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Icons: Der Zaren-Lachs

Wer das Geheimnis des Rolls-Royce unter den Räucherlachsen ergründen will, muss den Ort seiner Herstellung besuchen – die Balik-Farm im schweizerischen Toggenburg.

Mogelsberg – schnell den Halteknopf betätigen! An der kleinen Station fährt der Zug sonst vorbei. Am Bahnsteig wird man abgeholt und auf der schmalen, kurvenreichen Straße nach Ebersol hochchauffiert. Wir befinden uns im Herzen des Toggenburgs im Kanton St. Gallen: ein Land mit schroffen Hügeln, engen Tälern und munteren Bächen. Eine Landschaft der Stille, gesunden Luft und Abgeschiedenheit. Alte Bauernhäuser kleben an den steilen Bergflanken. Ein Hofhund bellt.

Die Balik-Lachsräucherei liegt idyllisch im schweizerischen Toggenburg.
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Die Balik-Lachsräucherei liegt idyllisch im schweizerischen Toggenburg.

Das Auto folgt dem Wegweiser »Im Moos« und hält vor einem 300 Jahre alten, länglichen Gehöft, der Balik-Farm, auf 900 Metern über dem Meer. Ungläubig reibt man sich die Augen: An diesem unscheinbaren, abgelegenen Ort hoch über der Nebelgrenze wird der berühmteste, teuerste und wohl auch beste Räucherlachs der Welt gefertigt?

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Genau diese friedliche Ruhe inmitten einer urtümlichen Landschaft hatte vor etwas mehr als vier Jahrzehnten der damals renommierte Schauspieler und Regisseur Hans Gerd Kübel gesucht, als er sich zusammen mit seinem jungen Freund Martin Klöti nach einem Wochenendrefugium umschaute. Die beiden Stadtflüchtlinge renovierten das baufällige Bauernhaus, begannen hofeigene Eier und handverlesenes Heu zu verkaufen. Das eigene Quellwasser und das qualitativ hochstehende Brennholz aus dem zugehörigen Wald riefen den Gedanken an eine Forellenzucht samt Räucherei auf den Plan. Doch Kübel war nie mit dem Naheliegenden zufrieden, dachte stets zu groß und zu weit, als dass er sich mit der Forelle zufriedengegeben hätte. Keinen Geringeren als den König der Fische wollte er in Ebersol veredeln, den Lachs.

Nach russischem Rezept

Kontakte zu Lachszuchten in Norwegen waren rasch geknüpft, was fehlte, war die Beherrschung des Räucherhandwerks. Zu lernen war das an keiner Schule. Doch wie so oft nahte in Gefahr die Rettung gleich: Der Zufall wollte es, dass Hans Gerd Kübel nach einer Vorstellung von Lessings »Nathan der Weise« in Berlin Israel Kaplan kennenlernte. Kaplan entpuppte sich als Enkel des letzten Hoflieferanten des Zarenhofs in Petersburg. Er hatte die Kenntnisse seines Großvaters bewahrt, und Kübel, eloquent und charismatisch, konnte ihn überzeugen, nach Ebersol zu reisen und ihn in die Kunst der Lachsräucherei einzuweihen.

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So nahmen die Dinge ihren wundersamen Lauf. 1978 verkauften Kübel und Klöti die ersten eigenen Lachsseiten. Kübel brachte sie mit dem schweren Motorrad seinem großen Bekanntenkreis mit Vorliebe gleich selber vorbei. Die einzigartige Qualität des Balik-Lachses (Balik heißt auf Russisch »das beste Stück vom Fisch«) sprach sich herum, ebenso die exzentrische Leidenschaft der beiden »Spinner vom Waldrand«, wie sie im Dorf unten genannt wurden. Zu Beginn der 1990er-Jahre – Balik-Lachs galt in der Schweizer Spitzengastronomie und unter Lachsliebhabern längst als Premiumprodukt – wälzte Kübel neue Pläne. Mövenpick trat mit einem großzügigen Kaufangebot an ihn heran. Fast gleichzeitig lernte Kübel den dänisch-libanesischen Komponisten, Musiker und Besitzer von Caviar House (heute Caviar House & Prunier) Peter G. Rebeiz kennen. Die beiden verstanden sich auf Anhieb – auf der musisch-künstlerischen ebenso wie auf der genießerisch-kulinarischen Ebene. Rebeiz konnte Kübel überzeugen, sein Lebenswerk in dessen Sinn weiterzuführen und den Balik-Lachs mittels der professionelleren Verkaufskanäle auch international bekannt zu machen. 1992 verkaufte Hans Gerd Kübel an Peter G. Rebeiz.

