© Felix Streuli

Icons: Luxusuhren – Tickende Kostbarkeiten

Die hier gezeigten Zeitmesser teilen sich die Eigenschaften, dass sie extrem kompliziert sind, es viel Zeit braucht, sie herzustellen, und sie daher selten, schwer zu bekommen und obendrein entsprechend teuer sind.

Es sind Ausnahmezeitmesser, die wir hier zeigen, keine Stangen-ware. Während in der Uhrenindustrie zusehends teilautomati­sierte Fertigungsmethoden zur Anwendung kommen, geht das bei diesem Typ Uhr gar nicht. Der Zusammenbau der Uhrwerke, die sich aus mehreren hundert Bauteilen zusammensetzen, geschieht nach der guten alten Schule: Ein erfahrener Uhrmachermeister assembliert das Uhrwerk von A bis Z. Hat er die unzähligen Einzelteile aus der Fertigung erhalten, so baut der Meister es ein erstes Mal zusammen; es ist dies ein Testlauf, eine notwendige Funktionsprüfung. Passen die Toleranzen? Bewegen sich alle Federn, Hebel und Zahnräder so, wie sie sollen? Greifen alle beweglichen Teile ineinander und blockieren sich diese nicht? Da aber in einem Uhrwerk dieser Güte nicht ein einziger Bauteil – ob später einmal sichtbar oder nicht – eingebaut wird, der davor nicht aufwendig verschönert worden wäre, muss der Meister sein Uhrwerk wieder vollständig zerlegen.

IWC «Portugieser Sidérale Scafusia» Ein nur auf Bestellung erhältliches und individuell auf den gewünschten Standort des Käufers zugeschnittenes astronomisches Kleinod fürs Handgelenk. CHF 650.000,-
© Felix Streuli
IWC «Portugieser Sidérale Scafusia» Ein nur auf Bestellung erhältliches und individuell auf den gewünschten Standort des Käufers zugeschnittenes astronomisches Kleinod fürs Handgelenk. CHF 650.000,-

Einen Großteil der delikaten Verschönerungsarbeit führt er dann selbst durch, insbesondere, wenn es sich um besonders heikle und kleine Komponenten handelt. Die vielen Bauteile werden aufwendig verschönert, manche Oberflächen erhalten sogar eine Schwarzpolitur, werden also so lange poliert, bis man sich darin spiegeln kann. Die Kanten werden angliert und dann sorgsam gebrochen, genau definierte Zierschliffe oder aufwendig gestaltete Gravuren werden mit viel Liebe angebracht. Jetzt erst wird das Uhrwerk ein zweites und hoffentlich letztes Mal zusammengebaut. Dabei darf kein Fehler passieren, alles muss perfekt zusammenpassen und vor allem keine Oberfläche beschädigt oder zerkratzt werden. 

Totale Individualität

Bei zwei der gezeigten Edelzeitmesser geht die Komplexität sogar noch einen Schritt weiter: Sie verfügen über astronomische Anzeigen, die für den Kunden individuell nach seinem Wohn- oder Wunschort berechnet und ausgeführt werden. Die IWC »Portugieser Sidérale Scafusia« und die Vacheron Constantin »Les Cabinotiers Celestia Astronomical Grand Complication 3600« können, beziehungsweise konnten, also individualisiert werden. Warum konnten? Die Vacheron Constantin war ein Einzelstück, sie wurde unlängst um mehr als eine Million Dollar verkauft. Die IWC wird nur auf Kundenwunsch gefertigt, sie kann um 650.000 Schweizer Franken bestellt werden. Sie ist nicht offiziell limitiert, sondern vielmehr durch ihre Komplexität; mehr als fünf oder sechs Stück werden es in einem Jahr nicht.

Breguet «Tradition Grande Complication Ref. 7074» Der Antrieb über Kette und Schnecke und das Tourbillon, die Präzisionstechnik der Uhr, in einer einzigartigen Form zur Schau gestellt. CHF 214.000,-
Foto beigestellt
Breguet «Tradition Grande Complication Ref. 7074» Der Antrieb über Kette und Schnecke und das Tourbillon, die Präzisionstechnik der Uhr, in einer einzigartigen Form zur Schau gestellt. CHF 214.000,-

Die IWC »Portugieser Sidérale Scafusia« trägt auf der Vorderseite ihren Konstantkraft-Tourbillon-Gangregler zur Schau, zeigt in Form der sektoralen Anzeige, wie lange sie noch läuft, und bei »12 Uhr« die Sternenzeit. Die Rückseite ist ein Astrolabium, das den Standort von mehr als fünfhundert Sternen und Sternbildern anzeigt. Es besteht aus einer rotierenden blauen Himmelsscheibe mit Sternenabbildung, die sich im Laufe des Tages bewegt. Je nachdem, ob sich die gewählte geografische Lage auf der Nord- oder der Südhalbkugel befindet, dreht sich die Himmelsscheibe im oder gegen den Uhrzeigersinn. Unter Berücksichtigung der Sommer- und Winterzeit können die Zeiten des Sonnenauf- und Sonnenuntergangs, die Sternzeit und natürlich stets das korrekte Datum abgelesen werden. Der künftige Besitzer einer »Portugieser Sidérale Scafusia« bestimmt die Auswahl der angezeigten Sterne, und er wählt einen Standort als Grundlage für sämtliche Berechnungen der astronomischen Anzeigen aus. 

