa Romeo im Einsatz. Ohne dass damals selbst Autos gebaut wurden, wurde bereits das noch heute gültige Logo verwendet, das »cavallino rampante«, das sich aufbäumende Pferd. Der erste »echte« Ferrari war der 1947 in Maranello gebaute 125 C Sport mit einem 1,5-Liter-V12-Motor. Ferrari ist der einzige Rennstall, der seit der Gründung im Jahr 1950 jede Formel-1-Saison bestritten hat, und mit 16 gewonnenen Titeln in der Konstrukteurs-WM das erfolgreichste Team aller Zeiten.MAMMA ROSSELLAMaranello ist durch den Firmensitz von Ferrari ganz auf das automobile National­heiligtum fokussiert. Neben der hauseigenen Rennstrecke liegt das kulinarische Mekka für alle Ferraristi: das »Ristorante Montana« von Mamma Rossella, die schon Generationen von Rennfahrern bekocht hat. Die Köchin ist ein wandelndes Lexikon der Formel-1-Geschichte. Michael Schumacher ist ihr besonders ans Herz gewachsen. So groß ihre Leidenschaft für den Rennsport ist, so groß ist ihre Liebe für die Küche der Emilia-Romagna, ihr Trio aus Tagliatelle alla bolognese, Tortelli und Gramigna ist weltmeisterlich gut. Ristorante MontanaVia XX Settembre, 3 – 41040 Spezzano di FioranoT: +39/(0)536/84 39 10www.ristorantemontana.it

Text von Bernhard Degen
Aus Falstaff Nr. 1/2012

Bernhard Degen
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