Pur am besten

Die Produktion ist mittlerweile in einem stilgerechten Anbau untergebracht und die Zahl der Angestellten auf 33 gewachsen. Jährlich werden rund 70.000 Zuchtlachse verarbeitet. Der Balik-Lachs hat sich auf dem Weltmarkt als Nummer eins durchgesetzt, was sich auch dadurch manifestiert, dass sich parallel zu unserem Besuch Journalisten aus Japan umsehen. Im oberen Stock des historischen Teils des Bauernhauses hat Peter G. Rebeiz ein Tonstudio eingerichtet, das auch für Plattenaufnahmen vermietet wird. Hier gastieren regelmäßig internationale Musikgrößen sowie Nachwuchskünstler des »Jazz Festival Montreux«, in dessen Foundation der Inhaber von Caviar House & Prunier Vorstandsmitglied ist.
Dennoch: Da, wo es wirklich zählt – bei der Produktqualität –, hat sich über all die Jahre nichts verändert. Das Streben nach Perfektion zeigt sich in jedem Detail, wie die Führung eindrücklich erfahren lässt, die auch von Balik-Liebhabern gebucht werden kann. Die Lachse stammen aus großzügig bemessenen Zuchten in norwegischen Fjorden und werden mit Meerfutter genährt. In drei Jahren gewinnen sie ihr Idealgewicht von vier bis sechs Kilogramm. Schockgefroren kommen sie als ganze Fische in Ebersol an und werden dann in vier bis fünf Arbeitstagen verarbeitet. Zunächst tauen sie im leise fließenden Quellwasser langsam auf, dann werden sie in zwei Seiten geschnitten und gesalzen. Am dritten Tag umspielt sie im Ofen zehn bis zwölf Stunden sanfter, maximal 32 Grad warmer Rauch. Das Holz stammt von einer geheim gehaltenen  Sorte aus dem eigenen Wald. Und am vierten Tag werden sie entgrätet und zu ganzen Seiten sowie zu Rücken- oder Bauchfilets pariert. Jeder Arbeitsgang wird von den Angestellten mit geübter Hand ausgeführt. Peter G. Rebeiz: »Balik ist eine echte Manufaktur. Die beiden einzigen Maschinen sind die Waage und das Vakuumiergerät.« Das Resultat ist die vollkommene Harmonie von Lachs, Salz und Rauch.

Bis zu zwölf Stunden kommt der edle Balik-Lachs in den Räucherofen.
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Bis zu zwölf Stunden kommt der edle Balik-Lachs in den Räucherofen.

Das Holz stammt von einer geheim gehaltenen  Sorte aus dem eigenen Wald. Und am vierten Tag werden sie entgrätet und zu ganzen Seiten sowie zu Rücken- oder Bauchfilets pariert. Jeder Arbeitsgang wird von den Angestellten mit geübter Hand ausgeführt. Peter G. Rebeiz: »Balik ist eine echte Manufaktur. Die beiden einzigen Maschinen sind die Waage und das Vakuumiergerät.« Das Resultat ist die vollkommene Harmonie von Lachs, Salz und Rauch.
Die Führung endet mit einem Apéro oder einem Balik-Menü. Empfehlenswert ist das klassische Balik-Menü. Zu einem Salätchen werden Tranchen von der ganzen Lachsseite gereicht. Nach einem Teller Gemüsesuppe wird die ganze Balik-Palette dekliniert: Es gibt Lachstatar, Balik-Sashimi, »Balik Sjomga Tradition« (mit Dill marinierte Stücke vom Bauchfilet) und das »Piéce de résistance« – das Balik-Filet »Tsar Nikolaj«. Dazu bloß einen Klacks Balik-Senf-Dill-Sauce und Crème fraîche – Balik-Lachs braucht keine weitere Aromenverstärkung. Je einfacher, je purer er serviert wird, desto eleganter setzt sich sein finessenreicher Geschmack durch.

© Daniel Ammann

Glücklich verlässt man den atmosphärisch dichten Ort, im Handgepäck eine Portion Balik aus dem Farm-Shop, und besteigt in Mogelsberg den Zug nach Wattwil – nicht ohne vorher auf dem Bahnsteig vorsorglich den Halteknopf betätigt zu haben.

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Aus dem Falstaff Magazin Nr. 03/2017

Martin Kilchmann
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