Die Breguet »Tradition Grande Complication Ref. 7074« stellt ihre einzigartige Präzisionstechnik plakativ zur Schau. Das ist großes Kino für 183.200 Euro! Mittels Antrieb über Kette und Schnecke wird die vom Federhaus kommende, mit der Zeit gleichmäßig abnehmende Energie dem Tourbillon-Gang-regler stets in gleichbleibender Form zur Verfügung gestellt. Das Prinzip ist ähnlich jenem einer Fahrradgangschaltung. Je nach Drehmoment wandert eine winzige, von Hand gefertigte Kette über eine konische Schnecke, und das Übersetzungsverhältnis ändert sich. Der Tourbillon-Gangregler selbst kann so unter stets perfekten Bedingungen seine Arbeit verrichten und die ihm gelieferte lineare Energie in exakte Sekundenteile zerhacken oder takten.
Die A. Lange & Söhne »Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender« kombiniert, wie ihr Name schon ankündigt, ein ewiges Kalendarium und einen Tourbillon-Gangregler. Letzterer ist jedoch nicht wie sonst üblich auf der Vorderseite sichtbar, sondern diskret auf der Rück-seite zu finden. Der so gewonnene Platz am Zifferblatt wird indes für besonders gut ab-lesbare Anzeigen verwendet. Es gibt de facto wenige ewige Kalendarien auf dem Markt, von denen man das behaupten kann, und es gibt kaum eine andere Uhr in dieser Liga oder Preislage, die so tiefstapelt. Auf den ersten Blick sieht diese 318.600 Euro teure »Lange 1« aus wie das Basismodell um rund 30.000 Euro.

Vergriffen und lange Wartezeiten

Die Vacheron Constantin »Les Cabinotiers Celestia Astronomical Grand Complication 3600« ist ein Einzelstück. Sie wurde vor kurzem verkauft und individuell für den Kunden programmiert und hergestellt. Zwei Zifferblätter bilden 23 astronomische Komplikationen ab, das zugehörige Uhrwerk besteht aus 514 Einzelteilen. Zur Anzeige kommen die Stunde, die Minute und das stets korrekte Datum mittels eines ewigen Kalendariums. Weiters sehen wir eine Tag-und-Nacht-Anzeige, eine Mondphasenanzeige, die laufende Zeitgleichung, den Sonnenaufgang und -untergang, die Dauer von Tag und Nacht, die Jahreszeiten, die Sonnenwende, die Tagundnachtgleiche und die Sternzeichen, die Gezeiten, die Konjunktion, Opposition und Quadratur von Sonne, Erde und Mond, eine transparente Himmelskarte der nördlichen Hemisphäre mit Darstellung der Milchstraße, der Ekliptik und des Himmelsäquators und die Stunden und Minuten der Sternzeit und die Anzeige der Gangreserve. 

Patek Philippe «Ref. 5204 Ewiger Kalender Chronograph mit Schleppzeiger» Kein anderer Luxushersteller meistert die Kombination der beiden uhrmacherischen Komplikationen auf diesem Niveau. ca. CHF 322.000,-
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Patek Philippe «Ref. 5204 Ewiger Kalender Chronograph mit Schleppzeiger» Kein anderer Luxushersteller meistert die Kombination der beiden uhrmacherischen Komplikationen auf diesem Niveau. ca. CHF 322.000,-

Die Patek Philippe »Ref. 5204 Ewiger Kalender Chronograph mit Schleppzeiger« mutet dagegen wie eine einfache Uhr an, ist es aber nicht. Sie ist eines der Meisterstücke der Manufaktur, für die es sehr lange Wartezeiten gibt, und das selbst bei einem Preis von 275.463 Euro. Das liegt primär an der Komplexität des aus 496 Einzelteilen bestehenden Uhrwerks. Mittels des Schleppzeigers des Chronografen lassen sich bei einem Stoppvorgang Zwischenzeiten erfassen. Dabei bleibt einer der beiden zentralen Sekundenzeiger stehen, während der andere weiterläuft. Hat man die Zwischenzeit abgelesen, so holt der angehaltene Sekundenzeiger den weiterhin laufenden auf Knopfdruck wieder ein und läuft mit ihm absolut synchron weiter. Der Vorgang kann beliebig oft wiederholt werden.

Vacheron Constantin «Les Cabinotiers Celestia Astronomical Grand Complication 3600» 23 astronomische Anzeigen in einer Uhr. Das Einzelstück wurde vollständig für den Kunden individualisiert. ca. CHF 1.200.000,-
Foto beigestellt
Vacheron Constantin «Les Cabinotiers Celestia Astronomical Grand Complication 3600» 23 astronomische Anzeigen in einer Uhr. Das Einzelstück wurde vollständig für den Kunden individualisiert. ca. CHF 1.200.000,-

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2017

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Alexander Linz
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